„Krieg gegen Drogen“ kennt nur Opfer
Der Drogenhandel lässt entlang der Schmuggelrouten Zehntausende Tote zurück, korrumpiert ganze Länder und spült satte Gewinne in die Kassen der Kartelle. Der repressive Ansatz der Drogenpolitik gilt als gescheitert. Einen Teil der Verantwortung tragen die Konsumenten in der westlichen Welt, neben den USA vor allem Europa und da wieder der EU-Raum.
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Es ist ein weiter Weg von den Kokafeldern an den kolumbianischen Anden-Hängen bis in die Clubs von Berlin und anderen europäischen Metropolen. Leichen säumen die Tausende Kilometer lange Schmuggelroute des Kokains. „Wenn jemand Kokain nimmt, landet sein Geld hier und finanziert Landminen, Umweltzerstörung, Terrorismus, Entführung und Vertreibung“, sagt der ehemalige kolumbianische Vizepräsident Francisco Santos.
Jeder Kilometer Schmuggel hat Profiteure
Nach Angaben des UNO-Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNODC) konsumieren weltweit 247 Millionen Menschen mindestens einmal pro Jahr Drogen. Das entspricht ungefähr der Bevölkerung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien zusammen. Schätzungen zufolge werden im illegalen Drogenhandel pro Jahr rund 400 Milliarden US-Dollar umgesetzt.
Kokain wird von den Anbauregionen in den Anden-Ländern über Mittelamerika und Mexiko in die USA oder über Venezuela und Westafrika nach Europa geschmuggelt. Heroin gelangt aus Afghanistan über Russland oder über die Türkei und den Balkan nach Europa. Mit jedem Kilometer steigt der Preis der illegalen Ware. In den Anbaugebieten in der Anden-Region wird ein Gramm Kokain für rund zwei Dollar gehandelt, in den USA liegt der Straßenverkaufspreis bei etwa 80 Dollar.
Kampf gegen Kartelle führt zu mehr Gewalt
Die enorme Gewinnspanne im Drogenschmuggel weckt Begehrlichkeiten. In Mexiko befeuert das schmutzige Drogengeld einen Krieg zwischen den Verbrechersyndikaten und staatlichen Sicherheitskräften mit bisher mehr als 100.000 Toten, in Afghanistan finanzieren sich die radikalislamischen Taliban mit Opiumhandel, und in Kolumbien haben ehemalige rechte Paramilitärs das Kokaingeschäft übernommen.
In Mexiko gehen Polizei und Militär entschlossen gegen die Drogenkartelle vor. Seit 2012 wurden 107 der 122 meistgesuchten Verbrecher des Landes „neutralisiert“, wie es im Behördenjargon heißt - also gefasst oder getötet. Anfang des Jahres lieferte Mexiko den Chef des mächtigen Sinaloa-Kartells, Joaquin „El Chapo“ Guzman, an die USA aus. Die Sicherheitslage hat sich dadurch allerdings nicht verbessert, im Gegenteil. „Das Abschneiden der Köpfe führt zu einem Machtvakuum, Kämpfen um die Nachfolge, Zersplitterungen der Banden und noch mehr Gewalt“, sagt der Sicherheitsexperte Alejandro Hope.
Neue Generation von Bossen meidet Öffentlichkeit
Die mexikanische Unterwelt ist im Umbruch: Zwei Fraktionen kämpfen derzeit um das Erbe von „El Chapo“ - das Kartell Jalisco Nueva Generacion nutzt die vermeintliche Schwäche des mächtigen Konkurrenten und baut seinen Einfluss aus, in den Opiumanbaugebieten im Südwesten des Landes stecken kleinere Banden ihre Claims ab. Angesichts des neuen Heroinbooms in den USA wollen sie ein Stück vom Kuchen abhaben.
„Die Kartelle, wie wir sie kennen, erleben eine Krise“, sagt die Journalistin und Drogenexpertin Anabel Hernandez. „Aber das organisierte Verbrechen hat schon immer die Fähigkeit besessen, sich neu zu erfinden.“ Der Trend geht zur Dezentralisierung, die neuen Bosse meiden die Öffentlichkeit.
In Mittelamerika steigen nach Einschätzung der UNODC die mächtigen Jugendbanden, die Maras, zunehmend ins Drogengeschäft ein. Laut den Angaben stehlen sie immer häufiger in ihren Einflussgebieten Drogenlieferungen konkurrierender Banden. Das sorgt für zusätzliche Gewalt. Mit 82 Tötungsdelikten je 100.000 Einwohner ist El Salvador bereits jetzt eines der gefährlichsten Länder der Welt.
Alternativen zu „militärischem Ansatz“ gesucht
Bisher hat der militärisch-repressive Ansatz der Drogenpolitik zu keinen nennenswerten Erfolgen geführt. Zehntausende Menschen wurden im „Krieg gegen die Drogen“ bereits getötet. In den USA sind die Gefängnisse voll mit Häftlingen, die nur wegen Drogenbesitzes einsitzen. Und die Kartelle streichen noch immer satte Gewinne ein. „Massive Korruption, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen sind die Konsequenzen eines zu häufig militarisierten Ansatzes“, schreiben die Analysten des Forschungsinstituts Crisis Group.
Experten raten bereits seit Jahren, die Finanz- und Logistikstrukturen der Verbrechersyndikate ins Visier zu nehmen, statt nur die prominenten Köpfe zu jagen. Das ist allerdings gar nicht so einfach. Von dem Milliardenvermögen des einstigen Drogenbosses „El Chapo“ beispielsweise fehlt bisher jede Spur.
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