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Ruf nach höheren Auflagen für Mandatare

Nicht nur heimische Aktivistinnen und Aktivisten fordern mehr Offenheit und Nachvollziehbarkeit in der heimischen Politik - auch der Europarat tut das. Erst im Februar präsentierte die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarats ihren vierten Länderbericht zu Österreich. Bemängelt wurden darin vor allem lückenhafte Regelungen zur Kontrolle von Lobbyisten und zu laxe Antikorruptionsbestimmungen für Abgeordnete.

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Das Lobbyregister, beim Justizministerium angesiedelt, wurde mit dem „Transparenzpaket“ 2013 eingeführt. Und auch die Regeln für Abgeordnete wurden verschärft. ORF.at fragte konkret nach, ob sich die Parteien nach der Wahl bestimmte, von der GRECO-Gruppe und Aktivisten geforderte Verbesserungen vorstellen können bzw. diese erreichen wollen. Von acht der zehn bundesweit antretenden Listen erhielt ORF.at Antworten. Die Liste Gilt betonte, man habe kein Programm, da man einen Systemwechsel anstrebe. Die Weißen verwiesen darauf, sie stünden für direktdemokratische Mitbestimmung und könnten daher keine vorgefertigten Antworten geben.

Offenlegung von Einkunftsquellen

Ein Kritikpunkt bei den Ethikregeln für Abgeordnete ist die mangelnde Nachvollziehbarkeit bei Einkommen und Vermögen - das gilt als möglicher Indikator dafür, ob sich eine Mandatarin oder ein Mandatar etwa einem Unternehmen besonders verpflichtet fühlen könnte. Jene Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten rund um den Politologen Hubert Sickinger, die mit der nächsten Regierung über Verbesserungen verhandeln will, fordert daher vor allem eines: Abgeordnete sollen ihre Einkünfte nicht nur summarisch wie bisher ausweisen müssen, sondern aufgelistet nach Einkommensquelle, wie das etwa in Großbritannien der Fall ist.

Ein klares Nein kommt dazu von ÖVP und FPÖ. Die ÖVP verweist auf 2013 geschaffene „klare Regeln“, etwa die Pflicht, leitende Funktionen in Unternehmen oder Stiftungen, zu melden. Bei der Offenlegung der Einkünfte gebe es kleinteilige Kategorien, und man habe sich bei dieser Regelung an Deutschland orientiert. Diese sei „in ihrer Detailliertheit und Klarheit ausreichend“. Auch für die FPÖ sind die derzeitigen Bestimmungen ausreichend. Die SPÖ findet die aktuellen Unvereinbarkeitsregeln sogar „europaweit vorbildlich“. Sie kann sich aber eine „Präzisierung“ bei den Einkünften vorstellen.

NEOS ist für die Auflistung der Einkommensquellen so wie auch die Grünen, die explizit darauf verweisen, dass dies eine Empfehlung des Europarats ist. Auch die Liste Pilz und KPÖ Plus sind klar dafür. FLÖ kann sich das auch vorstellen, betont aber, das sei „eine politische Frage, die man wohl nur im Einvernehmen mit den anderen Parlamentsparteien abklären kann“, so die Antwort.

Balkenfgrafik über die Umfrage

Grafik: ORF.at

Betonung des Schutzes der Privatsphäre

Für die Offenlegung von Vermögen, Beteiligungen, Schulden und Verbindlichkeiten kann sich kaum eine der befragten Parteien erwärmen. Nur Grüne und KPÖ Plus sind klar dafür. Ebenso eindeutig dagegen sind FPÖ, NEOS, Liste Pilz und FLÖ - sie alle betonen, das wäre ein zu schwerer Eingriff in die Privatsphäre der Abgeordneten.

Zurückhaltender, aber ebenfalls sehr skeptisch, fallen die Antworten von SPÖ und ÖVP aus: Auch sie verweisen auf einen „sensiblen Grundrechtseingriff in die Privatsphäre“ (SPÖ), bei dem zwischen dem Schutz des Abgeordneten und dem öffentlichen Interesse an Transparenz abzuwägen sei. Aus Sicht der ÖVP „erscheint eine Veröffentlichung des Einkommens eher geboten“. Nach Ansicht beider Parteien bedürfte es jedenfalls einer ausführlichen Diskussion und Prüfung.

Sanktionen bei Verstoß

Die Forderung nach Sanktionen oder Strafen für Abgeordnete, die gegen die Ethikregeln verstoßen, unterstützen fünf der acht Parteien: SPÖ, NEOS, Grüne, FLÖ und KPÖ Plus. Die SPÖ will etwa, dass das Parlament Sanktionen „bis zum Verlust des Mandats“ verhängen kann.

Die ÖVP sieht derzeit keinen Bedarf, da ihr bisher nach eigenen Angaben keinerlei Verstöße gegen die Transparenzregeln bekannt sind. „Sollte es die Situation erfordern“, ist die Volkspartei aber diskussionsbereit.

Klar dagegen sind Liste Pilz und FPÖ. Für die Freiheitlichen stehen Abgeordnete ohnehin so sehr in der Öffentlichkeit, „das Verstöße gegen Transparenzregeln durch die mediale Diskussion ausreichend ‚sanktioniert‘ sind“.

