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Unterhaltung und „objektive Nachrichten“

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen beim Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel Maßnahmen gegen die russische Propaganda in der Ukraine-Krise setzen. Es bestehe eine Notwendigkeit, „Russlands anhaltende Desinformationskampagne anzufechten“, heißt es in einem aktuellen Gipfelentwurf - und das möglicherweise mit einem eigenen TV-Sender.

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Der deutsche Staatsminister Michael Roth sagte erst am Dienstag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel, es gebe eine Diskussion über die Schaffung eines russischsprachigen TV-Senders. Die EU wolle einen Beitrag zu Medienpluralismus leisten. Das Thema sei vor allem in Ländern von Bedeutung, wo es einen signifikanten Anteil an russischsprachigen Personen gebe, wie etwa in Lettland. Die Stimmen für einen eigenen russischsprachigen EU-Fernsehsender werden seit Jänner immer mehr.

„Schnell wachsende Desinformation“

Schon Anfang Jänner hatten Großbritannien, Dänemark, Estland und Litauen in einem Brief an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ein Vorgehen gegen Russlands „Propaganda-Kampagne“ im Ukraine-Konflikt verlangt. Brüssel solle einen Plan für eine EU-weite Strategie gegen „schnell wachsende Desinformation und Propaganda“ aus Moskau ausarbeiten, hieß es damals. Der Plan müsse Alternativangebote für russischsprachige Bürger auch innerhalb der EU enthalten, wurde in dem Schreiben bereits gefordert.

Die russische Propaganda ziele darauf, die „Einheit der EU und des Westens zu behindern“, hieß es in dem Schreiben. Russland sieht sich vor allem seit der Intervention in der Ukraine vermehrt dem Vorwurf eines „Informationskriegs“ gegen den Westen ausgesetzt. Moskau hat in Europa unter anderem deutsch-, spanisch- und englischsprachige TV-Programme gestartet sowie einen Informationsdienst als „Alternative“ zu westlichen Nachrichtenangeboten. Russischsprachige EU-Bürger konsumieren ohnehin fast ausschließlich kremltreue Sender.

Deutschrussen als Kämpfer in Ukraine?

Nur ein Drittel aller EU-Länder weist die eigene russische Minderheit explizit in Bevölkerungsstatistiken aus. Über 90 Prozent aller russischsprachigen EU-Bürger leben demnach in den baltischen Ländern Estland, Lettland und Litauen. Die anderen Länder, die ihre russischsprachigen Minderheiten gesondert ausweisen, tun das zum Teil seit ihrer Zugehörigkeit zum Ostblock. Andere Länder könnten ihre russischsprachigen Minderheiten als Thema aber unterschätzt haben, wie aktuelle Debatten in Deutschland zeigen.

Die deutsche „Welt am Sonntag“ berichtete zuletzt unter Berufung auf Insider, dass über 100 russischsprachige Deutsche in der Ukraine zur Unterstützung der prorussischen Separatisten in den Kampf gezogen seien. Viele von ihnen sollen ehemalige Bundeswehrsoldaten sein. Das deutsche Außenministerium und das deutsche Verteidigungsministerium meldeten Zweifel an dem Bericht an, ohne ihn jedoch wirklich dementieren zu wollen. Die deutsche Bundesanwaltschaft erklärte schließlich, man gehe entsprechenden Hinweisen nach.

Rinkevics warnte schon im Jänner

Schon im Jänner hatte der lettische Außenminister Edgars Rinkevics als derzeitiger EU-Ratsvorsitzender darauf hingewiesen, die Auswirkungen der russischen Medienaktivitäten innerhalb der EU nicht zu unterschätzen: Auch wenn die Bevölkerungsanteil russischer Minderheiten in den meisten EU-Staaten verschwindend gering sei - in absoluten Zahlen gebe es allein in Deutschland mehr russischsprachige Menschen als in allen drei baltischen Staaten zusammen, betonte Rinkevics damals. Und sie alle konsumierten fast „ausschließlich vom Kreml gesteuerte Programme“.

„Wir sehen, dass es Propaganda gibt, die direkt gegen die EU, die USA und unsere Werte gerichtet ist“, sagte Rinkevics. Es brauche schnellstmöglich eine Gegenstrategie der EU. Teil davon könne ein russischsprachiger Sender sein, der neben Unterhaltung auch „objektive Nachrichten“ sende. Die Produktion eines solchen Vollprogramms sei zwar sehr teuer, aber bei weitem nicht nur für die baltischen Staaten interessant. Der Europäische Demokratiefonds (EED) wurde mit der Erstellung von Expertisen beauftragt.

Debatte über Sanktionen dauert an

Nun soll Mogherini vom Gipfel beauftragt werden, bis Juni in Zusammenarbeit mit den EU-Staaten und den EU-Institutionen einen „Aktionsplan über strategische Kommunikation zur Unterstützung der Medienfreiheit“ zu erstellen. „Die Einrichtung eines Kommunikationsteams ist ein erster Schritt in diese Richtung“, heißt es in dem aktuellen Vorstoß, hinter dem nun eben auch Deutschland steht. In dem aktuellen Gipfelentwurf ist auch ein eigener Punkt zu den Russland-Sanktionen vorgesehen. Allerdings ist dazu noch nichts ausformuliert, das heißt, die Debatten dazu dauern noch an.

Der EU-Gipfel soll alle Konfliktparteien aufrufen, das Minsker Waffenstillstandsabkommen rasch und vollständig umzusetzen, und die Verantwortung Russlands in diesem Zusammenhang unterstreichen. Die EU sei bereit, den Prozess zu unterstützen, vor allem über Beiträge an die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), heißt es in dem Entwurf. Weiters werde die EU weitere trilaterale Konsultationen mit Russland und der Ukraine zu Energie- und Handelsfragen fortsetzen.

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