Opposition spottet über Große Koalition
Die Kundgebungen zum „politischen Aschermittwoch“ werden auch in Deutschland traditionell zum politischen Schlagabtausch genutzt. Dieses Jahr standen sie besonders im Zeichen der geplanten Neuauflage von Schwarz-Rot. Während die Opposition mit der möglichen Großen Koalition scharf abrechnete, warb der kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz im bayrischen Vilshofen für ein Ja der Mitglieder zu dem mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag.
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Beim „politischen Aschermittwoch“ sagte Hamburgs Bürgermeister, auch die vereinbarte Reform in der Europapolitik sei ein Grund, grünes Licht für die Regierungsbeteiligung der SPD zu geben. „Denn jetzt ist das Zeitfenster, und nicht in fünf Jahren und in zehn Jahren“, sagte Scholz.

Reuters/Fabrizio Bensch
Vor Andrea Nahles wird Scholz interimistischer Parteichef der SPD
„Vielleicht gibt es dann keines mehr. Und jetzt müssen wir handeln.“ Die SPD habe verstanden, „dass vielleicht das wichtigste nationale Anliegen Deutschlands die Zukunft der Europäischen Union ist. Und darin unterscheiden wir uns von den politischen Wettbewerbern.“
Merkel: „Nicht rummosern“
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel von der CDU unterließ bei ihrem Auftritt Attacken auf die politische Konkurrenz. Es gehe angesichts der politischen Lage nicht darum, „permanent zu fragen, was macht der andere falsch“, sagte Merkel in Mecklenburg-Vorpommern. „Sondern es geht für jeden und in jeder Partei darum zu fragen, was kann ich für dieses Land tun, denn das ist die Aufgabe von Politik: zu dienen und nicht rumzumosern.“
„Noch nie habe es nach einem Wahljahr zum Aschermittwoch keine neue Regierung gegeben“, so die CDU-Vorsitzende. Deswegen seien deutliche Worte mehr angebracht als in anderen Jahren. Es gehe aber nicht um „Verleumdungen und Unterstellungen“, sondern „es geht darum, dass wir wieder lernen, uns gegenseitig zu achten, uns zuzuhören und auch das Gute beim anderen zu sehen und nicht nur das Schlechte“, verlangte sie.
Bartsch warnt vor Risiken durch Nahles
Kritik kommt unter anderem vom Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch: „Die Wahlverlierer haben sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt“, sagte er bei der Veranstaltung seiner Partei in Passau. „Und selbst der ist offensichtlich instabil.“ Er fügte hinzu: „Neben die harmlose Lyrik aus dem Koalitionsvertrag gesellt sich nun Streit, bevor die Regierung steht, und umstrittene Spitzen bei beiden Parteien.“
Bartsch forderte in seiner Rede spürbare soziale Verbesserungen im Land. Mit Blick auf die bevorstehende Wahl der SPD-Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles zur neuen Parteichefin warnte Bartsch vor den Risiken von „hundertprozentigen Ergebnissen“. Das Beispiel des „Ikarus aus Würselen“ zeige, wohin das führen könne, sagte Bartsch mit Blick auf den am Dienstag offiziell zurückgetretenen bisherigen Parteichef Martin Schulz.
Grüne: „Dieses Land gehört nicht der CSU“
Grünen-Chef Robert Habeck ging beim „politischen Aschermittwoch“ seiner Partei in Landshut (Bayern) hart mit dem geplanten Heimatministerium ins Gericht. „So fühlt es sich an, wenn man abgeschoben wird“, sagte der Grünen-Vorsitzende bezogen auf CSU-Chef Horst Seehofer, der das Ministerium leiten soll.
An die Adresse der CSU sagte Habeck: „Wer Rechtspopulisten hinterherläuft, stärkt nicht die Demokratie - sondern die Rechtspopulisten.“ Notwendig sei eine „starke, selbstbewusste und optimistische Politik“. Der designierte bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte die Unionsparteien beim „politischen Aschermittwoch“ zuvor aufgefordert, auch rechte Wähler wieder stärker anzusprechen.
Habeck rief seine Partei in Hinblick auf die Landtagswahl in Bayern auf: „Die Grünen wollen den Absolutismus der CSU brechen.“ „Dieses Land gehört keiner Partei, dieses Land gehört nicht der CSU.“ Bei den Grünen gebe es eine Vision „für eine großartige Veränderung“.
Lindner bekräftigt Entscheidung über „Jamaika“
Kritik an Söder übte auch FDP-Chef Christian Lindner. Söder habe gesagt, er wolle nicht mit der FDP regieren. Das entscheide aber nicht Söder, sondern die Bürger in Bayern, wie sich der Landtag zusammensetze. Die FDP sei jedenfalls bereit, Verantwortung zu übernehmen und müsse dafür auch kompromissbereit sein, sagte Lindner in Dingolfing. Lindner verteidigte erneut seine Entscheidung, aus den „Jamaika“-Verhandlungen auszusteigen. „Ich würde sie immer wieder so treffen“, sagte er.
AfD: „Sozen weniger Rückgrat als Gummibärchen“
AfD-Bundesvorsitzender Jörg Meuthen warf der SPD unterdessen im bayrischen Osterhofen Unglaubwürdigkeit und fehlendes Rückgrat vor. Erst hätten die Sozialdemokraten gegen die Union gepöbelt, später hätten sie bei der eigenen Parteibasis für eine Koalition mit CDU/CSU gebettelt, sagte Meuthen. „Die heutigen Sozen, das war in früheren Zeiten einmal anders, haben weniger Rückgrat als ein rotes Gummibärchen!“
Vor mehreren hundert Anhängern bescheinigte Meuthen den Unionsparteien, keine konservativen Positionen mehr zu vertreten: „Die wissen doch nicht einmal mehr, was Vaterlandsliebe ist.“ Die deutsche Kanzlerin Merkel und ihre CDU-Mitstreiter hätten nur noch ein Ziel: „Machterhalt um buchstäblich jeden Preis.“ Die rechtspopulistische AfD begrüßte außerdem FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky als Ehrengast und Redner.
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