Vorhaben, Stolpersteine, Erfolge
100 Tage ist das neue Regierungsteam, das am 16. Dezember 2013 angelobt wurde, bald im Amt. Ein Rückblick auf die Leistungen der alten und neuen Minister:
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Werner Faymann (SPÖ): Zum Start seiner zweiten Dienstzeit als Bundeskanzler wurde er von der Öffentlichkeit nicht gerade mit Applaus bedacht. Die Kommentatoren hießen ihn wenig freundlich einen Verwalter ohne Visionen und das Regierungsprogramm mutlos. Dass er gemeinsam mit seinem Vize Michael Spindelegger einen „neuen Stil“ versprach, half wenig. In der Causa Hypo wurde Faymann vorgeworfen, zu lange zu schweigen. Dabei wolle er doch vor allem eines, versichert er wo immer möglich: den Menschen das Vertrauen in die Politik zurückzugeben. Zumindest in der veröffentlichen Meinung scheint ihm das noch nicht gänzlich gelungen. Nachgerade beleidigt reagierten die Medien auf die Entscheidung der Regierungsspitze, ab und zu dem Pressefoyer nach dem Ministerrat fernzubleiben.
Michael Spindelegger (ÖVP): Als Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef wurde ihm seit der Regierungsangelobung nicht langweilig. Er musste das Hypo-Joch schultern, das seit der Notverstaatlichung 2009 sicher nicht leichter geworden ist. Nach langem Ringen präsentierte der Neo-Finanzminister Mitte März eine Abbaulösung für die Hypo Alpe-Adria. Die Kosten dafür machen ihm wiederum die Budgeterstellung nicht einfacher. Rasch brachte Spindelegger diverse Steuererhöhungen durch, nicht ohne allerdings dem Wirtschaftsbund ein wenig nachgeben zu müssen. Nicht die einzige Turbulenz in der Volkspartei, Spindelegger muss auch mit der „Westachse“ und unzufriedenen Steirern zurechtkommen und immer wieder Gerüchte über eine interne Obmanndebatte zurückweisen.
Wolfgang Brandstetter: Eine Überraschungsbesetzung der Volkspartei: Der renommierte Strafrechtler und -verteidiger legt veritablen Tatendrang an den Tag. Kritik wegen früherer Tätigkeiten, etwa als Anwalt Rachat Alijews, perlte an ihm ab, doch er nahm sie mit zum Anlass, gleich zu Amtsantritt die justizpolitisch heiße Kartoffel Weisungsrecht anzupacken: Er setzte einen Weisenrat ein, der dem Minister bei Befangenheit beistehen soll, und installierte eine Expertengruppe, die über eine Reform des Weisungsrechts nachdenkt.
Doris Bures (SPÖ): Die routinierte Infrastrukturministerin ist seit dieser Regierung auch ganz offiziell für den Weltraum zuständig, hat aber weiterhin unter der Erde alle Hände voll zu tun, etwa mit der Baubewilligung für den Semmering-Basistunnel. Mit Deutschland muss sie einen Mautstreit führen, innenpolitisch wird sie mit anonymen Dienstwagenanzeigen geärgert.
Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Sie wollte das Bildungsressort und ein neues Lehrerdienstrecht, sie hat beides bekommen. Aber viel Freude hatte sie mit dem neuen Amt bisher wohl nicht, denn es bescherte ihr einen Schülerdatenskandal. Dass sie als Reaktion einen Stopp internationaler Bildungsvergleichstests anordnete, hat ihr auch kaum Freunde eingebracht. Als Frauenministerin verfolgt sie weiter Ziele wie mehr Frauen in Führungsetagen und einen Papa-Monat in der Privatwirtschaft.
Rudolf Hundstorfer (SPÖ): Der Sozialminister hat weiter mit steigenden Arbeitslosenzahlen zu kämpfen. Das Regierungsprogramm arbeitet er recht flott ab: Ein Arbeitsmarktpaket mit kleiner Lohnnebenkostensenkung wurde bereits in die Wege geleitet. Ein Entwurf für das Pensionsmonitoring ist in der Pipeline, ebenso jener für die Kürzung von Sonderpensionen im öffentlichen Bereich.
Sophie Karmasin: Die größte Überraschung im ÖVP-Regierungsteam präsentiert sich und ihr Ressort mit Herzblut, hat aber de facto kaum Spielraum. Wer in ihr eine gesellschaftsliberale Kampfansage der Volkspartei an das erfolgreiche NEOS sah, wurde wohl bisher enttäuscht. Mittlerweile konnte sie eine Erhöhung der Familienbeihilfe in Begutachtung schicken, von den Regierungsplänen des Vorjahres, die Familienförderung strukturell auf neue Beine zu stellen, ist derzeit dagegen keine Rede mehr.
