„Es gibt zu wenig Liebe“
Lea Rasovszky ist einer der aufstrebenden Stars der jungen rumänischen Kunstszene. Bei der Biennale von Timisoara zeigt sie am zentralen Ausstellungsort jenes Kunstwerk, das sofort ins Auge sticht und für Gesprächsstoff sorgt. Im Gespräch mit ORF.at erzählt sie über die Bedingungen, unter denen in Rumänien Kunst gemacht wird.
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Rasovszkys Kunstwerk ist ein Eyecatcher, es findet sich im Zentrum des zentralen Ausstellungsortes der Biennale von Timisoara, in der alten Straßenbahnremise, einem Backsteinbau inmitten der Stadt. Nicht nur Eyecatcher, sondern auch das Hauptgesprächsthema, weil: Im Ausstellungskatalog sieht man einen rosafarbenen, aufgeblasenen Panzer. Neben dem Panzer in der Remise steht auf dem Schild „pink tank“, und Kurator Ami Barak spricht eben von einem „knallig pinken Objekt“.
Murmeln unter den Besuchern. Ein Spiel mit Erwartungshaltungen, die die Wahrnehmung beeinflussen? Oder sind hier alle farbenblind? Der Panzer ist aufblasbar, er ist knallig, er ist - grellorange. Im Gespräch mit ORF.at klärt Rasovszky lachend auf: „Es musste alles so schnell gehen, die Firma hat den Panzer in der kurzen Zeit nicht anders hinbekommen. Er ist ‚work in progress‘.“
Das Interview findet in einem anderen Stadtviertel statt, das von Brachen und Industriehallen dominiert wird. In einer davon zeigt die Biennale Werke Dutzender Künstler. Rasovszky erzählt zwar von deren prekärer Situation und von den Problemen ihres Landes, ist vom Typ her aber keine „Suderantin“. Sie wird getrieben von der Begeisterung für die Kunst und für die Poesie - und das strahlt sie auch aus.
ORF.at/Simon Hadler
Lea Rasovszky vor dem „Hilton“ von Timisoara
ORF.at: Wie haben Sie den Panzer hergestellt?
Rasovszky: Ich habe eine Firma beauftragt, von deren fantasievollen, aufblasbaren Werbeträgern ich schon lange begeistert bin. Die haben sehr genaue Direktiven bekommen. Der Panzer sollte nicht kriegerisch aussehen, aber auch nicht so rund sein wie ein aufblasbarer Riesenmuffin, und auch nicht so lieblich wie ein Kinderspielzeug - irgendetwas dazwischen. Er sollte schematisch aussehen, so, als hätte ihn ein Kind gezeichnet. Eine Vereinfachung.
Es soll eine ganze Serie daraus werden, die ich „Soft War“ nenne. Waffen, aber harmlos und weich. Neben dem Panzer etwa eine riesige Handfeuerwaffe aus einem schwammigen Material, man kann kuscheln mit ihr. Ich bin fasziniert davon, wie Kinder mit Spielzeugwaffen spielen. Es sind Todesmaschinen, die zum Spielen hergestellt werden. Die Kinder schauen lieb aus, wenn sie solche Waffen in Händen halten. Ich möchte solche Spielzeugwaffen für Erwachsene herstellen.
ORF.at: Sollten Waffen als Spielzeug verboten werden?
Nicht unbedingt. Einerseits können sie zu einer „Normalisierung“ von Gewalt führen. Andererseits machen Kinder daraus ohnehin, was sie wollen. Ich hatte als Kind kleine Plastiksoldaten - die bevölkerten meinen Spielzeugbauernhof. Sie melkten die Kühe mit dem Maschinengewehr in der Hand. Das hat sich für mich nicht widersprochen. Aber natürlich freue ich mich nicht darüber, wenn das Spielen mit Waffen „Spaß“ ist.
Krieg wird ja dann in der Folge bei Erwachsenen zur regelrechten Obsession, das sieht man ja auch heute. Egal, ob es in unserer eigenen Umgebung Krieg gibt - Thema ist er immer, dafür sorgen die Medien, mit all der Hysterie über Nordkorea, Trump und Putin, ungeachtet der Tatsache, dass es statistisch gesehen immer weniger Kriegsopfer gibt. Was ist Krieg überhaupt? Ich halte ihn, stark simplifiziert, für nichts anderes als ein Missverständnis zwischen Menschen. Kommunikation, bei der alles falsch läuft. Mit meiner Kunst möchte ich dieses Missverständnis auflösen und in die Kommunikation eingreifen.
Ich habe für mich einen zentralen Satz formuliert: „Krieg ist all der Sex, den wir nicht haben.“ Das hat nichts von New Age, ich bin Pragmatikerin. Das Böse und das Gute koexistieren. Wenn du nicht als Einsiedler auf einem Berg lebst, musst du kommunizieren, du kannst dich nicht abschotten vom einen oder vom anderen. Es gibt zu wenig Liebe, zu wenig Empathie. Wir sollten etwas weicher werden im Umgang miteinander. Das hat nichts mit „Kumbaya“ zu tun.
