Erste Frau an Spitze des Landes
Als Außenseiterin ins Rennen gegangen, sorgt die ehemalige Außenministerin Kolinda Grabar-Kitarovic nun für eine politische Sensation in Kroatien: Sie wird als erste Frau an der Spitze des jüngsten EU-Mitglieds aufrücken und löst den amtierenden Präsidenten ab.
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Die 46-Jährige kam nach Auszählung von 99,98 Prozent der Stimmen auf 50,74 Prozent, wie die staatliche Wahlkommission in Zagreb mitteilte. Der amtierende Staatspräsident Ivo Josipovic, der für die Sozialdemokraten als großer Favorit ins Rennen gegangen war, kam auf enttäuschende 49,26 Prozent. Grabar-Kitarovic ist die Vertreterin der größten Oppositionspartei Kroatische Demokratische Union (HDZ), der jetzt auch beste Chancen für die noch in diesem Jahr fällige Parlamentswahl eingeräumt werden.
Höhere Wahlbeteiligung
Im ersten Wahlgang war der Sozialdemokrat noch knapp vor der konservativen Kandidatin gelegen. Die Wahlbeteiligung lag diesmal deutlich höher als bei der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen. Besonders groß war der Ansturm im benachbarten Bosnien-Herzegowina, wo die kroatische Minderheit ebenfalls wählen darf. Diese stimmt Wahlforschern zufolge traditionell für die HDZ.
Nachdem im ersten Durchgang kein Kandidat die absolute Mehrheit erhalten hatte, traten die beiden Bestplatzierten in der Stichwahl an. Das größere Wahlinteresse führten Meinungsforscher auf den erwarteten äußerst knappen Ausgang der letzten Abstimmung zurück: Der Unterschied in der ersten Runde betrug nur etwa 20.000 Stimmen. Josipovic erreichte 38,5 Prozent, Grabar-Kitarovic 37,2 Prozent.
Seit der ersten Runde am 28. Dezember haben die beiden Konkurrenten erbittert um jede einzelne Stimme gekämpft. Josipovic begrub in den vergangenen Tagen einen zweijährigen Streit mit dem Chef der Partei der serbischen Minderheit (SDSS), Milorad Pupovac. Gemeinsam besuchten die beiden eine von der SDSS organisierte Feier zum orthodoxen Weihnachtsfest. Die oppositionelle HDZ, der Grabar-Kitarovic angehört, organisierte unterdessen Autobusse für Wähler aus Bosnien-Herzegowina. Beide Kandidaten übertrumpften einander mit Werbeschaltungen in Internet, Fernsehen und Zeitungen.
Sinic verweigert Unterstützung
Die wohl größte Überraschung der ersten Runde war das Abschneiden des bis Anfang Dezember völlig unbekannten Kandidaten Ivan Sincic, der auf 16,42 Prozent der Stimmen kam. Auf eine Unterstützungserklärung seinerseits warteten die Kandidaten der Stichwahl allerdings vergeblich. Sincic forderte seine Wähler auf, bei der Stichwahl seinen Namen auf den Stimmzettel zu schreiben.
Die Konservativen konnten nun wohl von der Unzufriedenheit vieler Kroaten mit der wirtschaftlichen Lage profitieren. Das Land, das seit Juli 2013 EU-Mitglied ist, steckt seit sechs Jahren in der Rezession. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 19 Prozent. Der kroatische Präsident hat vor allem repräsentative Aufgaben. Experten gehen aber davon aus, dass ein Sieg den Konservativen auch bei der Parlamentswahl Ende des Jahres nutzen würde.
Gespanntes Warten auf Parlamentswahl
Es handelt sich um die „Verbitterten und Enttäuschten, die niemandem mehr glauben“, analysierte am letzten Wochenende die Zagreber Zeitung „Jutarnji list“: Hunderttausende der 3,8 Millionen Wahlberechtigten hätten sich „aus dem politischen Prozess zurückgezogen, weil sie fühlen, dass keine Partei und kein Politiker sie vertritt“.
Dieses demokratiepolitische Problem Kroatiens dürfte bei den nächsten Parlamentswahlen spätestens zum Jahresende aktuell werden. Denn dann will Sincic erstmals antreten und alle Unzufriedenen um sich sammeln. Die Wahlforscher sagen ihm dann einen noch größeren Erfolg voraus. Er würde damit die seit fast einem Vierteljahrhundert einbetonierte politische Landschaft des Adria-Staates aufbrechen.
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