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Unterstützungszusagen in Wien

Bei der am Montag in Wien abgehaltenen „Stabilisierungskonferenz“ für Libyen haben die insgesamt 21 teilnehmenden Länder eine Lockerung des Waffenembargos in den Raum gestellt. Konkret seien die USA und andere Länder bereit, die neue libysche Einheitsregierung im Kampf gegen Terrormilizen wie den Islamischen Staat (IS) mit Waffen zu unterstützen.

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Das Waffenembargo wurde nach dem Beginn der Revolte gegen Libyens Langzeitmachthaber Machthaber Muammar al-Gaddafi verhängt. In der Abschlusserklärung der Wiener Libyen-Konferenz heißt es nun, die internationale Gemeinschaft sei bereit, „den Forderungen der libyschen Regierung in Bezug auf Training und Ausrüstung der Präsidentengarde und der legitimen Streitkräfte“ zu entsprechen.

Staatengemeinschaft setzt auf Einheitsregierung

Bei der Wiener Libyen-Konferenz hat die Staatengemeinschaft ein klares Bekenntnis zur von Fajes al-Sarradsch angeführten Regierung der nationalen Einheit abgelegt.

Der ebenfalls nach Wien gereiste Premier der neuen Regierung der nationalen Einheit in Tripolis, Fajes al-Sarradsch, drängte zuvor die Staatengemeinschaft auf militärische Unterstützung. Damit sei jedoch keinesfalls eine - von westlichen Staaten bereits zurückgewiesene - Militärintervention gemeint, sondern Waffenlieferungen und militärische Ausbildung. Die Lage in Libyen bezeichnete Sarradsch als „sehr schlecht“, und zwar nicht nur in puncto Sicherheit, sondern auch in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht: „Das bedarf der Zusammenarbeit aller Parteien.“

Warnung vor „hastiger Entscheidung“

Laut US-Außenminister John Kerry, der gemeinsam mit Italiens Außenminister Paolo Gentiloni die „Stabilisierungskonferenz“ leitete, wird das Ansuchen der neuen Regierung für Ausnahmen beim UNO-Waffenembargo geprüft. Er selbst sehe keinen Grund, diesem nicht nachzukommen, wenn die Waffen dem Kampf gegen den IS dienten: „Wir glauben, das ergibt Sinn.“

John Kerry und Fayez al-Sarraj

APA/AFP/Leonhard Foeger

Kerry im Gespräch mit Sarradsch

Zugleich warnte Kerry vor einer „hastigen Entscheidung“ in Bezug auf Waffenlieferungen in das Bürgerkriegsland. Es müsse sichergestellt werden, dass das Kriegsgerät nicht in die falschen Hände gelange. Das ist laut Kerry eine „heikle Balance“.

Die Libyer wollen Kerry zufolge aber „eine Regierung, hier ist eine: unterstützt von der internationalen Gemeinschaft und bereit zu arbeiten“. Der US-Außenminister lobte die jüngsten Fortschritte wie die Anerkennung der Regierung der nationalen Einheit durch die Nationalbank, forderte aber gleichzeitig die Legitimation der Regierung durch eine Abstimmung im Parlament in Tobruk, wo aktuell noch eine Parallelregierung herrscht.

Kurz sagt neuer Einheitsregierung Unterstützung zu

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte der neuen „Regierung der nationalen Einheit“ in Libyen politische und ökonomische Unterstützung zu. Neben einer direkten finanziellen Hilfe durch die EU wolle Österreich vor allem im wirtschaftlichen Bereich aktiv werden, so Kurz am Dienstag in Wien nach einem Gespräch mit seinem libyschen Amtskollegen Taher Siyala.

Zunächst werde die „beste bilaterale Hilfe“ sein, wenn österreichische Unternehmen, die trotz „der schwierigen Phase“ noch in Libyen geblieben seien, ihre „Aktivitäten erweitern“, sagte Kurz. Aktuell hat etwa die OMV ihre Aktivitäten im Bürgerkriegsland auf Eis gelegt. Voraussetzung sei aber mehr Stabilität in dem nordafrikanischen Land. Dafür brauche es dort „dringend einheitliche Strukturen“ sowohl in der Regierung als auch im „militärischen Bereich“, eine „enge Kooperation im Kampf gegen Schlepperkriminalität“ und einen „intensiven Kampf“ gegen Terrororganisationen wie den IS.

Küstenwache soll ausgebaut werden

Italien begrüßte die Ergebnisse der „Stabilisierungskonferenz“: „Die in Wien getroffene Einigung hat große politische Bedeutung“, so Gentiloni. Ihm zufolge sei der Schlüssel zu einem friedlichen Libyen die „Stabilität“. Laut Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier herrscht trotz aller Unterschiede „bei allen" die Einsicht, dass eine neue Regierung auch loyale Sicherheitskräfte braucht“.

Darüber hinaus müssten aber auch die Lebensbedingungen der Menschen verbessert werden. Die entscheidende Frage sei Steinmeier zufolge, ob Libyen ein Ort bleibe, „an dem sich Terrorismus, Schleuserkriminalität, Instabilität weiter verbreitet“, oder ob es gelinge, mit der neu gebildeten Einheitsregierung wieder Stabilität zurückzugewinnen.

In Abschlussdokument der Wiener Konferenz ist in diesem Zusammenhang auch von verstärkter humanitärer Hilfe und Unterstützung beim Aufbau staatlicher Institutionen die Rede. Explizit Bezug nahmen die 21 Teilnehmerstaaten in ihrer Abschlusserklärung auch auf die Bemühungen „zur Ausheblung des Geschäftsmodells krimineller (Schlepper-, Anm.) Netzwerke unter anderem durch den Ausbau der libyschen Küstenwache“. Die EU versucht seit Langem, ihren bisher mäßig erfolgreichen Einsatz gegen Schlepper im Mittelmeer auch auf libysche Hoheitsgewässer auszudehnen, scheiterte jedoch bisher an der fehlenden Zustimmung einer libyschen Regierung.

Mit Sturz Gaddafis im Chaos versunken

Libyen wird seit dem Sturz Gaddafis im Jahr 2011 von einem tiefen Konflikt beherrscht, in dem zuletzt verschiedene Milizen und zwei konkurrierende Regierungen und Parlamente um die Macht kämpften. Die UNO und ihr Sondergesandter, der deutsche Diplomat Martin Kobler, bemühen sich darum, die Anerkennung der Autorität der vor sechs Wochen gebildeten Einheitsregierung zu unterstützen. Dessen Führungsanspruch wird unter anderem von General Chalifa Haftar bekämpft, der in der ostlibyschen Küstenstadt Tobruk seine Hochburg hat.

Von Libyen aus machten sich in den vergangenen Jahren zudem Hunderttausende Flüchtlinge über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa. Laut Kobler ist auch heuer mit keiner Entspannung zu rechnen. Allein im ersten Quartal 2016 seien schon 24.000 Menschen aus Libyen nach Europa aufgebrochen. Dabei sei die Überfahrt im Winter schwieriger, so Kogler: „Wenn man das hochrechnet, dann kommen dieses Jahr sicher mindestens 100.000 Menschen über das Mittelmeer.“

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