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Extreme Bedingungen für Förderung

Mit der Kooperation mit Rosneft hat sich der US-Energieriese ExxonMobil vor wenigen Tagen Zugang zu einigen der letzten unerschlossenen Regionen der Welt gesichert. Das Abkommen hat ein Volumen von 3,2 Mrd. Dollar und sieht die Erschließung von Vorkommen in der Karasee - einem Teil der Arktis - vor. Ein Projekt, das Umweltexperten ein großer Dorn im Auge ist. Sie befürchten massive ökologische Auswirkungen.

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Das Vorhaben könnte zu einem „unkontrollierbaren ökologischen Desaster“ führen, warnt der renommierte Polarwissenschaftler Peter Wadhams gegenüber der britischen Tageszeitung „The Independent“. Denn das Öl in der Arktis sei nicht nur durch die extremen Bedingungen, die dort vorherrschen, extrem schwierig zu fördern, sondern würde auch im Falle eines Lecks vom Eis an der Oberfläche absorbiert werden.

Im Eis eingeschlossen und abgetrieben

So könnte es um bis zu 1.600 Kilometer quer über den Ozean hinweg abtreiben und würde womöglich erst im darauffolgenden Frühling, wenn das Eis schmilzt, wieder freigegeben werden. Es könne dadurch ein sehr großer Bereich verschmutzt werden.

„Das Öl ist unter dem Eis gefangen, deshalb kann man es nicht sofort entfernen oder abbrennen. Man weiß nicht genau, wo es ist, und dann wird es ummantelt von neuem Eis, das darunter entsteht, so dass man eine Art Ölsandwich innerhalb dieses Packeises hat“, sagt Wadhams. Hinzu komme, dass das Öl, das dann austritt „sehr giftig“ sei, da es durch die Einkapselung konserviert werde. Das „frische“ Öl werde direkt dort freigegeben, wo das Eis schmilzt. Das sei üblicherweise am Rande des Packeises, wo es viele Wandervögel gibt.

Wadhams erforschte dieses Zusammenspiel in groß angelegten Experimenten bereits vor 30 Jahren. Das jetzige Förderabkommen zwischen den beiden Energieriesen könnte zur riskantesten Art von Ölförderung überhaupt führen, warnt der ehemalige Direktor des Scott Polar Research Institutes in Cambridge nun. „Wenn es zu einem ernsthaften Ölunfall unter dem arktischen Eis kommt, wird es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, eine ökologische Katastrophe zu verhindern“, so Wadhams.

Deepwater-Horizon-Säuberung dagegen „einfach“

Auch Greenpeace-Experte Ben Ayliffe warnt vor einem möglichen Bohrunfall in der Arktis mit unvorhersehbaren Folgen: Gegen einen Bohrunfall in der Arktis würde die Schadensbegleichung nach der Explosion der Deepwater Horizon „nahezu einfach“ aussehen, sagte er gegenüber dem „Independent“. Es gäbe zahlreiche Probleme: Das Durchdringen des teils dicken Eises, die Distanzen zur Arktis, Dunkelheit, extreme Wetterkonditionen, tiefes Wasser, offene See, eiskalte Bedingungen und Eisberge. „Im Grunde heißt das, dass eine Reaktion, wie sie es auf den Golf-von-Mexiko-Unfall gegeben hat, irgendwo in Grönland unmöglich ist“, so Ayliffe.

Mehrere Ölfirmen bemühen sich deshalb zu betonen, dass sie Bohrungen nur im Sommer durchführen wollen - in Gebieten, die dann eisfrei sind. Die Befürchtungen sind jedoch groß, dass die Unternehmen, sobald die Förderungen tatsächlich begonnen haben, diese auf das ganze Jahr ausdehnen. Shell etwa schließt das nicht aus: „Wir würden das ganze Jahr über produzieren müssen, um die ganze Sache rentabel zu machen“, sagte ein Sprecher kürzlich.

Ölrausch im hohen Norden

Die Ölkonzerne sehen den hohen Norden als Chance, anderswo schwindende Ölreserven zu kompensieren. Schätzungen zufolge birgt das Gebiet des nördlichen Polarkreises bis zu 160 Milliarden Barrel Öl - das wäre mehr als ein Viertel der weltweit unentdeckten Reserven. Große Teile davon liegen unter Eisschichten, die das ganze Jahr über nicht schmelzen. Doch die Bedenken von Umweltexperten sind groß.

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