ORF.at/Simon Hadler/Kaja Stepien
Rechts die Planung, links die Umsetzung: Rasovszkys „pink tank“ ist vorerst noch orange
Und der Panzer ist für mich auch eine Waffe gegen die gesamtgesellschaftliche Depression, die uns momentan heimsucht. Ein rosa Antidepressivum - wenn er denn einmal rosa sein wird. Es sollte viel mehr symbolische Antidepressiva geben, aber nicht unbedingt alle so plakativ. Wir wollen ja keine verblödete, pseudoglückliche Gesellschaft. Das wäre dann genauso irreal wie die momentane Depression. Glück muss nicht blöd sein - Glück kann auch eine melancholische Note haben.
ORF.at: Hatten Sie eine klassische Ausbildung als Künstlerin?
Rasovszky: Ja, ich habe Kunst studiert - aber ich war genervt von der Dogmatik an der Uni und insgesamt gelangweilt. Die Zeit nach dem Abschluss war viel wichtiger. Meine Freunde und ich, wir haben in besetzten Häusern Ausstellungen gemacht, wir mussten viel improvisieren, dabei habe ich viel gelernt, gerade auch, weil man keine Kompromisse eingehen muss, wenn man sich in einem autonomen Umfeld bewegt.
Mir war meine Unabhängigkeit von Anfang an wichtig, sowohl von meinen Eltern, die auch Künstler sind, als auch vom Kunstbetrieb. Selbst, wenn ich Fehler mache - dann sind es wenigstens meine Fehler. Ich gehöre zu keiner Künstlergruppe, auch wenn ich viele Kollaborationen mache. Manchmal passt etwas zusammen und ergibt in Summe mehr als das einzelne Werk. Manchmal nicht. So bin ich auch zur Biennale in Venedig gekommen.
Viele von den jungen Künstlern aus Rumänien reüssieren momentan auf der internationalen Bühne. Mich etwa verschlägt es immer nach Deutschland und Österreich, ich weiß auch nicht, warum (lacht). Die beiden Länder sind meine Außenposten, gerade in Österreich habe ich auch schon ein größeres Projekt realisieren können.
ORF.at: Den abstrakten Künstlern Rumäniens in den 70er Jahren war es recht egal, ob sie ein größeres Publikum erreichten. Viele der Werke hier, auch Ihr Panzer, sind leicht zu entschlüsseln. Geht es Ihnen darum, eine breite Zielgruppe zu erreichen?
Rasovszky: In meiner Kunst geht es um Menschen - und sie richtet sich auch an Menschen. Es muss nicht jeder jede Anspielung verstehen - aber ich möchte, dass meine Kunst zumindest potenziell bei jedem Betrachter eine Reaktion auslösen kann. Dazu brauche ich ein Publikum. Dass die rumänischen Künstler der 70er Jahre sich an kein Publikum richteten, verwundert nicht: Sie hätten unter dem Regime sowieso keines gehabt. Alles war restriktiv. Es gab nichts neben sozialistischem Realismus. Für mich ist das Publikum sogar Teil des Werks.
Heute existieren relativ viele Stile gleichzeitig, was ich als sehr positiv empfinde. Du kannst Hardcore-Konzeptkunst machen, Performances, Pop neben ganz ephemeren Sachen - du wirst nicht in eine Mode hineingezwungen, das ist erfrischend. Das macht die ganze Kunstszene interessanter, sowohl für die Künstler als auch fürs Publikum.
ORF.at: Wie ist die Situation für Künstler in Rumänien heute?
Rasovszky: Leicht ist es nicht. Wie gesagt: Wir schaffen es auf die internationale Bühne - aber nur mit immenser Anstrengung. Es gibt Galerien, die gute Arbeit leisten. Aber einen eigenen, adäquaten Ort zu bekommen, an dem man sich ungestört seiner Kunst widmen kann, ist schwierig. Es gibt so gut wie keine Förderungen. Wenn es etwas gibt, dann stürzen sich alle drauf wie die Hyänen und kannibalisieren sich gegenseitig.
Wer hier in Rumänien Kunst machen will, der macht sie um der Kunst willen - Geld ist momentan keines bis wenig zu holen. Ich habe zum Beispiel in den letzten Jahren drei Ateliers gehabt, immer nur jeweils ein Jahr lang. Ich habe es nie geschafft, sie länger zu finanzieren, keine Chance.
Überhaupt - von der Kunst zu leben, das schaffen nur die wenigsten. Ich bin eine von jenen, die das Glück haben, mit Kunst so recht und schlecht über die Runden zu kommen, ich kann für meine Werke zwischen 1.000 und 5.000 Euro verlangen. Es gibt aber zu wenige Sammler hier in Rumänien. Eigentlich müsste Goldgräberstimmung herrschen. Noch sind unsere Werke vergleichsweise günstig zu erstehen, das wird nicht so bleiben. Die junge Szene ist wirklich spannend, sie hat viel Potenzial. Die Leute sind wild, sie haben starke, subjektive Standpunkte und lassen sich von den Hochschulnormen nicht ankränkeln.