Beklagter, Ex-Geliebte und viele Juristen
Am Dienstag hat das Landgericht Mannheim nach 43 Verhandlungstagen das Urteil gegen Jörg Kachelmann verkündet. Die wichtigsten Akteure in dem spektakulären Prozess, der mit einem Freispruch für den Moderator endete:
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Jörg Kachelmann: Mehr als acht Monaten lang schwieg Jörg Kachelmann vor Gericht. In den Verhandlungspausen plauderte der 52-jährige Schweizer dagegen gewohnt locker mit seinen Anwälten, Pflichtverteidigerin Andrea Combe half er galant in die Robe. Der Gründer des Wetterdienstes Meteomedia, den viele Fernsehzuschauer als sympathischen und etwas chaotischen Moderator kennen, hat in Deutschland die Wettervorhersage umgekrempelt.
2002 übernahm Kachelmann in der ARD die Sendung „Das Wetter im Ersten“. Locker und manchmal flapsig erklärte der Journalist die an- und abziehenden Fronten und machte den Wetterbericht zur kleinen Unterhaltungsshow. Rund ein Jahr nach seiner Festnahme ging Kachelmann in Deutschland wieder auf Sendung: Anfang März präsentierte er bei einer Privatradiostation das Wetter.
„Sabine W.“: Die Radiomoderatorin, die in den Medien oft „Sabine W.“ genannt wird (manchmal aber auch „Simone W.“ oder „Silvia May“), war elf Jahre lang die Geliebte Kachelmanns. Sie beschuldigte den Moderator, er habe sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt. Im Verfahren trat sie als Nebenklägerin auf.
Nachdem sie zum Prozessauftakt überraschenderweise vor Gericht erschienen war, blieb sie den Verhandlungen größtenteils fern - was völlig normal ist, da sie selbst auch als Zeugin aussagte. Zu den Plädoyers erschien die 38-Jährige wieder vor Gericht. Sichtlich angespannt verfolgte sie die Schlussvorträge, mit dem Rücken zum Publikum sitzend, das Gesicht meist hinter den blonden Haaren verborgen. Als Verteidigerin Andrea Combe erst ihre Aussagen und dann ihre Persönlichkeit sezierte, wollen manche gesehen haben, dass sie weinte.
Michael Seidling: Der 60-Jährige ist Vorsitzender Richter der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim. Es war nicht sein erster großer Prozess: 2003 verurteilte er den ehemaligen Flow-Tex-Boss Manfred Schmider wegen eines der größten Betrugsfälle der deutschen Nachkriegsgeschichte zu elfeinhalb Jahren Haft. Dennoch machte Seidling nicht immer den souveränsten Eindruck - etwa, als er sich zunächst kategorisch weigerte, „Sabine W.“ über ein Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren und es dann unter dem Eindruck eines Befangenheitsantrags doch tat.
Daniela Bültmann: Die 45 Jahre alte Richterin war Berichterstatterin im Verfahren gegen Kachelmann. Das heißt: Sie ist für den Urteilsentwurf verantwortlich. Bei der Befragung von Zeugen und Sachverständigen fragte Bültmann meist sehr detailliert nach - Verteidiger Schwenn unterstellte ihr jedoch, sie würde vor allem nach Anhaltspunkten suchen, die gegen Kachelmann sprechen könnten.
Joachim Bock: Der 44 Jahre alte Jurist war Beisitzer in dem Verfahren. Immer wieder griff er ein, um die Wogen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu glätten. Attacken von Kachelmann-Anwalt Schwenn entgegnete er meist gelassen, konnte aber auch deutlich werden. „Ich rede - und nicht die Verteidigung“, beschied er dem Anwalt am 38. Verhandlungstag. „Jetzt sind Sie mal still, Herr Oltrogge“, fuhr er Staatsanwalt Oltrogge ein anderes Mal an. Deutlich kritisierte Bock auch die bezahlten Medienauftritte von Zeuginnen. Das sei „dem Respekt vor dem Gerichtsverfahren nicht angemessen“.
Johann Schwenn: Es war eine der großen Überraschungen des Prozesses: Ende November trennte sich Kachelmann von seinen Anwälten Reinhard Birkenstock und Klaus Schroth - und beauftragte Johann Schwenn. Ein ehemaliger Mandant soll ihm den Hamburger Verteidiger empfohlen haben.
Der ging sofort auf Konfrontationskurs: Die Staatsanwälte nannte er „um einiges verdächtiger als Herr Kachelmann“, den Therapeuten des mutmaßlichen Opfers bezeichnete er als „Scharlatan“, er beantragte, die Redaktionen der Zeitschriften „Bunte“ und „Focus“ zu durchsuchen, weil er eine Medienkampagne vermutete. Gelegentlich rügte er die Richter, wenn sie seiner Meinung nach einen unpassenden Gesichtsausdruck machten. Kachelmann war nicht der erste prominente Mandant des 64-Jährigen: Schwenn vertrat unter anderen Markus Wolf, Jan Ullrich, Gregor Gysi und Jan Philipp Reemtsma.
Andrea Combe: Die Pflichtverteidigerin begleitete Kachelmann seit Prozessbeginn. Von seinem Anwaltswechsel blieb sie unberührt. Die zierliche Heidelbergerin wurde Strafverteidigerin, weil sie bei Ungerechtigkeiten „rasend wird“, wie sie einst in einem Interview sagte. Im Kachelmann-Prozess überließ sie Wahlverteidiger Schwenn meist das Wort.
Bei den Plädoyers hatte die 52-Jährige aber das erste Wort. Bundesweit bekannt wurde sie unter anderem mit der Verteidigung des „Bombenlegers von Viernheim“, der im August 2009 zwei Wohnhäuser mit Sprengsätzen angegriffen hatte. Die deutsche Strafprozessordnung schreibt vor, dass ein Angeklagter ab einer bestimmten Schwere des Tatvorwurfs in jedem Fall einen Pflichtverteidiger erhält - auch zusätzlich zu einem Wahlverteidiger.
Lars-Torben Oltrogge: Der 36 Jahre alte Staatsanwalt mit der markanten Lockenmähne vertrat die Anklage. Im Prozess übernahm er auf der Seite der Anklage weitgehend die Verhandlungsführung. Oltrogge gilt als guter Jurist, als hartnäckig und entscheidungsfreudig. Angriffe der Verteidigung parierte er meist souverän. Im Gerichtssaal klingt er mitunter recht scharf - was allerdings auch an seiner hohen Stimmlage liegen dürfte. Im persönlichen Gespräch wirkt Oltrogge sehr reflektiert. Insgesamt ließ er aber keinen Zweifel daran, dass er von der Schuld Kachelmanns überzeugt ist.
Oskar Gattner: Der erfahrene Oberstaatsanwalt ist Oltrogges Vorgesetzter, überließ ihm aber weitgehend die Verhandlungsführung. Der 61-Jährige wirkt ruhig und umgänglich. Im Prozess allerdings ließ er sich von Kachelmanns Verteidiger Schwenn provozieren. So bezeichnete Schwenn die Staatsanwälte als „um einiges verdächtiger als Herr Kachelmann“ und nannte sie „Tatverdächtige“.
Irgendwann platzte Gattner der Kragen; mit wutrotem Kopf rief er zurück: „Sie können hier nicht von Ihrem Recht auf Narrenfreiheit Gebrauch machen!“ Sonst wirkt er sehr ausgeglichen. Manche Rechtsanwälte freuen sich, dass sie bei Besprechungen in seinem Dienstzimmer sogar rauchen dürfen.
Thomas Franz: Er ist der Anwalt von Kachelmanns Ex-Geliebter, die als Nebenklägerin auftrat. Franz agierte im Gerichtssaal äußerst zurückhaltend. Es ist nicht aufgefallen, dass er bei den öffentlichen Vernehmungen auch nur eine Frage gestellt hätte. Allenfalls beantragte er bei Befragungen von Zeugen und Gutachtern den Ausschluss der Öffentlichkeit, um die Intimsphäre seiner Mandantin zu schützen.
Franz ist als Anwalt auf die Vertretung von Opfern vor Gericht spezialisiert. Er ist stellvertretender Landesvorsitzender des Opferschutzvereins Weißer Ring in Baden-Württemberg und sitzt für die CDU im Gemeinderat von Ketsch (Rhein-Neckar-Kreis). Von Medienarbeit hält der studierte Betriebswirt und Jurist nach eigenen Angaben nicht viel. Der Prozess werde nicht per Abstimmung entschieden, argumentierte er.
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