Abschiebung nach zwei Tagen
Im Transitzentrum Refstad in der norwegischen Hauptstadt Oslo sind in den vergangenen Monaten Hunderte Menschen neu angekommen. Die meisten davon stammen aus Albanien und dem Kosovo. Hier gibt es einen Garten, eine Kantine und einen großen Gemeinschaftsraum, wo die Asylwerber im Internet surfen oder fernsehen können. Doch ihr Aufenthalt ist nur von kurzer Dauer. Von sehr kurzer Dauer.
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Nach höchstens zwei Tagen sitzen die meisten Flüchtlinge in einem Flugzeug zurück in ihre Heimat - oder in das Land, in dem sie zuletzt registriert wurden. Während anderswo in Europa hitzig über die Einrichtung von Transitzonen an den Außengrenzen oder anderen asylrechtlichen Reformen gestritten wird, entscheidet Norwegens Migrationsbehörde (UDI) schon seit 2004 im Blitzverfahren über den Asylanspruch von Menschen, deren Bewerbungen als aussichtslos gelten.
„Offensichtlich unbegründete“ Anträge
„Die 48-Stunden-Prozedur wird nur bei Asylwerbern angewandt, die aus Ländern kommen, die die UDI als sicher ansieht“, erklärt Dag Baervahr, stellvertretender Direktor der Behörde. Dazu müsse ihr Schutzanspruch „nach einer individuellen Betrachtung als offensichtlich unbegründet erachtet werden“. Bei dieser Betrachtung werden nach Auskunft der Behörde etwa „die Ernsthaftigkeit des Antrags“ sowie die Gesundheit des Asylwerbers und die Frage berücksichtigt, ob er bei der Rückkehr in sein Land besonders gefährdet sein könnte.
Die Liste der als sicher eingestuften Länder umfasst aktuell einen Großteil der europäischen Staaten, darunter viele im Südosten des Kontinents wie Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien. Ausnahmen gelten etwa für ethnische Minderheiten in Albanien und allein reisende Minderjährige.
Nur die wenigsten bekommen echtes Verfahren
Stellt sich bei einer ersten Befragung heraus, dass ein Bewerber doch einen Anspruch auf Asyl haben könnte, durchläuft er den ganz normalen Asylprozess - und muss dabei auch in Norwegen oft Monate warten. „Das heißt nicht, dass der Asylwerber in Norwegen Asyl bekommt. Die große Mehrheit dieser Asylwerber bekommt einen negativen Bescheid“, erklärt das UDI. Zwischen 97 und 98 Prozent der Ankömmlinge unter der 48-Stunden-Regel müssen Norwegen nach wenigen Tagen wieder verlassen.
Angaben von Asylwerbern beinahe Nebensache
Doch das Verfahren habe große Schwächen, meint der Anwalt Arild Humlen. Der Norweger zweifelt nicht nur daran, dass die Bewerber ausreichend geschützt sind, sondern hält den Prozess auch für zu wenig gründlich: „Das Befragungsverfahren ist zu kurz und eine Berufung oft zwecklos, weil sich die Behörden schon aufgrund von allgemeinen Informationen eine Meinung gebildet haben.“ Als Chef einer Aktionsgruppe der Anwaltskammer hat Humlen etliche Asylfälle auch aus den normalen Verfahren untersucht und die Ansprüche von Antragstellern erfolgreich vor Gericht durchgesetzt.
„Bei der Registrierung werden die Asylwerber zum Beispiel sehr kurz von der Polizei interviewt und müssen ein knappes Statement abgeben, wieso sie geflohen sind“, sagt Humlen. „Wenn sie später von der UDI befragt werden, wird ihnen dann vorgeworfen, dass sie nicht alle ihre Probleme von vornherein kommuniziert hätten.“ Dadurch wirkten die Asylwerber in den Augen der UDI unglaubwürdig und hätten wenig Chancen auf einen Verbleib. Auch die Informationen der norwegischen Behörden über die Zustände in den Herkunftsländern seien oft unzureichend.
Für aktuelle Fluchtbewegungen unbrauchbar
Die steigende Zahl der Menschen im 48-Stunden-Verfahren ist aber nicht die größte Herausforderung für die norwegischen Behörden. Nur aus neun der „sicheren Länder“ sind 2015 bisher zehn oder mehr Menschen nach Norwegen gereist, zusammen sind es aus diesen neun Ländern knapp über 700 Menschen. Mehr als die Hälfte von ihnen stammt aus Albanien. Insgesamt verzeichnete Norwegen in diesem Jahr aber mehr als 13.200 Neuankömmlinge, allein im September waren es 4.900. Die allermeisten kommen aus Syrien, Afghanistan und Eritrea.
Sparprogramm zur Abschreckung?
So wie viele andere Länder auch steht Norwegen wegen der zahlreichen Neuankömmlinge unter Druck. Bald soll ein neues, zentrales Ankunftszentrum für alle Flüchtlinge eröffnet werden, auch Zeltunterkünfte erwägt die Regierung. Gleichzeitig zurrt Ministerpräsidentin Erna Solberg das Sparkorsett enger. „Wir müssen die Kosten senken. Die Asylwerber sollen ein gutes und vertretbares, aber nüchternes Angebot bekommen“, sagt sie der Nachrichtenagentur NTB am Dienstag.
Mit einfacheren Unterkünften für Flüchtlinge will die konservative Regierungschefin zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: „Wir sollten nicht so gute Arrangements haben, dass mehr Menschen als natürlich Norwegen als Aufnahmeland wählen.“ Humlen findet, dies sei ein „sehr besorgniserregender und zynischer Ansatz“.
Julia Wäschenbach, dpa
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