Waffe aus Kaltem Krieg
Es ist ein besonders wirkungsvolles Gift: Die Substanz, mit welcher der russische Ex-Doppelagent Sergej Skripal und nun wohl auch das britische Paar attackiert wurden, stammt aus der Nowitschok-Gruppe. Der Name der chemischen Waffe bedeutet auf Russisch so viel wie „Neuankömmling“.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Sowjetische Wissenschaftler entwickelten das Gift zwischen 1970 und 1980 am Höhepunkt des Kalten Krieges in einem staatlichen Forschungsinstitut in Moskau. Westliche Experten wissen wenig über die Chemiewaffe, vor allem auch wenig über mögliche Gegengifte. Es gebe keine vergleichbare Waffe, sagt die Chemikerin und Kriminologin Michelle Carlin von der Universität Northumbria im britischen Newcastle. „Ihre Wirkungskraft ist stärker als die der bekannten Nervengifte.“
Nervengifte sind Kampfstoffe, welche die Nervensysteme angreifen - insbesondere die Enzyme, die für die Kommunikation mit den Muskeln zuständig sind. So lösen sie zunächst Verkrampfungen aus, dann Lähmungen und führen schließlich zum Tod durch Ersticken oder Herzversagen.
„Furchtbare“ Wirkung
Als einer der „Väter“ der Nowitschok-Gifte gilt Wil Mirsajanow, der 1995 in die USA auswanderte und heute in Princeton (New Jersey) lebt. Ein halbes Gramm eines Nowitschok-Giftes würde reichen, um einen Menschen mit einem Gewicht von 50 Kilogramm zu töten, sagte er im Gespräch mit AFP. „Ich habe die Wirkung an Tieren gesehen - Hasen, Hunden. Es ist furchtbar.“
Es sei seines Wissens das erste Mal gewesen, dass eines dieser Gifte gegen Menschen eingesetzt worden sei, so Mirsajanow über den Fall Skripal. Nur Russland habe die Nowitschok-Gifte entwickelt und halte die Zusammensetzung dieser Kampfstoffe nach wie vor geheim, sagte der russische Chemiker weiter. Eigentlich hatte sich Russland bereiterklärt, seine chemischen Waffenvorräte zu vernichten. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die zur Herstellung der Nowitschok-Gifte verwendeten Komponenten legal und gefahrlos transportierbar sind.
Erkenntnisse durch BND?
Erkenntnisse über Nowitschok stammen maßgeblich aus einer geheim gehaltenen Operation des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND). Der BND habe in den 1990er Jahren über einen russischen Wissenschaftler eine Probe des Gifts beschafft, die in einem Labor in Schweden analysiert worden sei.
Die Formel sei an das deutsche Verteidigungsministerium und den BND übermittelt worden. Auf Weisung des damaligen Kanzlers Helmut Kohl habe der BND daraufhin unter anderem die Geheimdienste in den USA und Großbritannien informiert. In einigen NATO-Staaten seien auch winzige Mengen des Giftes produziert worden, um Schutzausrüstung, Messgeräte und Gegenmittel zu testen.
Links: