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Vorwurf gegen Juncker und Van der Bellen

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky hat für seine Aussage, dass der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein Alkoholproblem hat, ordentlich Kritik einstecken müssen. Selbst Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich zu Wort. Nur die ÖVP hüllt sich weiter in Schweigen und will die Äußerung des Koalitionspartners nicht kommentieren. Und trotz aller Kritik rudern die Freiheitlichen mit ihren Vorwürfen gegen Juncker nicht zurück.

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Für den Politikwissenschaftler Fritz Plasser hat Vilimskys Aussage neben einer „offensichtlich persönlichen Animosität gegen Juncker“ auch eine taktische Komponente. „Die FPÖ will nun Härte zeigen und von einer Schwächephase der vergangenen Wochen ablenken“, sagt Plasser im ORF.at-Gespräch. Konkret versuche die FPÖ, die für sie unliebsamen Themen wie das neue Arbeitszeitgesetz und den Umbau der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA) zu kaschieren. Die laute Kritik an Juncker sei laut Plasser also „kein Zufall“.

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky

picturdesk.com/EXPA/Michael Gruber

FPÖ-Generalsekretär Vilimsky sorgte mit seiner Aussage über EU-Kommissionschef Juncker für Aufregung

Im Mittelpunkt steht die Kernwählerschaft der FPÖ. Diese sei, sagt der Experte, wegen den von der FPÖ-ÖVP-Regierung geplanten Reformen verunsichert. „Die Verunsicherung spürt die FPÖ in Form von Kritik, und wenn man so was spürt, geht man zum Angriff über.“ Als Angriffsflächen dienten der Partei Bundespräsident Van der Bellen, mit dem man ohnehin über Kreuz liege, und eben Juncker, der im Grunde für die gesamte Europäische Union stehe. „Damit hofft die FPÖ, dass man das eigene Klientel, das doch EU-skeptisch ist, wieder zufriedenstellt“, so Plassers Einschätzung.

Kritik für FPÖ nicht „unangenehm“

Auch Politikberater Thomas Hofer bezeichnet die Strategie der FPÖ als „klassisches Ablenkungsmanöver“. Die Freiheitlichen würden sich nun auf ein Thema stürzen, das zwar bei der Opposition und in Medien auf Kritik stößt, aber bei der Wählerschaft gut ankomme, betont der Experte im Gespräch mit ORF.at. „Sagen wir es einmal so: Der FPÖ wird es nicht unangenehm sein, dass sie wegen ihrer Äußerungen über die EU oder den Bundespräsidenten kritisiert wird. Vermutlich ist es noch immer besser, als von den eigenen Leuten wegen des neuen Arbeitszeitgesetzes kritisiert zu werden.“

Die Frage sei allerdings immer, wann man mit der Offensive aufhört, oder wie man auf weitere Kritik reagieren wird. Laut Hofer sieht es bei der FPÖ jedenfalls nicht danach aus, als würde sie in den kommenden Tagen den „Wind aus den Segeln nehmen. Das Thema polarisiert und kommt beim Zielpublikum gut an“, so der Experte. Ganz anders verhält sich die Debatte beim Koalitionspartner ÖVP. Der hat die Segel erst gar nicht gespannt. „Die ÖVP beißt sich auf die Zunge“, sagt Hofer. Neu sei das allerdings nicht. „Bei der NS-Liederbuch-Affäre wurde zuerst gar nicht reagiert, dann intern und am Ende wurde ein kurze Nachricht über Twitter verbreitet.“

Dass sich die ÖVP unter Bundeskanzler Sebastian Kurz eine strenge „Kommunikationskaskade“, ein stufenweiser Ablauf, auferlegt hat, sei mittlerweile bekannt, so der Politikberater. Erst im „äußersten Notfall“ würde sich der Kanzler zu Wort melden, und dann auch ziemlich kurz. „Wer sich nicht äußert, will den Eindruck vermitteln, dass die Harmonie in der Koalition weiterhin passt. Dissens und ein Polit-Hickhack, der unter der letzten ÖVP-SPÖ-Regierung stattgefunden hat, soll so vermieden werden“, konstatiert Hofer.

