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Mehr Wettbewerb für „Big Four“

Die EU-Kommission stellt laut einem Zeitungsbericht das aktuelle Geschäftsmodell der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften infrage. Ein Gesetzesentwurf von Binnenmarktkommissar Michel Barnier sehe vor, dass die Wirtschaftsprüfer nicht mehr als Berater tätig sein dürfen, berichtete die „Financial Times“ („FT“, Dienstag-Ausgabe), die das entsprechende Papier gesichtet hat.

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Das klassische Geschäft mit der Bilanzprüfung stagniert seit Jahren, wogegen Beratungsleistungen vermehrt gefragt sind und auch höhere Gewinne abwerfen. Von der Trennung der Aufgaben erhoffe sich die EU-Kommission eine größere Unabhängigkeit der Prüfer, heißt es in dem Bericht.

Die vier führenden Unternehmen der Branche, PricewaterhouseCoopers (PwC), KPMG, Ernst & Young und Deloitte, sollen zudem mehr Wettbewerb bekommen. Die Buchprüfung von Konzernen mit mehr als einer Milliarde Euro Umsatz soll künftig von zwei Unternehmen vorgenommen werden, eines davon dürfe nicht zum Kreis der großen vier gehören, so die „FT“. Die „Big Four“ vereinigen derzeit 90 Prozent des gesamten Marktes auf sich, was nach Ansicht der Kommission „systemische Risiken“ berge.

Krise hat „Schwächen zum Vorschein gebracht“

„Wirtschaftsprüfer spielen eine wesentliche Rolle auf dem Finanzmarkt“, so Barnier gegenüber der „FT“. Die Krise habe die Schwächen der derzeitigen Praxis zum Vorschein gebracht, weil die Prüfungsunternehmen nicht rechtzeitig vor den in den Bankbilanzen schlummernden Risiken gewarnt hätten. Seine Vorschläge hätten das Ziel, „belastbare und komplett unabhängige Wirtschaftsprüfung im größeren Kontext eines besser funktionierenden Binnenmarkts für Prüfdienstleistungen sicherzustellen“.

Der Entwurf, der im November vorgestellt werden soll, sieht vor, dass Konzerne spätestens nach neun Jahren den Wirtschaftsprüfer wechseln müssen. Auch durch diese „verpflichtende Rotation“ will Barnier den Wettbewerb erhöhen. Die Vorschläge des Binnenmarktkommissars dürften wegen ihrer Radikalität der Zeitung zufolge aber nicht einfach durchzusetzen sein.

Wirtschaftsprüfer fürchten um Geschäft

Ein Deloitte-Sprecher kritisierte den Gesetzesentwurf gegenüber der „FT“ und merkte an, dass sich die Maßnahmen negativ auf die Qualität der Wirtschaftsprüfung auswirken würden. John Griffith-Jones, Seniorpartner der britischen KPMG, betonte, er habe die Hoffnung, dass die Politik die Expertise der großen Prüfungsunternehmen in ihrer Entscheidung berücksichtige. Wenn man die Erfahrung und die Sachkenntnis der Firmen richtig einschätzen würde, würde man auch in der aktuellen Diskussion die Position der großen Prüfer berücksichtigen.

Branche fürchtet Überregulierung

Kritik kam aber nicht nur von den „Big Four“. Die gesamte Branche befürchtet eine Überregulierung und läuft gegen die Barnier-Vorschläge Sturm. Auf dem Finanzplatz London wird bereits vor einer Übernahme der Marktführer etwa durch die aufstrebende Konkurrenz aus China gewarnt. Das deutsche Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) bezeichnete Barniers Pläne als „Irrweg ohne Beispiel“.

„Es geht dem Kommissar augenscheinlich nicht mehr darum, die Abschlussprüfung auf der Grundlage der Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise qualitativ weiterzuentwickeln, sondern den Prüfungsmarkt nach seinen Vorstellungen und auf Kosten der prüfungspflichtigen Unternehmen umzugestalten“, kritisierte IDW-Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann.

Laut deutschem „Handelsblatt“ kritisierte auch der deutsche Finanzexperte Bert van Roosebeke in einer Analyse für die Denkfabrik Centrum für Europäische Politik (CEPS), dass ein Eingriff nicht gerechtfertigt sei, „solange keine Markteintrittshürden bestehen oder das Wettbewerbsrecht verletzt wird“. Hinweise darauf gebe es keine, so Roosebeke.

Auch mittelständische Prüfer üben Kritik

Auch die mittelständischen Unternehmen - denen die neuen Regeln laut Barnier eigentlich zugutekommen sollen - seien mit den geplanten Änderungen nicht einverstanden, berichtete das „Handelsblatt“. „Die Diskussion geht jetzt erst richtig los“, sagte Jens Poll von der Prüfungsgesellschaft Moore Stephens der Zeitung.

Gemeinsam mit den Firmen Grant Thornton, Baker Tilly, Crowe Horwath, PKF, Nexia und Mazars will Moore Stephens vor allem verhindern, dass durch die Reformen Brüssels der Wettbewerb in der Branche gänzlich verloren geht. Den Vorschlag von Barnier, eine Rotation zu erzwingen, lehnen sie ab. Dadurch könne sich die Marktkonzentration möglicherweise noch weiter erhöhen, weil die Mandate ohnehin nur unter den „Big Four“ getauscht würden, befürchten die Unternehmen.

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