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Ruanda im Schatten des Genozids

Der Massenmord an Tutsi und gemäßigten Hutu in Ruanda gehört zu den blutigsten Kapiteln des 20. Jahrhunderts. In nur 100 Tagen wurden 1994 mindestens 800.000 Männer, Frauen und Kinder von radikalen Hutu-Milizen ermordet. Ein Rückblick:

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6. April 1994: Unbekannte schießen das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana ab. Er und der mitreisende Präsident von Burundi kommen ums Leben. Der Konflikt zwischen Tutsi-Rebellen und Hutu-Regierung eskaliert. Radikale Hutu rufen dazu auf, alle in Ruanda lebenden Tutsi zu ermorden.

7. April: Tutsi-Führer und gemäßigte Hutu-Politiker werden systematisch gejagt und getötet. Zehn belgische UNO-Blauhelme kommen ums Leben. Belgien zieht einige Tage später seine Soldaten ab.

19. April: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) spricht von 100.000 Toten in Ruanda. Der UNO-Sicherheitsrat beschließt zwei Tage später, nur etwa 270 von 2.500 Blauhelmen in Ruanda zu belassen.

30. April: In einer UNO-Resolution wird das Töten in Ruanda verurteilt, der Begriff Völkermord jedoch vermieden. Die Zahl der Toten wird inzwischen auf 200.0000 geschätzt. Hunderttausende Menschen sind ins benachbarte Tansania geflohen.

17. Mai: Der UNO-Sicherheitsrat beschließt, das Blauhelm-Kontingent auf 5.500 Soldaten aufzustocken. Rund 500.000 Menschen sollen seit Ausbruch der Unruhen massakriert worden sein.

22. Juni: Der UNO-Sicherheitsrat gibt grünes Licht für eine begrenzte Intervention französischer Truppen in Ruanda.

4. Juli: Rebellen der Patriotischen Front (FPR/RPF) erobern die Hauptstadt Kigali. Sie rücken weiter im Land vor. Eine neue Massenflucht Richtung Zaire (heute Kongo) setzt ein. Pasteur Bizimungu, ein Hutu, wird Präsident, der Tutsi Paul Kagame Vizepräsident und eigentlicher „starker Mann“.

18. Juli: Die FPR erklärt den Bürgerkrieg für beendet. Einen Tag später wird eine Regierung unter der Führung der Rebellen vereidigt.

November 1995: Der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) nimmt seine Tätigkeit auf und erhebt gegen hochrangige Planer und Organisatoren des Völkermords Anklage.

1997/98: Gemeinsam mit Uganda interveniert Ruanda militärisch zugunsten von Rebellen im Osten der Demokratischen Republik Kongo (im Juli 2002 unterzeichnet Ruanda ein Friedensabkommen mit der Regierung des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila).

2000: Bizimungu wird zum Rücktritt gezwungen und später als Gründer einer Oppositionsgruppe inhaftiert. FPR-Chef Kagame übernimmt das Präsidentenamt.

2003: Kagame wird bei Präsidentenwahl mit 95 Prozent der Stimmen bestätigt.

2005: Landesweit finden Völkermordprozesse in eigens eingerichteten „Gacaca“ - Dorfgerichten - statt.

2006: Frankreich erwirkt internationalen Haftbefehl gegen enge Vertraute Kagames. Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Die ruandesische Regierung wirft Frankreich vor, von den Vorbereitungen zu dem Völkermord gewusst und diese sogar unterstützt zu haben.

2009: Beitritt Ruandas zum Commonwealth of Nations.

2010: Kagame wird erneut im Amt bestätigt. Die Opposition bezeichnet die Präsidentschaftswahl allerdings als „nicht frei“. In einem Bericht des UNHCHR wird Ruanda vorgeworfen, schwere Menschenrechtsverletzungen im Kongo begangen zu haben bzw. an diesen beteiligt gewesen zu sein.

2012: Ein Bericht des französischen Untersuchungsrichters Marc Trevidic kommt zu dem Ergebnis, dass das Flugzeug von Präsident Habyarimana 1994 durch eine Hutu-Rakete getroffen worden sei.

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