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„Wusste nicht, worum es geht“

„Onlineglücksspiel und Responsible Gaming“ - so lautet jenes neunseitige Dokument der BZÖ-nahen Werbeagentur Orange, das auch am Mittwoch in der Causa Glücksspiel weiter für Verwunderung gesorgt hat. Grund dafür war, dass selbst die Unterzeichner der Rechnung die Frage nicht klären konnten, warum ihnen die „Studie“ 300.000 Euro wert gewesen sei.

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Der ehemalige Vorstand der Casinos Austria, Leo Wallner, gab vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Korruptionsvorwürfen im staatlichen und staatsnahen Bereich etwa zu Protokoll, dass es nicht seine Aufgabe gewesen sei, alles zu lesen und zu sehen. Auch wer das Gutachten in Auftrag gegeben hat, wisse er nicht mehr.

Nur kurze Wallner-Befragung

Die Befragung von Casinos-Austria-Vorstand Leo Wallner ist am Mittwoch nach nur einer Runde abgebrochen worden. Als Grund wurden gesundheitliche Gründe genannt. Zudem habe man bereits genügend Informationen, so Ausschussvorsitzende Gabriela Moser (Grüne).

„Nicht weiter damit auseinandergesetzt“

Die Frage, ob er einer der Unterzeichner der Rechnung war, wurde von Wallner bestätigt. Dass er dazu auch den Vorstand der zu den Casinos Austria gehörenden Lotterien, Friedrich Stickler, gedrängt habe, wollte Wallner allerdings nicht bestätigen.

Stickler, der zuvor als Zeuge geladen war, sagte, dass er die Rechnung Ende September erst nach Drängen des BZÖ und auf Bitte Wallners mitunterzeichnet habe: „Ich wusste aber nicht, worum es geht.“ Er habe die Rechnung abgezeichnet, weil Wallner gesagt habe, es sei in Ordnung. Da es nicht sein Geschäftsbereich gewesen sei, habe er sich dann nicht weiter mit der Materie auseinandergesetzt.

„Ist das dein Ernst?“

Die Diskussion über die „Studie“ sei erst später gekommen. Zur Erinnerung: Ein Sachverständiger der Staatsanwaltschaft Salzburg kam zum Schluss, dass das umstrittene Schriftstück „nicht als Gutachten zu bezeichnen“ sei. Auch „bei großzügigster Auslegung der 2006 gängigen Honorarberechnungen“ sei zudem die Verrechnung von 300.000 Euro für ein neunseitiges Schriftstück „mindestens zwanzigfach überzogen und nicht gerechtfertigt“.

Vorstand der Österreichischen Lotterien Friedrich Stickler, Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann und U-Ausschuss-Vorsitzende Gabriela Moser

APA/Herbert Pfarrhofer

Der Vorstand der Österreichischen Lotterien Stickler (l.) mit seinem Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann

Auch Stickler stellte am Mittwoch nach Vorlage des Gutachtens nun fest, dass man wohl viel guten Willen gebraucht habe, dafür 300.000 Euro zu bezahlen. Hätte er das bereits zum Zeitpunkt der Rechnungsunterzeichnung gewusst, hätte er Wallner gefragt: „Ist das dein Ernst?“ Für Überraschung sorgte Stickler dann aber mit der Aussage, dass es offenbar keine Bestrebungen gibt, das zu viel bezahlte Geld nun wieder zurückzubekommen.

Stickler: „Existenzbedrohend“

Auch sieht Stickler „keinen erkennbaren Zusammenhang“ mit den von den Lotterien an Orange bezahlten Geldern mit der dann doch nicht zustande gekommenen Änderung des Glücksspielgesetzes, was einer Aufweichung des Casinos-Austria-Monopols gleichgekommen wäre.

Aus Sticklers Sicht konnte diese für die Casinos Austria „existenzbedrohende“ Situation unter anderem mit Anrufen bei ÖVP-Abgeordneten, dem Wirtschaftsbund-Generalsekretär, Sportvertretern und der Wirtschaftskammer noch verhindert werden. Wäre die Änderung des Glücksspielgesetzes auf diesem Wege passiert, wäre das ein „gesetzlicher Umsturz“, ein „Staatsstreich“, gewesen, so Stickler weiter.

Auch Novomatic-Chef vor Ausschuss

Nicht teilen dürfte diese Meinung der Chef des niederösterreichischen Automatenkonzerns Novomatic, Franz Wohlfahrt, der am Mittwoch seine Ladung dafür nutzte, dem U-Ausschuss wortreich die Vorgangsweise seines Unternehmens bei der angestrebten Aufweichung des Glücksspielmonopols zu verteidigen. Nicht erinnern konnte sich Wohlfahrt an die BZÖ-„Studie“: Wäre dieser aber in seinem Haus erstellt worden, „dann hätte ich eine Rechnung und auch die Studie gesehen“.

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