Angelobung nächste Woche möglich
Glaubt man entsprechenden Medienberichten, dann werden ÖVP und FPÖ tatsächlich vor Weihnachten ihre Koalitionsverhandlungen abschließen. Schon Anfang nächster Woche könnte Österreich eine neue Regierung haben. Wie sie genau aussieht, darüber wird aber noch immer spekuliert.
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Doch in immer mehr Punkten sind sich die Verhandler einig: So hat man sich laut „Tiroler Tageszeitung“ und „Presse“ auch in der Europapolitik geeinigt. „Österreichs Rolle in Europa“ und „das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zur EU“ seien „außer Streit gestellt“. Im Koalitionsabkommen werde „eine klar proeuropäische Linie abgebildet“, heißt es in dem Papier. ÖVP und FPÖ wollten das auf Anfrage der APA nicht kommentieren. Beide Parteien sind in den vergangenen Tagen dazu übergegangen, zu entsprechenden Berichten nicht mehr Stellung zu nehmen.
EU-Agenden bleiben bei Kurz
Die EU-Agenden sollen laut den beiden Zeitungen mit ÖVP-Obmann Sebastian Kurz vom Außenamt ins Kanzleramt übersiedeln. Österreichs EU-Ratsvorsitz in der zweiten Hälfte nächsten Jahres würde damit nicht im Außen-, sondern im Kanzleramt federführend vorbereitet. Damit war auch bereits in den vergangene Wochen gerechnet worden.
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Reuters/Heinz-Peter Bader
ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in bestem Einvernehmen
Verständigt haben sich ÖVP und FPÖ auch darauf, dass über einen „Öxit“ - den Austritt Österreichs aus der Union - nicht abgestimmt wird. Suchen will man Verbündete zur Erreichung eines endgültigen Abbruchs der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zugunsten eines europäisch-türkischen Nachbarschaftskonzeptes.
Keine Präambel
Realisieren wollen ÖVP und FPÖ das „Subsidiaritätsprinzip“: In der Union solle nur noch „Großes“ gemeinsam geregelt werden, anderweitiges habe nationale Angelegenheit zu sein. Die künftigen Koalitionsparteien wollen auch, dass EU-Gesetze befristet beschlossen werden. Erweisen sie sich als untauglich, laufen sie aus. Eine Präambel zur EU, wie es sie im Jahr 2000 für die erste schwarz-blaue Koalition gegeben hat, ist diesmal nicht vorgesehen.
Pflichtmitgliedschaft soll bleiben
Bereits zuvor war bekanntgeworden, dass die Koalitionsverhandler auch das umstrittene Kapitel Kammerpflichtmitgliedschaft abgehakt haben. Die Pflicht dürfte laut APA erhalten bleiben, dafür die Mittelzuführung sinken. Eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft war vor allem ein Wunsch der Freiheitlichen. Bis zuletzt stand noch im Raum, entweder ein allgemeines Referendum zu dieser Frage durchzuführen oder zumindest die jeweiligen Mitglieder abstimmen zu lassen.
Das dürfte nun nicht stattfinden. Stattdessen sollen die jeweiligen Mitglieder nun finanziell entlastet werden, was die Kammern zu Einsparungen nötigen würde. Schon Schwarz-Blau unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hatte versucht, die Kammerumlage zu senken, bei der Arbeiterkammer (AK) von 0,5 auf 0,3 Prozent. Damals war das Vorhaben am Widerstand der ÖVP-Wirtschaftsbund-Abgeordneten gescheitert.
Strache zufrieden - trotz „Altlasten“
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache zeigte sich in einem Facebook-Posting zufrieden mit dem bisher in den Koalitionsverhandlungen Erreichten: Als drittstärkste Partei habe seine Partei bisher „weit über 50 Prozent unserer FPÖ-Positionen, Grundsätze und Versprechen inhaltlich im Interesse der österreichischen Bevölkerung bereits in ein zukünftig mögliches Regierungsprogramm einbringen können“.
Weitere offene Fragen „werden aktuell noch verhandelt“, schreibt Strache. Gleichzeitig gesteht der FPÖ-Obmann aber auch ein, dass er nicht alles umsetzen kann: „Wir müssen viele von den rot-schwarzen Altlasten (EU, CETA etc.) sowie bei den nicht veränderbaren Gegebenheiten übernehmen, können jedoch versprechen, dass wir zwar nicht alles anders, aber vieles in Zukunft besser machen werden.“ Beim EU-Kanada-Handelsabkommens CETA wird sich die FPÖ wohl nicht gegen die ÖVP durchsetzen können. „Bis heute weigert sich die ÖVP konsequent, eine von der FPÖ geforderte CETA-Volksbefragung (...) möglich zu machen. Dies sei eine rote Linie für die ÖVP.“
Einigung wohl am Wochenende
Offen ist noch das Kapitel „direkte Demokratie“. Die FPÖ wünscht sich bindende Volksabstimmungen, wenn ein Volksbegehren von vier Prozent der Wahlberechtigten unterzeichnet wird. Die ÖVP denkt an zehn Prozent und will Grundrechtsfragen ausklammern. Und auch in Sachen Finanzierung der Vorhaben und Budget drang bisher wenig Konkretes nach außen.
