0,1 Prozent bei Aktien
Im Kampf gegen die Schuldenkrise schlägt die EU-Kommission die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer (FTT) vor. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso kündigte am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg an, die Steuer solle jährlich 55 Mrd. Euro an Einnahmen bringen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Offiziell will EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta den Vorschlag um 13.30 Uhr in Straßburg präsentieren. Details sickerten nach Beratungen der EU-Kommission am Dienstag zu diesem Thema aber bereits durch. Demnach liegt der geplante Steuersatz bei 0,01 Prozent für Derivate und 0,1 Prozent für Aktien und Anleihen, hieß es in Kommissionskreisen.
Nach dem Willen der Kommission soll die Finanztransaktionssteuer dem EU-Haushalt zugutekommen. Das wird allerdings von zahlreichen EU-Regierungen - darunter der deutschen - strikt abgelehnt. Deutschland und Frankreich sind allerdings ebenso wie andere Staaten für die Steuer. Großbritannien gehört hingegen zu den besonders entschiedenen Gegnern der Steuer - und wird die Steuer wegen des erforderlichen Einstimmigkeitsprinzips wohl weiter verhindern. Österreich fordert die Finanztransaktionssteuer bereits seit längerem, ebenso das Europaparlament.
„Gegenleistung für Gesellschaft“
Barroso sagte, in den vergangenen drei Jahren hätten die EU-Staaten dem Finanzsektor Darlehen und Hilfen von 4,6 Billionen Euro gewährt. „Jetzt ist es an der Zeit, dass der Finanzsektor auch eine entsprechende Gegenleistung für die Gesellschaft erbringt.“ Eine Finanztransaktionssteuer würde 55 Mrd. Euro Einnahmen jährlich bringen - Video dazu in iptv.ORF.at.

Reuters/Pawel Kopczynski
Die Finanzbranche warnt seit Jahren vor Nachteilen für Europa
„Mit diesem Vorschlag wird die Europäische Union zum Vorreiter in der weltweiten Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer“, sagte Semeta. „Unser Vorschlag ist vernünftig und durchführbar. Ich habe keinen Zweifel daran, dass diese Steuer leisten kann, was die EU-Bürger erwarten: einen fairen Beitrag des Finanzsektors. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Partner in der G-20 mit Interesse diesen Weg verfolgen werden.“ Noch im Frühjahr hatte Semeta vor einem europäischen Alleingang bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer gewarnt.
Nach dem vorliegenden Vorschlag solle die FTT mit einer breiten Bemessungsgrundlage in der gesamten EU eingeführt werden, erklärten die Grünen unter Berufung auf den Entwurf der Kommission. Um Verlagerungen von Geschäften einzuschränken, wolle die Kommission die Steuer nicht am Ausführungsort, sondern am Sitz des Auftraggebers erheben. Damit wären auch Transaktionen steuerpflichtig, die außerhalb der EU durchgeführt werden. Bisherige Entwürfe der Kommission hatten eine Einführung der Steuer mit 1. Jänner 2014 vorgesehen.
Breite Zustimmung in Österreich
In Österreich stößt die Ankündigung einer Finanztransaktionssteuer durch die EU-Kommission erwartungsgemäß auf breite Zustimmung. Kein Wunder: In Österreich wird eine solche Steuer politisch schon lange gefordert. Interessant ist allerdings, welche Vorstellungen die Regierungsparteien von der Verwendung der eingenommenen Steuermilliarden haben - mehr dazu in oe1.ORF.at.
ATTAC: „Glatte Niederlage für Finanzlobby“
Die globalisierungskritischer NGO ATTAC sprach davon, dass sich damit das „jahrelange Bohren dieses dicken Bretts endlich gelohnt“ habe. Das sei eine „glatte Niederlage“ für die Finanzlobby, so ATTAC-Österreich-Sprecher David Walch. Er kritisierte zugleich, dass die Devisengeschäfte laut EU-Plan völlig ausgenommen werden sollen. Das berge die Gefahr, dass sich die „Spekulation nun auf die Währungsspekulation am Spotmarkt verschiebt“.
Die Industriellenvereinigung (IV) lehnte die FTT dagegen erneut ab. Sie befürchtet, dass diese einen Engpass bei der Finanzierung von Industrie und Wirtschaft auslösen könnte. Ganz ähnlich argumentiert auch IHS-Chef Bernhard Felderer - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Links: