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Wetten auf Verbleib

Erleichterung an den Börsen auf breiter Front: Vier Tage vor der britischen Volksabstimmung über einen Austritt oder einen Verbleib in der Europäischen Union (EU) überwiegt bei Anlegern die Zuversicht.

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Buchmacher sehen das Pro-EU-Lager inzwischen deutlich vorn. Der deutsche Leitindex DAX kletterte am Montag um 3,2 Prozentpunkte auf 9.936 Zähler, der Euro Stoxx 50 legte um drei Prozentpunkte auf 2.935 Zähler zu. Der britische Leitindex Footsie gewann 2,5 Punkte. Auch der Wiener Leitindex-ATX stieg um zwei Prozentpunkte und lag gegen Mittag bei rund 2.183 Punkten.

Entspannung am Montag

„Das ist eine Erleichterungsrallye“, sagte Marktstratege Heino Ruland vom Brokerhaus ICF. „Die Finanzmärkte hängen mittlerweile ausschließlich an den Brexit-Umfragen.“ Auch auf dem Devisenmarkt war die Entspannung deutlich zu spüren. Der Euro verteuerte sich zeitweise um einen Cent und erreichte mit 1,1382 Dollar den höchsten Stand seit elf Tagen. Die britische Währung, die in den vergangenen Wochen stark unter Druck gestanden war, legte noch stärker zu.

Befürworter des "Brexit" auf einem Schiff

Reuters/Stefan Wermuth

Fischer fuhren letzte Woche die Themse hinaus und warben für den Austritt

Das Pfund Sterling gewann drei Cent auf 1,4671 Dollar. Es war der größte Kurssprung seit fast eineinhalb Jahren. „Offensichtlich verfestigen sich die Wetten auf einen Verbleib der Briten in der EU“, schrieb Investmentanalyst Clemens Bundschuh von LBBW in einem Kurzkommentar.

Wettanbieter setzen auf Verbleib

Buchmacher taxierten die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs Großbritanniens in der EU dem Wettanbieter Betfair zufolge auf 75 Prozent, um rund zehn Prozentpunkte mehr als am Freitag. In Großbritannien ging der Wahlkampf weiter, nachdem er Ende der vergangenen Woche wegen des Mordes an der Labour-Abgeordneten und EU-Befürworterin Helen Joanne „Jo“ Cox kurzzeitig ausgesetzt worden war.

Die gestiegene Risikofreude der Anleger machte sich auch auf den Rohstoff- und Anleihemärkten bemerkbar. Der Preis für ein Barrel der Nordsee-Ölsorte Brent knackte wieder die 50-Dollar-Marke (44,4 Euro), und auch das wichtige Industriemetall Kupfer legte deutlich zu. Gold verbilligte sich dagegen um über ein Prozent auf 1.282 Dollar je Feinunze.

Auch deutsche Bundesanleihen, die Investoren in schwierigen Zeiten gerne in ihre Depots legen, weil sie als eine der sichersten Anlagemöglichkeiten gelten, waren nicht mehr so stark gefragt. Das trieb die Renditen der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihen wieder in deutlich positives Terrain. Sie rentierten bei 0,05 Prozent, nachdem sie vergangene Woche zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ins Minus gerutscht waren.

Bob Geldof mit Gegnern des "Brexit"

Reuters/Stefan Wermuth

Der Musiker Bob Geldof fuhr mit einem Boot gegen die EU-Gegner auf

Bankaktien besonders gefragt

Besonders gefragt auf den europäischen Aktienmärkten waren Bankenwerte. Unter den zehn größten Gewinnern im Euro Stoxx 50 waren sieben Finanzwerte. Deutsche Bank legten mehr als sechs Punkte zu, UniCredit, BNP Paribas, Intesa Sanpaolo und ING gewannen bis zu fünf Prozentpunkte. Der europäische Bankenindex stieg um bis zu 4,8 Prozentpunkte auf den höchsten Stand seit zehn Tagen.

Absturz droht

Jede weitere Umfrage könnte die Laune an den Börsen freilich schlagartig wieder ändern. Entscheidet sich Großbritannien für den „Brexit“, droht auf den Finanzmärkten am Tag danach jedenfalls der Absturz. Experten warnen vor einer Rezession in Großbritannien, Chaos in der EU und Milliardeneinbußen für die deutsche Wirtschaft.

Eine Abwertung des Pfund sowie Kursverluste an den Börsen wären die Folge. Auch ein Verbleib des Landes in der EU wird keineswegs spurlos an Pfund, Börsen & Co. vorübergehen. Als sicher gilt in diesem Fall eine Erleichterungsrallye, denn viele Anleger fahren wegen der Ungewissheit ihre Investments in Großbritannien schon länger herunter.

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