Aus „strategischen Gründen“ nachvollziehbar

Seit Wochen werfen Kritiker und Kritikerinnen dem Bundeskanzler vor, dass er bei umstrittenen Themen verstummt und diese einfach aussitzt. Bei Anfragen verweist das Bundeskanzleramt auf die Pressesprecher und Pressesprecherinnen, die man doch per Mail anschreiben solle. Eine Antwort würde ohnehin alsbald folgen, heißt es. In Deutschland hat sich in der Vergangenheit dafür übrigens - in Anlehnung an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel - der Begriff „merkeln“ etabliert: in Deckung gehen, bloß nichts sagen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen

APA/Georg Hochmuth

Bundespräsident Van der Bellen kritisierte die Äußerungen von FPÖ-Politiker Vilimsky

Politikwissenschaftler Plasser spricht von einer „Non-Reaction-Methode“. Um den koalitionären Frieden zu wahren, sei diese Strategie nachvollziehbar. Aber ob man alle strittigen Themen und Aussagen ignorieren soll, sei fraglich. Auch in der eigenen Partei könnte es früher oder später zu brodeln beginnen, so Plasser, der auf den ÖVP-Arbeitnehmerbund verweist, in dem die Stimmung laut einem „Presse“-Bericht wegen der Regierungspolitik schlecht ist. „Je länger man schweigt, desto schwieriger wird es, die eigenen Mitglieder bei Laune zu halten“, erklärt der Experte weiter.

Als ein Zeichen, dass die ÖVP mit den umstrittenen Vilimsky-Aussagen über Juncker nicht besonders glücklich ist, könnte ein Interview von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) gesehen werden. In der „Kleinen Zeitung“ sagte sie, dass es nicht hilfreich sei, „wenn wir nicht Sachpolitik machen“. Zudem verwies sie auf den ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, der von Vilimsky eine Entschuldigung fordert, „oder es muss Konsequenzen geben“. Schramböck dazu: Seinen Aussagen sei „nichts hinzuzufügen“.

Nicht weiter zur Debatte beitragen wollte am Freitag auch Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP). Er habe sich bereits mehrfach dazu geäußert, so Blümel auf eine entsprechende Frage bei der Pressekonferenz mit „Brexit“-Chefverhandler Michel Barnier in Brüssel. „Ich kann ihnen nur bestätigen, dass wir auf allen Ebenen mit der Kommission sehr gut zusammenarbeiten“, so Blümel. Beinahe wortgleich hatte Blümel am Mittwoch dem ORF Vorarlberg geantwortet.

Van der Bellen in der Oppositionsrolle?

Politikberater Hofer führt die „zurückhaltenden Reaktionen“ auf den Vorstoß von Van der Bellen zurück. „Der Gefahrenmoment ist größer geworden. Die ÖVP ist in ihrer Kaskade wohl auf Stufe 1,5 angelangt“, so Hofer. Der Bundespräsident hatte die Äußerungen Vilimskys als „Schaden für Österreichs Ansehen“ bezeichnet. Der FPÖ-Politiker, der von seinem Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache Rückendeckung bekam, warf Van der Bellen daraufhin vor, „auf einem Auge blind“ zu sein. „Wenn andere Politiker, die nicht seinem Spektrum angehören, angegriffen werden, als Wasserleichen oder Dreckskerle bezeichnet werden, dann schweigt er“, so Vilimsky.

Plasser hingegen bewertet Van der Bellens Rolle weiterhin als „konventionell“ und um Neutralität bemüht. Dass der Präsident mit seiner Kritik die Funktion eines Oppositionspolitikers übernommen hat, verneint der Politikwissenschaftler. Für Politikberater Hofer sei nun vielmehr die Opposition aus SPÖ, NEOS und Liste Pilz gefordert, ihre Arbeit „umfassender“ zu gestalten. Mit Aussendungen und Pressekonferenzen sei es nicht getan. „Aber wie wir wissen, haben es die Oppositionsparteien in den Medien immer schwieriger als zum Beispiel ein Schlagabtausch innerhalb der Koalition.“

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