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Wachstum entscheidend

Angesichts der täglich neuen Entwicklungen und der Millionen Details gerät beinahe aus dem Blick, dass rund drei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise die wichtigsten Wirtschaftsblöcke - die USA und Europa - in schweren Turbulenzen stecken. Dazu kommt noch Japan, dem Tsunami und AKW-Katastrophe ebenfalls eine enorme, langfristig wirkende Finanzlast aufbürdeten.

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Der frühere Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), Simon Johnson, hat nun in einem Blogeintrag für die „New York Times“ versucht, die Situation der beiden Kontinente zu vergleichen. Sein Resümee: Europa, das sich mit den Beschlüssen des EU-Gipfels zunächst Zeit erkauft hat, steht derzeit wohl schlechter als die USA da. Letzteren droht allerdings ab 2021 eine dramatische Kostenlawine.

„Rücksichtslose Politik“

So wie zahlreiche andere Experten verweist auch Johnson auf das Grundproblem der Euro-Zone: das Fehlen einer gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Das habe Regierungen dazu verleitet, „rücksichtslos“ Politik zu betreiben, sei es, dass sie wie Griechenland das Defizit explodieren ließen, sei es, dass sie wie Irland die Banken zu wenig kontrollierten, sei es, dass sie zu wenig in Wirtschaftswachstum investierten wie Portugal.

Diese Politik sei von den finanzkräftigeren Euro-Ländern via Kredit von deren Banken finanziert worden, da alle davon ausgingen, dass kein Euro-Land jemals pleitegehen kann. Diese scheinbare Gewissheit führte dazu, dass Investoren blind und, ohne die tatsächliche Lage zu analysieren, Staatspapiere dieser Länder mit lediglich minimalen Aufschlägen kauften - und das über Jahre hinweg.

„Klassisches ‚Durchwursteln‘“

Europa kann nach Ansicht Johnsons weitere „Bailouts“ ganzer Euro-Länder nur durch Schuldenschnitte verhindern. Das von den EU-Staats- und -Regierungschefs zuletzt beschlossene Paket sei ein „klassischer Fall von ‚Durchwursteln‘, was bedeutet, dass kein Problem wirklich gelöst wird“. Europa müsse auf ein „Wachstumswunder“ hoffen, um die Schuldenprobleme in den Griff zu bekommen. Genau das werde aber zusehends unwahrscheinlicher, womit die Finanzmärkte ihre „Überlegungen zum europäischen Domino bald wieder aufnehmen“ würden.

Das „einfache Problem“ der USA

Die USA dagegen haben nach Ansicht des Ex-IWF-Chefökonomen ein „einfaches fiskalisches Problem“: Im Zuge der Finanzkrise brach die Kreditversorgung zusammen und damit auch die Steuereinnahmen. Sobald sich die Wirtschaft erhole, würden auch die Steuergelder wieder verstärkt fließen. Die wirklichen Probleme der USA würden nach 2021 beginnen - bis dahin reicht die zehnjährige Finanzvorschau des US-Kongresses, die als Grundlage der politischen Entscheidungsfindung dient. Damit werde aber die anrollende Kostenlawine für das Gesundheitssystem ignoriert, „die uns ruinieren wird“.

Stattdessen würden die Republikaner auf Einsparungen bei den Regierungsausgaben beharren, die nichts brächten, außer das ohnehin fragile Wachstum der USA weiter zu schwächen und zudem auch Europa zu belasten. Laut Johnson sind die USA derzeit noch im Vorteil. Allerdings hält sich auch bezüglich der Vereinigten Staaten Johnsons Optimismus in Grenzen: Denn zwar hätten sie noch Zeit genug, das Ruder herumzureißen, doch „die Zeichen dafür sind bisher nicht positiv“.

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