Konsequenzen für Wirtschaft befürchtet
Wenige Tage vor dem Referendum über einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU („Brexit“) hat sich der britische Premier David Cameron in dem BBC-Format „Question Time“ Sonntagabend zum letzten Mal vor der Entscheidung im Fernsehen kritischen Fragen gestellt. Er warnte, dass Großbritannien außerhalb der EU riskiere, wieder von vorn beginnen zu müssen.
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Schon zuvor hatte er in einem Interview mit der „Sunday Times“ vor den wirtschaftlichen Folgen eines Austritts aus der EU gewarnt. Nach der Entscheidung pro „Brexit“ gebe es kein Zurück mehr. „Ich glaube nicht, dass Großbritannien ein Feigling ist. Wir sollten bleiben und kämpfen“, sagte er auch vor dem kritischen TV-Publikum, das Fragen zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei stellte, zur politischen Zukunft Camerons und zu dessen Einwanderungspolitik.
Sauer über Chamberlain-Vergleich
Vorsichtig reagierte Cameron auf Fragen in Zusammenhang mit dem Mord an der Labour-Abgeordneten Helen Joanne „Jo“ Cox. Auf die Frage, ob das EU-Referendum angesichts des Mordes an Cox die Debattenkultur in Großbritannien vergiftet habe, reagierte der Premier mit einem Appell für Toleranz und leitete sofort auf die wirtschaftlichen Auswirkungen eines „Brexit“ über. Zu groß war die Gefahr, sich den Vorwurf einzufangen, den Tod der 41-jährigen Abgeordneten politisch ausnutzen zu wollen.

EBU
Cameron warnte erneut vor den Folgen eines „Brexit“
Wütend wurde Cameron über einen Vergleich mit dem ehemaligen britischen Premier Neville Chamberlain. Dieser hatte es durch seine Appeasement-Politik verabsäumt, Adolf Hitler Einhalt zu gebieten. Die EU sei nicht mit Diktaturen aus der Vergangenheit zu vergleichen. Er sehe sich vielmehr in der Tradition von Winston Churchill und wolle für eine bessere EU kämpfen, statt sich davonzuschleichen.
„Richtig zu bleiben“
Keine Zweifel ließ Cameron daran aufkommen, dass er auch nach dem Referendum, wie auch immer es ausgeht, weiterhin Premier sein werde. Er warnte davor, seine Zukunft oder die eines anderen Politikers mit dem Referendum zu vermischen. „Ich werde die Anweisungen der britischen Bevölkerung nehmen und befolgen. Und auf dieser Basis ist es richtig zu bleiben.“ Er sei im vergangenen Jahr gewählt worden, um ein Referendum zu dieser Frage durchzuführen, er werde daher auch als Premier bleiben.
In Bezug auf die Einwanderung in Großbritannien erreichte Cameron seine gesteckten Ziele bisher nicht. Es gebe hier aber auch keinen „Königsweg“, so der Premier. Die EU zu verlassen sei jedenfalls „nicht der richtige Weg, um Immigration zu kontrollieren“.
Warnungen bleiben
Seine schon vor einigen Tagen geäußerten Warnungen, dass ein „Brexit“ Kürzungen im Pensions- und Gesundheitssektor zur Folge haben könnte, wurde erneut thematisiert. Cameron blieb bei seiner Haltung. Er sei „absolut überzeugt, dass unsere Wirtschaft leiden werde, wenn wir austreten“: „Wir werden weniger Wachstum haben, weniger Existenzgrundlage für die Menschen in unserem Land.“ Durch geringere Steuereinnahmen werde es auch ein großes Loch in den öffentlichen Finanzen geben.
Cameron verwahrte sich gegen die Behauptungen des „Brexit“-Lagers, die Türkei würde bald EU-Mitglied werden. Das sei völlig falsch. Das komme nicht „bis zum Jahr 3000“. Gegen einen raschen Beitritt würde er jedenfalls ein Veto einlegen, versicherte Cameron.
Kritik an Farage
Heftige Kritik übte Cameron an dem EU-Gegner und UKIP-Chef Nigel Farage. Es sei falsch, die Menschen zu ängstigen. Farage hatte zuvor Vermutungen geäußert, dass die „Brexit“-Kampagne durch den Mord an Cox Schaden genommen habe: „Wir hatten eine Dynamik entwickelt, bevor es zu dieser furchtbaren Tragödie kam“, so Farage. Meinungsforscher führen den leichten Stimmungsumschwung in den Umfragen Richtung EU-Befürworter eher auf die wachsende Sorge vor wirtschaftlichen Konsequenzen eines „Brexit“ zurück.
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