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Auch Journalisten im Visier des Staates

Nach dem Putschversuch vom 15. Juli hat die türkische Polizei nach Angaben des Innenministeriums insgesamt 15.846 Menschen festgenommen. Unter ihnen seien rund 10.000 Militärangehörige gewesen, davon 178 Generäle. Inhaftiert wurden demnach 5.200 Militärangehörige, darunter 151 Generäle und mehr als 1.600 Offiziere. Am Donnerstag kommt in Ankara der Oberste Militärrat zusammen.

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Der Militärrat will über Reformen in der Armee und die Neubesetzung von zahlreichen Stellen beraten, die durch die Festnahmen von Offizieren frei geworden sind. An dem eintägigen Treffen unter Vorsitz von Ministerpräsident Binali Yildirim nehmen unter anderen Verteidigungsminister Fikri Isik und Armeechef Hulusi Akar teil.

3.000 Festgenommene nach Verhör wieder frei

Auch 1.684 Richter und Staatsanwälte befinden sich nach offiziellen Angaben in Untersuchungshaft. Zehntausende Staatsbedienstete wurden vom Dienst suspendiert. Von den fast 16.000 Festgenommenen sei gegen 8.113 Haftbefehl erlassen worden, sagte Innenminister Efkan Ala dem Sender A Haber. Sie befänden sich in Untersuchungshaft. Etwa 3.000 Festgenommene seien nach einem Verhör wieder freigelassen worden, ergänzte ein Behördensprecher.

Die restlichen mehr als 4.700 Festgenommenen befanden sich demnach im Gewahrsam der Sicherheitskräfte, wo sie während des Ausnahmezustands bis zu 30 Tage festgehalten werden können, bevor sie einem Haftrichter vorgeführt werden müssen. Nach Angaben der Armeeführung beteiligten sich 8.651 Militärs an dem Putschversuch vom 15. und 16. Juli. Das entspreche etwa 1,5 Prozent des Militärs. Die Putschisten hätten 35 Flugzeuge, 37 Hubschrauber, 74 Panzer und drei Kriegsschiffe eingesetzt.

Ban Ki Moon zeigt sich besorgt

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich besorgt über die Verhaftungswelle in der Türkei. In einem Telefonat mit dem türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu sagte Ban laut einem Sprecher am Mittwoch, es müssten schnell „glaubhafte Beweise“ vorgelegt werden, damit der Status der Festgenommenen jeweils vor Gericht geklärt werden könne.

In dem Gespräch bezog sich Ban demnach auch auf „besorgniserregende Berichte über Misshandlungen“ einiger Festgenommener.

45 Zeitungen und 16 TV-Sender geschlossen

Außerdem ordnete die türkische Regierung die Schließung von 45 Zeitungen und 16 Fernsehsendern an. Das teilte ein Behördenvertreter Mitwochabend mit, der damit ein Regierungsdekret bestätigte. Nach dem gescheiterten Militärputsch hatte die Regierung bereits zahlreiche kritische Journalisten ins Visier genommen und Dutzende Haftbefehle ausgestellt.

Laut dem im Amtsblatt veröffentlichten Regierungsdekret werden zudem drei Nachrichtenagenturen, 23 Radiosender, 15 Zeitschriften und 29 Verlagshäuser geschlossen. Die Namen der betroffenen Medien wurden nicht veröffentlicht. Laut dem Sender CNN Türk waren unter anderen die Nachrichtenagentur Cihan, der prokurdische Sender IMC TV und die oppositionelle Tageszeitung „Taraf“ betroffen.

Haftbefehle gegen Journalisten

Auch Journalisten geraten immer mehr ins Visier des Staates. Ein türkischer Staatsanwalt ordnete an, 47 ehemalige Mitarbeiter der Tageszeitung „Zaman“ in Gewahrsam zu nehmen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu weiter berichtete, durchsuchte die Polizei auch Wohnungen von Verdächtigen.

Ein Istanbuler Staatsanwalt hatte bereits am Montag 42 Journalisten zur Fahndung ausgeschrieben. „Zaman“, eine der auflagenstärksten Zeitungen des Landes, war wegen Verbindungen zum Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen im März unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden. Staatschef Recep Tayyip Erdogan macht die Bewegung für den Putschversuch verantwortlich. Der in den USA lebende Prediger weist das zurück.

Reporter ohne Grenzen schockiert

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) zeigte sich schockiert über die Verhaftungswelle gegen Journalisten in der Türkei. In den vergangenen Tagen habe die Justiz gegen rund 90 Medienschaffende Haftbefehle erlassen und einige davon bereits vollzogen, teilte ROG mit. „Die massenhaften Haftbefehle der vergangenen Tage zielen unmissverständlich darauf, unbequeme Journalisten mundtot zu machen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

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