Von einer Einigung ist jedenfalls auszugehen: Die ZIB berichtet wie „Der Standard“ und „Die Presse“, dass die Verhandlungen am Wochenende abgeschlossen werden. Laut „Standard“ ist für Freitagabend eine letzte Runde geplant. Am Samstag sollen die Parteigremien informiert werden, die Angelobung könnte dann schon am Montag oder Dienstag stattfinden.
Blaue Ministerliste nimmt Formen an
Welche Minister da aber für welches Ressort angelobt werden, darüber wird noch immer spekuliert. Auf Seiten der FPÖ könnte Strache als Vizekanzler die Agenden für Sport und Tourismus erhalten, meldete die ZIB. Zuvor war er als Verteidigungsminister im Gespräch gewesen, auch die Einrichtung eines Heimatschutzministeriums wurde ja lange diskutiert.
Neue Ministernamen
Neues von den Koalitionsverhandlungen: ÖVP und FPÖ einigten sich bei den Kammern auf die Pflichtmitgliedschaft und Einsparungen. Und es tauchen neue Ministernamen auf.
Mittlerweile praktisch gesetzt gelten Karin Kneissl als von der FPÖ gestellte, aber unabhängige Außenministerin und der zweite Nationalratspräsident Norbert Hofer als Infrastrukturminister. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl soll wie schon mehrmals kolportiert Innenminister werden, mit dem von der ÖVP beigestellten Wiener Ex-Vizepolizeipräsidenten Karl Mahrer als Staatssekretär. Auch Sozial- und Gesundheitsministerium soll an die FPö gehen, im Gespräch sind die Abgeordneten Beate Hartinger und Dagmar Belakowitsch.
Verteidigung an FPÖ?
Historisch bedingte Vorbehalte gibt es, das Innen- und Verteidigungsministerium in die Hand derselben Partei zu legen. Sollten die Freiheitlichen dennoch das letztere Ressort erhalten, gilt Wehrsprecher Reinhard Bösch als Favorit. Auch der steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek war im Gespräch. Andere FPÖ-Politiker, etwa die Abgeordneten Anneliese Kitzmüller und Petra Steger oder der burgenländische Landesrat Alexander Petschnig, wurden auch immer wieder als ministrabel genannt.
Wer wird ÖVP-Finanzminister?
Noch mehr Fragezeichen gibt es auf ÖVP-Seite: Als potenzieller Kanzleramtsminister wird der Wiener Stadtparteichef Gernot Blümel gehandelt. Im Wirtschaftsministerium könnte die Casinos-Austria-Chefin Bettina Glatz-Kremsner das Sagen haben - und auch für den Arbeitsmarkt zuständig sein. Zuvor wurde sie auch schon als potenzielle Finanzministerin gehandelt. Dafür gibt es aber einige Kandidaten: So könnte der bisherige Innenminister Wolfgang Sobotka ins Finanzressort wandern. Die ZIB nannte auch den Finanzwissenschaftler Gottfried Haber, der bereits 2014 für das Amt im Gespräch war. Und dann gibt es noch Ex-Rechnungshof-Präsident Josef Moser, der ja immerhin auf dem dritten ÖVP-Bundeslistenplatz kandidiert hatte.
Viele Fragezeichen bei ÖVP
Im Amt verbleiben soll Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, wiewohl die „Presse“ auch der Direktorin des niederösterreichischen Bauernbunds, Klaudia Tanner, gute Chancen gegeben hatte. Unklar ist die Besetzung von Justiz und Bildung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen soll laut ZIB und „Standard“ darauf gedrängt haben, dass die Justiz an jene Partei geht, die nicht das Innenministerium führt. Für die ÖVP wurde zuletzt die Nationalratsabgeordnete und Juristin Michaela Steinacker genannt. Auch Verfassungsrichter Georg Lienbacher soll Chancen haben.
Bleibt noch das Bildungsministerium, mit dem Sobotka schon vor einigen Wochen in Verbindung gebracht worden ist. Zuletzt wurde auch ÖVP-Verhandler Andreas Salcher ins Spiel gebracht, nachdem es auch geheißen hatte, das Ministerium könnte doch an die FPÖ und personell an den Niederösterreicher Walter Rosenkranz gehen. Sämtliche ÖVP-Personalspekulationen könnten freilich auch noch über den Haufen geworfen werden, wenn Elisabeth Köstinger doch nicht Nationalratspräsidentin bleibt und auf die Regierungsbank wechselt.
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