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Barroso warnt vor Renationalisierung

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso hat angesichts der Schuldenkrise in der Euro-Zone zu einer grundlegenden Erneuerung Europas aufgerufen. Ziel müsse es sein, eine Union der Stabilität und Verantwortung, des Wachstums und der Solidarität zu schaffen, sagte Barroso am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg.

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Die dringend notwendige stärkere Integration der Währungsunion dürfe nicht über die EU-Institutionen hinweggehen. Barroso forderte zudem, den Euro-Rettungsfonds EFSF so effizient wie möglich einzusetzen. Der permanente Nachfolgemechanismus ESM müsse früher als bisher geplant in Kraft treten.

„Das ist ein Marathon“

Allen Spekulationen über einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion hielt Barroso unter großem Applaus entgegen: „Griechenland ist und bleibt ein Mitglied der Euro-Zone.“ Das Land müsse seine Zusagen erfüllen und kontraproduktive Praktiken beenden. „Aber das ist kein Sprint, das ist ein Marathon“, ergänzte Barroso.

Um das Wachstum zu stützen, treibt die EU derzeit über eine Task-Force gemeinsam mit den griechischen Behörden die Auszahlung der noch ungenutzten 15 Milliarden Euro aus EU-Strukturfonds voran. Barroso zufolge sollen auch die Banken in Griechenland mit Geldern aus den Fonds über einen Garantiemechanismus gestützt werden, so dass sie die Wirtschaft wieder mit Krediten versorgen können.

Gegen Schwächung der Kommission

In seiner „Rede zur Lage der Union“ rief Barroso die Euro-Länder erneut dazu auf, bei ihrer engeren Integration keinen Weg ohne eine starke Rolle der EU-Kommission zu beschreiten. „Die Kommission ist die Wirtschaftsregierung der Union, wir brauchen sicher nicht noch mehr Institutionen dazu.“ Die Währungsunion müsse eine wahre Wirtschaftsunion werden. „Es war eine Illusion zu glauben, dass wir eine gemeinsame Währung und einen Binnenmarkt haben können mit nationalem Herangehen an die Wirtschafts- und Haushaltspolitik.“ Deshalb sei eine rein zwischenstaatliche Lösung der falsche Ansatz.

Deutschland und Frankreich forderten nach der jüngsten Verschärfung der Euro-Krise eine Wirtschaftsregierung für die Euro-Zone. Kommission und Europäisches Parlament befürchten, dass sie eine neue Struktur allein der Euro-Staaten aufbauen.

Plan für stärkere Integration

Die Kommission werde einen Plan zu einer stärkeren Integration der Euro-Zone im Rahmen des bestehenden EU-Vertrages vorlegen, kündigte Barroso an. Doch wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält er eine Vertragsänderung für notwendig. So ist Barroso dafür, das Einstimmigkeitsprinzip der Mitgliedsstaaten - wie es etwa in der Steuerpolitik gilt - aufzugeben. Es könne nicht länger der langsamste Staat das Tempo diktieren.

An diesem Prinzip dürfte der von der Kommission am Mittwoch verabschiedete Gesetzesentwurf zu einer Finanztransaktionssteuer für die gesamte EU scheitern. Denn die Nicht-Euro-Staaten Großbritannien und Schweden lehnen diese ab.

Beifall für Kritik an Alleingängen

Barrosos Kritik am drohenden Alleingang der Euro-Länder fand im Parlament viel Beifall. Sozialdemokraten und Grüne, die den Kommissionspräsidenten in Debatten sonst gerne heftig angehen, begrüßten, dass er die Gemeinschaftsmethode verteidigen wolle. Es drohe eine Patchwork-Demokratie, bei der die Länder nicht mehr in Gemeinschaftsgeist entschieden und die innenpolitische Taktik kleiner Regierungsparteien wichtiger sei als die Stabilität des Weltwährungssystems, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Martin Schulz. „Wir haben es mit einem Rückfall in die Hauptstadtdiplomatie zu tun, die Europa an den Rand des Zusammenbruchs führt.“

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