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Reformstau an allen Ecken und Enden

Kroatien steckt wirtschaftlich weiter in einer tiefen Krise. Zwar klingen die Wahlprogramme der Kandidaten zur Präsidentschaftswahl vielversprechend, doch Veränderungen kann nur die Regierung bewirken. Diese jedoch scheint wie gelähmt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im dritten Quartal um 0,5 Prozent, das zwölfte Quartal in Folge.

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Somit bildet Kroatien - für das 2015 bereits das siebente Jahr der Rezession bedeutet - gemeinsam mit Zypern das Schlusslicht der EU in Sachen Wirtschaftsleistung. Mehr als 350.000 Menschen in Kroatien sind ohne Arbeit, weniger als die Hälfte der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter hat einen Job. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 41 Prozent. Reformen tun dringend Not, doch die Regierung sitzt gleichsam zwischen allen Stühlen.

Interessengruppen blockieren Reformen

Ivan Lovrinovic, Professor an der Wirtschaftsfakultät Zagreb, sieht zwar auch den Mangel an Fachleuten in der Regierung und überzogene Hoffnungen auf den EU-Beitritt als Wirtschaftslokomotive als verantwortlich für die Krise. Zugleich sei die Regierung aber mit Interessengruppen konfrontiert, die Änderungen verhindern würden. Vor allzu schmerzhaften Reformen wiederum scheue die Regierung wegen der Wahrung des sozialen Friedens zurück.

„Notwendig ist eine Reform der Geldpolitik, eine Reform der öffentlichen Verwaltung - mit dem Ziel, die Administration zu verkleinern. Auch eine Steuerreform ist notwendig“, so Lovrinovic. Eine Reform der öffentlichen Unternehmen, des Gesundheits- und Bildungssystems sowie der Landwirtschaft sei ebenso wichtig. Der Idee, durch die Verpachtung der kroatischen Autobahnen Geld hereinzubekommen, erteilt er - wie auch die Bevölkerung - eine Abfuhr: Die staatliche Autobahngesellschaft müsse lediglich restrukturiert werden.

Verheerendes EU-Urteil

Doch Kroatiens Wirtschaftsprobleme sind nicht nur durch die globale Wirtschafts- und Finanzmarktkrise bedingt. Sie sind auch struktureller Natur. So stellte etwa Servaas Doroose, in der EU-Kommission zuständig für Finanzfragen, bei einem Besuch in Zagreb fest, dass Kroatiens Probleme weder mit dem EU-Beitritt noch mit der Regierung zu tun haben. Kroatien müsse etwa seine Ausgaben und Einnahmen besser planen, da ständige Revisionen des Budgets keine Planbarkeit zuließen, sagte Doroose.

Brüssel könnte Geldhahn zudrehen

Kroatien befindet sich derzeit in einem Defizitverfahren der EU-Kommission und hat bis zum Frühjahr Zeit, ein Paket von im Herbst erteilten Empfehlungen umzusetzen. Das jüngste EU-Mitglied muss demnach das Budgetdefizit verringern, sodass es bis 2016 unter drei Prozent des BIP sinkt, sowie die öffentlichen Schulden reduzieren, damit diese in zwei Jahren weniger als 60 Prozent des BIP betragen. Vorerst wird das geplante Defizit 2015 laut Berechnungen des Finanzministeriums 3,8 Prozent des BIP ausmachen.

Kommt es zu keinen Verbesserungen, könnte der Hahn für EU-Gelder zugedreht werden. Das würde Kroatiens Wirtschaft, die bei der Nutzung der Fonds bisher geschwächelt hatte, zusätzlich zusetzen. Einen Erfolg aber verbuchte die Regierung mit den Projekten im Rahmen der Kohäsions- und Strukturpolitik, für die die Kommission Mittel von 6,8 Milliarden Euro zwischen 2014 und 2020 zusicherte. Da 2015 in Kroatien die Parlamentswahl stattfindet, rechnen Experten eher mit weiterem Stillstand als mit Reformen.

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