Mehr Details im Lobbyingregister

Ein Teil der Bemühungen, die Entscheidungsfindung in der Politik nachvollziehbar zu machen, der in den letzten Jahren auch international immer wichtiger wurde, sind die Regeln für Lobbying. Nicht nur auf EU-Ebene versuchen Lobbyisten und Interessenvertreter, die eigene Agenda oder jene ihrer Klientel bei der Abfassung von Gesetzen durchzusetzen oder einzubringen. Was das 2013 gestartete heimische Lobbyregister nicht erfasst, ist allerdings, welche Akteure konkret mit welchen Ressourcen für welche Ziele Lobbying betrieben.

Die drei größten Parteien haben hierzu drei verschiedene Positionen: Die SPÖ will zunächst das aktuelle Lobbyingregister evaluieren und dann eventuell nötige Verbesserungen vornehmen. Die ÖVP betont, die entsprechenden Angaben seien bereits mit der jetzigen Regelung erfasst. Die FPÖ befürwortet Änderungen, die es ermöglichen, dass die Tätigkeiten von Lobbyisten „konkreter nachvollzogen werden können“.

Die Grünen sind klar für eine entsprechende Verschärfung und haben nach eigenen Angaben auch einen Antrag ins Parlament eingebracht. Auch KPÖ Plus und FLÖ sind dafür. Die Liste Pilz betont, es komme auf die konkrete Ausgestaltung an.

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Grafik: ORF.at

Anwälte und das Lobbyingregister

Auch bei der Frage, ob die Eintragungspflicht ins Lobbyingregister auch für Rechtsanwälte gelten soll, sofern sie für Klienten lobbyieren, gehen die Meinungen weit auseinander. Die SPÖ spricht sich dafür aus, in solchen Fällen auch Anwälte im Register zu erfassen. Nach Ansicht der ÖVP ist das laut der bestehenden Regelung bereits der Fall und verweist auf §2 Z 4 des Lobbygesetzes („Die Bestimmungen dieses Bundesgesetz sind nicht anzuwenden (...) auf die Rechtsberatung und Vertretung durch Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder und andere dazu befugte Personen, ...“).

Die FPÖ betont dagegen: „Nach unserem Verständnis darf die Berufsverschwiegenheit der Rechtsanwälte durch Meldungen an ein Register nicht ausgehebelt werden.“ Sie kann sich aber eine diesbezügliche Aufsicht durch die Rechtsanwaltskammer vorstellen.

Grüne, FLÖ und KPÖ Plus sprechen sich klar für eine Registrierungspflicht von Anwälten, die Lobbying betreiben, aus. NEOS indirekt auch: Es kritisiert in seiner Antwort vor allem, dass die Kammern im Lobbyingregister nicht erfasst werden. Die „strengen Regeln und Pflichten“ sollten aber „für alle gleichermaßen gelten“. Auf die konkreten Fragen zur Lobbyingtransparenz ging NEOS übrigens nicht ein.

Sanktionen für Lobbyisten

SPÖ und FPÖ können sich Sanktionen vorstellen, wenn Lobbyisten gegen das Gesetz verstoßen. Für die FPÖ kommt allerdings einzig ein Hinweis auf Verstöße im Register in Frage. Die SPÖ geht weiter und plädiert dafür, dass Lobbyisten - so wie im deutschen Bundestag oder im EU-Parlament - das Betreten des Parlaments verboten werden soll.

Die ÖVP verweist darauf, dass bereits jetzt das Gesetz Geldstrafen von maximal 60.000 Euro ermöglicht. Grüne, FLÖ und KPÖ Plus sind für Sanktionen für Lobbyisten. Die Liste Pilz kann sich das grundsätzlich vorstellen.

Dokumentation von Treffen mit Lobbyisten

Kritisch gesehen wird von mehreren Parteien schließlich die Forderung, dass Minister und Kabinettsmitglieder Treffen mit Lobbyisten und Interessenvertretern dokumentieren und veröffentlichen sollen. Eine solche Verpflichtung gilt etwa für EU-Kommissare und deren Generaldirektoren. Der FPÖ geht das „zu weit“. Gespräche mit Lobbyisten müssten auch für Minister und ihre Mitarbeiter ohne gesonderte Dokumentation möglich sein. Eine lückenlose Erfassung, etwa im Rahmen von Veranstaltungen, hält die FPÖ zudem für „realitätsfremd“. Auch die Liste Pilz spricht sich dagegen aus.

Die SPÖ kann es sich vorstellen, will aber Interessenvertretung davon ausnehmen. Eine so weite Definition könnte, so fürchtet die SPÖ, den Zugang von Bürgerinnen und Bürgern zu ihren Abgeordneten - wenn sie an diese etwa mit einem Anliegen herantreten - erschweren. Das darf laut SPÖ nicht passieren. Die ÖVP zeigt sich eher ablehnend. Sie verweist auf die Schwierigkeit der „Abgrenzung von Treffen“ und fragt, ob damit der Schutzzweck des Lobbygesetzes tatsächlich erhöht werden kann.

Grüne und KPÖ Plus sprechen sich für eine Dokumentationspflicht in Ministerien aus. FLÖ ist für eine solche Pflicht bei Lobbyisten, aber gegen eine solche bei Interessenvertretern. Zusammenfassend machen die divergierenden Positionen jedenfalls eines klar - egal, welche Parteien nach dem 15. Oktober auf der Regierungs- und welche auf der Oppositionsbank sitzen werden: Eine Verständigung auf verschärfte Lobbyingregeln und mehr Transparenz bei Abgeordneten wird schwierig.

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