„Leichenhallen sind voll“
Nach dem Tod Hunderter Flüchtlinge in der Ägäis sind in Griechenland neue Möglichkeiten angesprochen worden, den schutzsuchenden Menschen sichere Wege nach Europa zu eröffnen. Die Vorschläge reichten von einem Fährdienst zwischen der Türkei und den griechischen Inseln bis zur Öffnung der Landgrenze zwischen den beiden Nachbarn.
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Der Bürgermeister der griechischen Insel Lesbos, Spyros Galinos, forderte, dass künftig Fähren Flüchtlinge direkt und sicher aus der Türkei nach Griechenland bringen sollen. Solange die EU nicht den geeigneten Druck auf die Türkei ausübe, den Flüchtlingszuzug zu kontrollieren, bleibe keine andere Möglichkeit, als diese Menschen zur Registrierung mit Fähren auf seine Insel zu bringen, damit sie nicht im Meer ertränken. „Wir müssen dieses Verbrechen beenden“, sagte Galinos der Athener Zeitung „Kathimerini“ (Samstag-Ausgabe). Die Leichenhallen der Insel seien voll mit Opfern, hieß es.
Grenzöffnung auf Landweg gefordert
Auch die Regionalgouverneurin der Inseln der Nordägäis, Christina Kalogirou (Konservative Partei Nea Dimokratia), rief Athen auf, angesichts der schlimmen Lage auf den Inseln, sich die Öffnung der Landesgrenze zur Türkei zu überlegen. Bisher lehnt die Regierung unter Alexis Tsipras das ab.
Experten gehen in Athen davon aus, dass eine Öffnung der rund 200 Kilometer langen Grenze zur Türkei zu einem noch stärkeren Flüchtlingszuzug führen könnte. Das würde zu einer dramatischen Erhöhung der Zahlen von Schutzsuchenden auf ihrem Weg in Richtung Westeuropa über die Balkan-Route führen, sagte ein Offizier der Küstenwache laut einem Agenturbericht am Samstag. „Und das will ja keine Regierung in Westeuropa“, fügte er hinzu.
Erneut Flüchtlingsboote gekentert
Unterdessen kam es am Samstag erneut zu Unglücken in der Ägäis. Vor der Insel Lesbos kenterten bei schwerem Seegang zwei Flüchtlingsboote mit insgesamt rund 190 Menschen an Bord. Küstenwache und Fischer bargen zahlreiche Menschen aus dem Wasser. In den vergangenen zwei Tagen waren in der Ägäis mindestens 48 Flüchtlinge, unter ihnen auch Dutzende Kinder, ums Leben gekommen.

Reuters/Giorgos Moutafis
Ein kleines Kind wird am Samstag von freiwilligen Helfern vor Lesbos aus einem der sinkenden Boote gerettet
Damit sind in den ersten zehn Monaten 2015 bereits über 3.300 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, mehr als im gesamten Jahr 2014 (3.279 Tote), wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte. Nach IOM-Angaben erreichten 724.228 Menschen Europa über das Mittelmeer. Viele Flüchtlinge kommen aus Syrien, wo seit viereinhalb Jahren ein Bürgerkrieg tobt. Die meisten wollen über die Balkan-Route durch Kroatien, Slowenien und Österreich Richtung Deutschland.
Umverteilung bisher nur auf dem Papier
Während nach wie vor Tausende Flüchtlinge pro Tag auf diesem Weg nach Westeuropa gelangen, schreitet die im September beschlossene Umverteilung von knapp 160.000 Schutzsuchenden aus Italien und Griechenland in der EU weiterhin nur schleppend voran. Nachdem in den vergangenen Wochen im Rahmen dieses Programms nur knapp 90 Flüchtlinge aus Italien in skandinavische EU-Länder umgesiedelt worden waren, sollen laut Medienberichten in Athen am Mittwoch die ersten Schutzsuchenden aus Griechenland nach Luxemburg gebracht werden.
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