„Verwalten statt gestalten“
Harsche Reaktionen bekommt Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) am Donnerstag von der Opposition. Einen Tag nach seiner Budgetrede findet die Erste Lesung über Lögers Doppelbudget für 2018 und 2019 statt. SPÖ, NEOS und Liste Pilz (LP) sehen keinen Grund für die von ÖVP und FPÖ vielfach zitierte „Trendwende“.
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Vor allem trage die Regierung wenig zu dem angestrebten Nulldefizit bei. Das sei „nichts anderes als ein Konjunktureffekt, der ihnen in den Schoß gefallen ist“, sagte SPÖ-Klubchef Christian Kern. Ähnlich argumentierte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz: „Die Regierung sonnt sich unter einer Sonne, die sie nicht verantwortet hat.“
ÖVP-Klubobmann August Wöginger hingegen lobte die Vorhaben der Regierung - vom „Familienbonus“ über die geplante Senkung der Steuerquote bis zum Stopp der illegalen Migration. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus ergänzte: „Wir setzen um, was wir vor der Wahl versprochen haben.“
„In Zahlen gegossene Biedermeierpolitik“
Die Opposition sieht das anders. Sie vermisst im Budget die überfälligen Strukturreformen und Visionen. „Es wird verwaltet, nicht gestaltet“, sagte NEOS-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder ortete eine „Politik gegen menschliche Grundbedürfnisse“. Der Opposition fehlen etwa Reformen beim Föderalismus, bei den Pensionen, in der Umwelt- und Klimapolitik. „Das Budget ist in Zahlen gegossene Biedermeierpolitik, ein nationalkonservatives Verwaltungsbudget mit rechtspopulistischen Fußnoten“, so Strolz. Das sei „enttäuschend“. Die Regierung verrate die eigenen Prioritäten.

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NEOS-Klubchef Strolz spricht von „nationalkonservativen Verwaltungsbudget mit rechtspopulistischen Fußnoten“
Kern kritisierte das Sparen bei den Menschen und nicht beim System etwa durch das Ende der „Aktion 20.000“. Dafür würden im Gegenzug Kabinette der Ministerien aufgebläht und rund 200 Großbetriebsprüfer eingespart. Strolz vermisste genauso wie Kern die Abschaffung der kalten Progression. Kritisiert wurden von der SPÖ zudem fehlende Schritte für mehr Steuergerechtigkeit. Länder wie Panama würden von der Schwarzen Liste gestrichen, so SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer, in Österreich würden keine Schlupflöcher gestopft.
„Klare Prioritätensetzungen“ fehlen LP-Budgetsprecher Bruno Rossmann mit Blick auf Zukunftsbereiche wie die Ökologie. Auch eine Verwaltungsreform kann er nicht erkennen. Der Finanzminister könne zu dieser erwähnten einen Milliarde bisher keine konkreten Beispiele nennen, weil nirgendwo gespart und gekürzt werde.
Kritik an Bildungsbudget
Für den ÖVP-Abgeordneten Rudolf Taschner ist das Budget im Bereich Bildung „ein Meisterstück“. Die Mittel würden aufgestockt, und für die gelungene Integration fremdsprachiger Kinder werde die gute Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer sorgen.
Defizit nach Maastricht
Die Defizitberechnung soll eine internationale Vergleichbarkeit ermöglichen. Es werden nicht nur die Finanzen des Bundes, sondern auch von Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen berücksichtigt.
Als „Witz“ bezeichnete hingegen SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid die Aufstockung des Unterrichtsbudgets um 138 Mio. Euro. Die geplante Streichung von 250 Integrationspädagogen, 85 Sozialarbeitern und 80 Mitgliedern von Mobilen Teams treffe vor allem die Schulen, die besondere Herausforderungen haben. Unverständlich seien auch die Kürzungen bei den Neuen Mittelschulen, wo ein Drittel der Stunden für Teamteaching gestrichen werden soll.
Besonders betroffen davon wäre voraussichtlich Wien. Durch die nicht mehr gegebene Dotierung des „Integrationstopfes“ ab 2019 würden rund 350 Unterstützungspersonen wie Sozialarbeiter an Wiener Schulen wegfallen, sagte der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) am Donnerstag.
Budgetdebatte im Nationalrat
Am Donnerstag äußerte sich die Opposition zum Budget der Regierung. Im Parlament wurde mit heftigen Schlagabtäuschen debattiert.