Gerald Klug (SPÖ): Der Verteidigungsminister macht weiter glaubwürdig gute Stimmung für das Bundesheer. Doch dort war die Stimmung schon einmal besser, denn die Landesverteidigung muss weiter stark sparen. Dementsprechend bescheiden muss Klug bei der Umsetzung seiner Vorhaben agieren, etwa was die Attraktivierung des Grundwehrdiensts betrifft. Als Sportminister konnte Klug in Sotschi über zahlreiche olympische Wintermedaillen jubeln und musste sich über einen Dopingfall ärgern.
Sebastian Kurz (ÖVP): Seine Bestellung als jüngster Außenminister sorgte international für Aufsehen. Von seiner Entourage stets gut vorbereitet, bewegte er sich fortan offenherzig auf dem internationalen Parkett. Insbesondere in den Staaten des zum Schwerpunkt erklärten Westbalkan und in Österreichs Nachbarländern erweckte Kurz durch intensive Besuchsdiplomatie bald den Eindruck einer wieder aktiveren österreichischen Außenpolitik. NGOs freuten sich, dass trotz Spardrucks die Mittel für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (EZA) nicht gekürzt wurden.
Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Die Innenministerin hat ihr Haus weiter im Griff und ist gerade dabei, die Schließung von mehr als 130 Polizeidienststellen österreichweit durchzubringen. Wer weiß, wie reibungslos sie in ihrer ersten Funktionsperiode ihre Polizeireform umgesetzt hat, traut ihr trotz Empörung in Gemeinden zu, das ohne gröbere Konflikte über die Bühne zu bringen. Das Schubhaftzentrum Vordernberg wurde im Jänner eröffnet, dass dort ein privater Sicherheitsdienst tätig ist, stößt weiterhin auf Kritik. Außerdem hat sie mittlerweile neue Kriterien für Promieinbürgerungen vorgelegt.
Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Der neue Wissenschaftsminister musste sich anfangs vor allem dafür rechtfertigen, dass es keinen eigenen Wissenschaftsminister mehr gibt. Die Linzer Medizinfakultät hat der Oberösterreicher bereits auf den Weg gebracht. Für die Budgetverhandlungen hat er schon vollmundig zusätzliche 1,6 Mrd. Euro bis 2018 gefordert und sich damit die Zustimmung seiner früheren Kritiker gesichert. Als Wirtschaftsminister muss er bei den EU-Klimazielen Wirtschaftsinteressen verteidigen, im EU-US-Freihandelsabkommen kämpft er für Investitionsschutzklauseln und grundsätzlich für niedrige Energiepreise für die Industrie.
Josef Ostermayer (SPÖ): Faymanns rechte Hand stieg in der neuen Regierung zum Kanzleramtsminister mit breiter Verantwortungspalette auf. Als neuer Ressortchef für den öffentlichen Dienst schaffte er Mitte Jänner einen Gehaltsabschluss mit den Beamten. Den frischgebackenen Kulturminister beschäftigt die Causa Burgtheater: Als er nach nur wenigen Tagen im Amt die historische Entlassung eines Burg-Chefs aussprach, war das für ihn ein „extrem unerfreulicher Moment“. Für den Demokratie- und Medienminister gibt es auch ein wenig zu tun, so kündigte Ostermayer einen neuen Anlauf für eine Lockerung des Amtsgeheimnisses an und verhandelte eine - kleine - Gremienreform des ORF.
Andrä Rupprechter (ÖVP): Noch ein unerwarteter Neuzugang in die Regierung: Begrüßt wurde er nicht nur in Tirol mit Vorschusslorbeeren, kann er doch sowohl auf Erfahrung im Agrarressort als auch auf geballtes EU-Know-how verweisen. Die politische Landschaft bereichert der neue Minister auch durch unorthodoxe Sprüche: Seine Anrufung des Heiligen Herzen Jesu bei der Angelobung wies den Weg. Fachlich versucht er Handschlagqualität und Lösungskompetenz zu beweisen, ob nun in Sachen Almen oder EU-Agrarförderungen. Mit den Bienen - die seinem Vorgänger schwere Zeiten bescherten - will er sich mittels Forschungsprojekt arrangieren. In Ungarn streitet er über den Bodenbesitz österreichischer Großbauern.
Alois Stöger (SPÖ): Er wollte beharrlich wieder in die Regierung und setzt nun nicht minder beharrlich weiter seine Gesundheitsreform um. Die von ihm im Wahlkampf versprochene Gratiszahnspange darf er dank eines Tauschgeschäfts mit der ÖVP rund um das Steuerpaket für 2015 ankündigen. Er muss aber zugleich den Strukturfonds für die Krankenkassen abdrehen. Den Elektronischen Gesundheitsakt (ELGA) inklusive E-Medikationen gilt es gegen dauernden Gegenwind der Ärzteschaft durchzuziehen. Nebenbei arbeitet Stöger an einer neuen Ärzteausbildung.
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