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Kiew spricht von massivem Druckabfall

Der Absturz der Malaysia-Airlines-Maschine ist nach ukrainischen Angaben durch einen massiven Druckabfall nach einem Raketenbeschuss verursacht worden. Die Auswertung der Flugschreiber durch internationale Ermittler habe ergeben, dass das Flugzeug von mehreren Raketensplittern getroffen worden sei, teilte ein Sprecher des ukrainischen Rats für Sicherheit und Verteidigung am Montag in Kiew mit.

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„Der Grund für die Zerstörung und den Absturz des Flugzeuges war ein massiver explosionsartiger Druckabfall, der durch die Durchlöcherung infolge einer Raketenexplosion entstand.“ Das Niederländische Untersuchungsbüro für Sicherheit (OVV), das die internationalen Untersuchungen zum Absturz von Flug MH17 leitet, wollte die Angaben weder bestätigen noch dementieren. Das OVV werde sich erst äußern, wenn sich aufgrund der Ermittlungsergebnisse ein vollständiges Bild der Vorgänge abzeichne, sagte Sprecherin Sara Vernooij der Nachrichtenagentur AFP.

Einige Opfer vielleicht unauffindbar

Der niederländische Polizeichef bezweifelt, ob sämtliche Überreste und Habseligkeiten der Opfer der Unglücksmaschine in der Ostukraine jemals gefunden werden. Es gebe dafür „keine Garantie“, sagte Gerard Bouman während einer Anhörung im niederländischen Parlament. Er wisse auch nicht, wie viele Leichen genau bisher gefunden worden seien. Was in den Leichensäcken in der Ukraine zu sehen gewesen sei, kleine und große Leichenteile, sei „unbeschreiblich“ und „grauenvoll“, hieß es weiter.

Nach einem Aufruf der niederländischen Polizei sind dort 150 Fotos und Videos von Augenzeugen des Absturzortes eingegangen. Über Portale in vier verschiedenen Sprachen - Niederländisch, Englisch, Deutsch und Ukrainisch - seien die Aufnahmen bei der Polizei angekommen, sagte eine Sprecherin am Dienstag. Die Polizei hatte in der vergangenen Woche einen Internetaufruf an Augenzeugen im Absturzgebiet gestartet und um das Material gebeten. Was genau auf den Fotos und Videos zu sehen war, dazu äußerte sich die niederländische Polizei zunächst nicht.

Ermittler auch am Dienstag nicht am Absturzort

Die Ermittler aus den Niederlanden und Australien sind am Dienstag den dritten Tag in Folge mit dem Versuch gescheitert, zur Absturzstelle vorzudringen. Die Gruppe sei in der Stadt Donezk geblieben, weil an der Absturzstelle und auf dem Weg dorthin „zu viel“ gekämpft werde, teilte das niederländische Justizministerium am Dienstag mit.

Die ukrainische Armee versucht derzeit, prorussische Separatisten aus dem Gebiet zu vertreiben. Die australischen und niederländischen Experten sowie Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sollen die Absturzursache aufklären und Dutzende, noch immer vermisste Todesopfer finden helfen. Bisher hinderten die anhaltenden Gefechte die Ermittler an ihrer Arbeit. Eine im Gebiet um die Absturzstelle ausgerufene Feuerpause ist seit dem Absturz von Flug MH17 am 17. Juli nie Realität geworden.

Rutte fordert erneut Waffenpause

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte verlangte am Dienstag erneut eine sofortige Waffenruhe bei der Absturzstelle. Rutte forderte den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko mit Nachdruck auf, die Gefechte zu stoppen, um die humanitäre Arbeit zu ermöglichen, teilte ein Regierungssprecher am Dienstag in Den Haag mit. Kostbare Zeit gehe verloren, sagte Rutte nach den Worten des Sprechers. Der ukrainische Präsident soll zugesichert haben, alles für den sicheren Zugang der Experten zu tun.

Altersheim von Granate getroffen

Bei heftigen Gefechten zwischen der Armee und prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine sind nach Behördenangaben mindestens 19 Zivilisten ums Leben gekommen. In der Stadt Horliwka seien bei Kämpfen am Montagabend 14 Menschen, darunter fünf Kinder getötet worden, teilten die Behörden am Dienstag mit. In Lugansk seien fünf Menschen ums Leben gekommen, als ein Altersheim von einer Granate getroffen wurde.

