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Rasches Eingreifen gegen Dschihadisten

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat im Nahen Osten zuletzt weiter Boden gutgemacht. Ihr Feldzug in Syrien und dem Irak spielte sich von Beginn an auch auf virtueller Ebene ab. Ihre Propagandavideos und Botschaften wurden zu Tausenden über das Internet weltweit verbreitet. Doch nun wehren sich YouTube, Twitter, Facebook und Co.

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Das Video von der Enthauptung des US-Journalisten James Foley, das am 19. August veröffentlicht wurde, ging durch die Medien und Sozialen Netzwerke und sorgte weltweit für Entsetzen und Empörung. Als knapp zwei Wochen später die zweite US-Geisel Steven Sotloff von IS-Kämpfern ermordet wurde, war es in den Sozialen Medien vergleichsweise ruhig. Das Video war zumindest kurz nach der Veröffentlichung nur schwer zu finden.

Dschihadisten suchen neue Kanäle

„Es ist bemerkenswert, wie wenig Bildmaterial von der zweiten Enthauptung verbreitet wurde“, sagte Stephen Balkam, Vorsitzender des amerikanischen Family Online Safety Institute (FOSI), gegenüber der Nachrichtenagentur AP. „Es ist sehr schwierig zu finden, wenn man nicht in den dunklen Ecken des Internets sucht.“

Eine dieser „dunklen Ecken“ ist das russische Soziale Netzwerk VKontakte, auf das IS-Kämpfer mittlerweile ausweichen, nachdem westliche Netzwerke wie Twitter und Facebook und dschihadistische Inhalte schnell wieder löschen. Auch eine YouTube-Version des jüngsten Videos mit dem Titel „Eine zweite Nachricht an Amerika“ war zunächst nur wenige Minuten online. Erst das auf die Überwachung islamistischer Webssites spezialisierte US-Unternehmen SITE berichtete von dessen Existenz.

Soziale Netzwerke „besser vorbereitet“

Nur zwei Wochen nach dem Enthauptungsvideo von Foley seien die Betreiber „besser vorbereitet gewesen“, heißt es aus dem Umfeld der Silicon-Valley-Unternehmen. Derzeit würden Soziale Netzwerke fieberhaft daran arbeiten, Profile von IS-Sympathisanten zu blockieren, erzählt ein Techniker gegenüber AP, der anonym bleiben wollte. Twitter ist eines der Netzwerke, die ihre Veröffentlichungspolitik verschärft haben. „Wir haben bereits aktiv Nutzerkonten gesperrt und werden das weiter tun, wenn die Nutzer uns in Zusammenhang mit diesen drastischen Aufnahmen auffallen“, teilte Twitter-Chef Dick Costolo über Twitter mit.

Doch das Prozedere ist umständlich und dauert oft lange. „Unmittelbare Angehörige und andere befugte Personen können die Entfernung von Bildern oder Videos Verstorbener beantragen“, heißt es in den Twitter-Richtlinien. Dazu müssen sich Angehörige per E-Mail an Twitter wenden. Im Fall Foley schalteten sich auch das amerikanische Außen- und das Verteidigungsministerium ein und baten um einen angemessenen Umgang mit den Aufnahmen, wie die „Washington Post“ berichtete.

In kurzer Zeit viele verschiedene Quellen

Ist ein Propagandavideo aber erst einmal in Umlauf, sei eine Eindämmung fast nicht mehr möglich, so Dwayne Melancon von der Sicherheitsfirma Tripwire gegenüber AP. „Auch wenn man zwar gut gegen die ursprüngliche Informationsquelle vorgehen kann, hat man in kürzester Zeit unzählige weitere Quellen, wovon viele nicht auf die Aufforderung, das Material zu entfernen, reagieren“, sagte Melancon. So waren auch die Aufnahmen der ersten Enthauptung bald in hundertfacher Ausführung auf YouTube zu finden - wobei viele Clips gar nicht die Ermordung zeigten. Beim zweiten Video reagierte YouTube schneller und dämmte so die Verbreitung ein. Das Unternehmen verweist auf seine Richtlinien, wonach verhetzende Inhalte entfernt werden können, sobald sie von anderen Usern markiert werden.

Kritik an Selbstzensur

Doch das Eingreifen der Plattformen ruft auch Kritiker auf den Plan. Laut Ansicht von Jillian York, einer Verfechterin der freien Meinungsäußerung bei der US-Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Fondation (EFF), sollten Unternehmen wie Twitter, Facebook und Co. keine Inhalte entfernen, sofern diese nicht gesetzlich verboten sind. „Das Problem ist, dass ihre Regeln nicht gleichmäßig angewandt werden“, sagte York und verwies auf Meldungen, wonach viele Twitter-Accounts gesperrt wurden, auf denen das Foley-Video geteilt wurde, während Zeitungen und selbst der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu das ungeahndet taten.

„Den Unternehmen die Macht der Zensur zu geben ist ein gefährlicher Präzedenzfall“, so York. „Wir haben gesehen, wie diese Macht immer wieder missbraucht wird.“ Als eine praktikable Möglichkeit schug Marc Rotenberg von der Non-Profit-Organisation Electronic Privacy Information Center vor, zwar die bedenklichen Videos zu löschen, die Diskussion darüber jedoch zu erlauben.

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