„Schon etwas ganz Besonderes“
Löger peilt für 2019 einen Budgetüberschuss an und will auch nach den strengeren Maastricht-Kriterien ein Nulldefizit erzielen. Immer wieder betonten die Oppositionsabgeordneten, dass eigentlich vielmehr das strukturelle Defizit ausschlaggebend sei, bereinigt von Einmaleffekten wie etwa dem Wirtschaftswachstum. Dieses betrug 2017 0,1 Prozent, heuer soll es bei 0,5 Prozent liegen.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Finanzministerium
Abgeordnete von ÖVP und FPÖ hingegen dankten Löger für dieses Budget und verteidigten es als Entwurf mit „Haus- und Sachverstand“. Es sei „schon etwas ganz Besonderes, dass wir nach 65 Jahren wirklich einen echten Überschuss erzielen“, lobte Wöginger. SPÖ-Finanzsprecher Krainer konnte das nicht nachvollziehen. Auch Anfang der 70er Jahre habe es laut WIFO-Zahlen Überschüsse im gesamtstaatlichen Budget gegeben.

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ÖVP-Klubobmann August Wöginger (l.) lobte das vorgelegte Budget
Krainer vermisste in der Budgetdebatte zudem Mitglieder der Regierung. Löger und Staatssekretär Hubert Fuchs folgten der Debatte, andere Minister fehlten: „Ich habe bei einer Budgetdebatte noch nie so leere Regierungsbänke erlebt“, kritisierte Krainer. Laut Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wurde das so vereinbart.
Änderungen bei Pflegeregress?
Unklar ist, wie es nun mit dem kürzlich abgeschafften Pflegeregress weitergeht. Löger hatte in einem „Presse“-Interview die „Ausprägung“ der Abschaffung als hinterfragenswert bezeichnet: „Am Ende wird es wie bei den Pensionen auch bei der Pflege notwendig sein, über das staatliche Finanzierungssystem hinaus Maßnahmen zu setzen.“
Gewinner und Verlierer des Budgets
Thomas Langpaul (ORF) schätzt die Budgetdebatte im Nationalrat ein. Familien werden auf jeden Fall davon profitieren, bei Arbeitslosen und Zuwanderern wird „massiv gekürzt werden“.
In dem Budget seien nun für 2018 und 2019 jeweils 100 Mio. Euro für die Abschaffung des Pflegeregresses eingepreist, so NEOS-Abgeordnete Doppelbauer. Der Wegfall des Pflegeregresses kostet nach Angaben des Städtebundes heuer bis zu 650 Mio. Euro, das Länder und Gemeinden vom Bund gefordert hatten. Umso mehr fragte Schieder, ob der Pflegeregress doch wieder komme?
Löger kalmiert
Regierungskoordinator und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) hingegen sagte der APA, er glaube nicht, dass Löger die Abschaffung des Pflegeregresses hinterfrage. Man denke vielmehr über Anreize nach, um die Pflege zu Hause attraktiver zu machen. Auch Löger war in der Pflegedebatte um Beruhigung bemüht. Die Verhandlungen mit den Ländern über den Kostenersatz laufen noch. Bis Ende April solle „Kostenwahrheit“ geschaffen werden, sagte ein Ministeriumssprecher. Bis Ende Juni soll eine Lösung auf dem Tisch liegen. Das sei ein „mit den Ländern akkordierter Prozess, um die Finanzierungsfrage zu lösen“.
Bei den im Budget eingepreisten 100 Mio. Euro orientiere man sich „an der Nachfrage des letzten Jahres, nicht nach dem künftigen Bedarf“. Das Ministerium will den Ländern also so viele Betreuungsplätze bezahlen, wie es zum Zeitpunkt der Abschaffung gab.
Protest gegen Kürzungen beim Bahnausbau
Außerhalb des Parlaments protestierte die Bahngewerkschaft vida bundesweit gegen durch das Budget verursachte Kürzungen beim Bahnausbau. Es gehe um rund 1,8 Mrd. Euro, in allen neun Bundesländern seien Projekte betroffen, kritisiert die vida. Gewerkschafter in den Bundesländern richteten Briefe an ihre jeweiligen Landeshauptleute, sie im Kampf gegen die Kürzungen zu unterstützen. Laut vida geht es bei dem Rotstift für Bahnprojekte im ÖBB-Rahmenplan 2018 bis 2023 um fast 26.500 Arbeitsplätze.
Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ verteidigten das Budget im Nationalrat. Aus Sicht der ÖVP und FPÖ werden zentrale Infrastrukturprojekte, insbesondere der Ausbau der Schiene, vorangetrieben, berichtete die Parlamentskorrespondenz. Die Opposition äußerte sich kritisch: Die SPÖ ortet eine Investitionslücke. NEOS kritisiert Ineffizienz beim Einsatz der Mittel und Direktvergaben bei Bestellungen von Verkehrsleistungen der Schiene.
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