Die ukrainische Armee konnte die Rebellen nach eigenen Angaben in ihre Hochburgen Donezk und Lugansk zurückdrängen. Zudem versuchen sie die Kämpfer an anderen Stellen zu umzingeln. Rebellenkommandeur Igor Strelkow sagte zu Journalisten in Donezk, der Feind bringe alles in die Schlacht, was er zur Verfügung habe, um die „Volksrepublik Donezk“ einzukreisen.

Weiter Militärgerät und Kämpfer aus Russland?

Ein Informant der Rebellen berichtete, neue militärische Ausrüstung und Kämpfer für sie seien von Russland aus über die Grenze in die Ukraine gekommen. Allerdings war es Reuters nicht möglich, dafür eine unabhängige Bestätigung zu erhalten. Rebellenführer erklären bisher öffentlich, dass sie nicht von Moskau unterstützt werden. Auch Russland bestreitet entsprechende Vorwürfe westlicher Staaten. Nach Angaben der Rebellen wurden in den Gefechten seit Anfang Mai 7.400 ukrainische Soldaten getötet oder verwundet. Die Regierung in Kiew spricht hingegen von weniger als 1.50

Russland: UNO soll Ermittlungen leiten

Russland forderte Ermittlungen der MH17-Tragödie unter der Ägide der Vereinten Nationen (UNO). Eine solche Untersuchung sollte möglichst schnell beginnen, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Eine UNO-Mission in dem von blutigen Kämpfen erschütterten Gebiet könne die nötige Sicherheit für Ermittlungen garantieren.

Russland sehe mit Besorgnis, dass einige Beteiligte versuchten, bilateral mit der Ukraine eine Untersuchung der Tragödie zu vereinbaren. Russlands Chefdiplomat warnte davor, dass Spuren verwischt werden könnten. Lawrow kritisierte zudem, dass eine vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko angeordnete Waffenruhe rund um die Absturzstelle von den Regierungstruppen nicht eingehalten werde.

UNO spricht in Bericht von „Kriegsverbrechen“

Die UNO veröffentlichte einen Bericht, aus dem hervorgeht, dass der mutmaßliche Abschuss des malaysischen Flugzeugs über der Ostukraine nach Einschätzung der UNO ein Kriegsverbrechen darstellen könnte. „Dieser Verstoß gegen internationales Recht könnte unter den derzeitigen Umständen einem Kriegsverbrechen gleichkommen“, so UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay. Es werde alles unternommen, um die Verantwortlichen für den Absturz der Passagiermaschine vor Gericht zu bringen.

Die Boeing 777 der Malaysia Airlines war am 17. Juli auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur mit 298 Menschen an Bord abgestürzt. Die Regierung in Kiew und westliche Staaten werfen den prorussischen Separatisten vor, Flug MH17 mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen zu haben. Russland gibt der Ukraine die Verantwortung für den Flugzeugabsturz.

„Herrschaft des Terrors“

Dem UNO-Bericht zufolge ist die Zahl der in den Auseinandersetzungen zwischen Armee und prorussischen Separatisten Getöteten in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen: „Stand 26. Juli wurden mindestens 1.129 Menschen getötet und 3.442 verletzt.“ In einem UNO-Bericht vom 18. Juni lag die Zahl der seit April Getöteten noch bei 356. Pillay verurteilte zudem den Einsatz „schwerer Waffen in Wohngebieten“ durch beide Konfliktparteien. Den Rebellen warf sie vor, in den von ihnen eroberten Gebieten eine „Herrschaft des Terrors“ errichtet zu haben. Zivilisten würden von den Rebellen entführt, gefoltert und ermordet.

Russland warnt USA

Russland warnte unterdessen die USA erneut mit Nachdruck vor möglichen Waffenlieferungen an die ukrainische Führung. Diese Maßnahme wäre laut Lawrow „Öl ins Feuer und würde eine kriegerische und kompromisslose Lösung des Konflikts vorantreiben“. Lawrow forderte Washington aus diesem Grund auf, „endlich“ Auskunft zu erteilen über angebliche US-Militärberater in Diensten der Führung in Kiew.

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