Todesfälle durch Überdosis stark gestiegen
Die Zahl der Drogentoten in der EU durch Überdosierung ist zum dritten Mal in Folge gewachsen. Das geht aus dem aktuellen Europäischen Drogenbericht hervor, der Anfang Juni veröffentlicht wurde. Insgesamt sei der Markt bei illegalen Drogen jedoch relativ stabil geblieben, heißt es darin.
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In der europäischen Drogenszene gibt es keine dramatischen Veränderungen, wohl aber tragische Tendenzen im Detail. Vor allem die Zahl der Todesfälle durch Überdosierungen von Heroin und Opioiden ist stark gestiegen. Das sind die Eckpunkte des von der EU-Drogenbeobachtungsstelle EMCDDA in Lissabon publizierten Berichts.

Grafik: ORF.at; Quelle: APA/Europ. Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
78 Prozent der Tode in Verbindung mit Opioiden
„Im Jahr 2015 kam es in der Europäischen Union zu schätzungsweise mindestens 7.585 Todesfällen aufgrund von Überdosierungen, bei denen mindestens eine illegale Droge nachgewiesen wurde. Unter Einbeziehung Norwegens und der Türkei beläuft sich die Zahl der Todesfälle auf schätzungsweise 8.441. Das entspricht einem Anstieg um sechs Prozent gegenüber dem berichtigten Wert des Vorjahres von 7.950 Fällen“, heißt es in dem Report. 78 Prozent dieser Todesfälle stünden mit Opioiden - vor allem Heroin, Morphin und synthetischen Opioiden - in Zusammenhang.
Besonders eklatant macht sich der Anstieg in Wales und England bemerkbar: Dort seien im Jahr bei 1.200 Todesfällen Heroin oder Morphin nachgewiesen worden. Im Vergleich zum Vorjahr bedeute das eine „Zunahme um 26 Prozent“, im Vergleich zum Jahr 2013 sogar einen Anstieg „um 57 Prozent“, so die Experten. Auch in Schottland, Irland und der Türkei sei eine solche Entwicklung zu beobachten. Die aktuellen Daten würden damit einen Anstieg der Zahl der heroinbedingten Todesfälle in Europa belegen.
„Ernstzunehmende Bedrohung“
Neben Heroin und Morphin sind aber auch andere Opioide an Überdosierungen beteiligt, oft in Kombination mit anderen Substanzen wie etwa Alkohol. Neben klassischen Substitutionsmedikamenten wie Methadon und Buprenorphin zählen auch Schmerzmittel wie Tramadol und das synthetische Opioid Fentanyl dazu. Fentanyl wird in der Anästhesie und in der Schmerzmedizin - zum Beispiel als Schmerzpflaster - verwendet. Es ist um ein Vielfaches potenter als Morphin und deshalb speziell gefährlich, was Überdosierungen angeht.
Und auch die Produzenten illegaler Drogen sind längst in den Markt synthetischer Opioide eingestiegen. „Seit 2009 wurden auf dem europäischen Drogenmarkt insgesamt 25 neue Opioide festgestellt - davon wurden neun erstmals im Jahr 2016 gemeldet. Hierzu zählen 18 Fentanyle, von denen acht erstmals 2016 gemeldet wurden“, heißt es in dem Bericht. Zwar spielten diese Substanzen auf dem Drogenmarkt in Europa noch eine untergeordnete Rolle, sie stellten aber eine „ernstzunehmende Bedrohung“ dar.
93 Millionen Europäer konsumierten Drogen
Der Gesamtmarkt hat sich im Vergleich zum Vorjahr hingegen kaum verändert. Sieben Prozent - rund 23,5 Millionen - der Erwachsenen im Alter von 15 bis 64 Jahren gebrauchen etwa innerhalb eines Jahres Cannabis. Hinzu kommen 3,5 Millionen Kokainkonsumenten, 2,7 Millionen nehmen MDMA (Ecstasy) ein, 1,8 Millionen Amphetamine. Insgesamt gäbe es in der EU rund 1,3 Millionen Menschen mit Hochrisiko-Opioidkonsum unter den Erwachsenen - den Großteil macht der injizierende Heroingebrauch aus.
„Mehr als 93 Millionen Europäer haben bereits einmal in ihrem Leben illegale Drogen konsumiert“, hält EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos zu dem Bericht fest. Diese „Lebenszeitprävalenz“ zumindest einmaligen Drogenkonsums sagt aber wenig aus, weil es sich beim Drogengebrauch zumeist nur um ein vorübergehendes Phänomen in einem bestimmten Lebensalter handelt.
„Meine besondere Sorge gilt den jungen Menschen, die mit vielen neuen und gefährlichen Drogen konfrontiert sind“, so Avramopoulos. Das Geschäft mit den illegalen Drogen ist jedenfalls enorm: Für 2013 wurde der Gesamtmarkt auf 24 Milliarden Euro geschätzt.
Ausbau der Gegenmaßnahmen
Wegen des Anstiegs der Zahl der Drogentoten werden in vielen EU-Staaten auch Maßnahmen gesetzt und weiter ausgebaut. „Überwachte Drogenkonsumräume sollen sowohl Überdosierungen vorbeugen als auch sicherstellen, das im Falle einer Überdosierung professionelle Hilfe geleistet wird. Derzeit werden in sechs EU-Ländern und Norwegen insgesamt 78 solcher Einrichtungen betrieben“, heißt es in dem Report.
Eine weitere Strategie beinhaltet die Bereitstellung des Mittels Naloxon, das Opiatrezeptoren im Gehirn bei einer Überdosierung blockiert und damit lebensrettend sein kann. Diese Maßnahme ist vor allem bei Bevölkerungsgruppen wirksam, für die ein besonders hohes Risiko von Überdosierungen besteht, wie etwa kürzlich freigelassene Strafgefangene. Eine Studie des Naloxon-Programms im Vereinigten Königreich ergab, dass „dieses einen signifikanten Rückgang der Todesfälle im Zusammenhang mit Opioiden im ersten Monat nach der Haftentlassung bewirkt hat“, so die EMCDDA.
Zahl der Drogentoten auch in Österreich gestiegen
Laut dem Anfang des Jahres herausgegebenen Österreichischen Drogenbericht weisen zwischen 29.000 und 33.000 Menschen einen risikoreichen Opioidkonsum auf. Diese Zahl ist relativ stabil. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Zahl dieser Drogenkonsumenten innerhalb eines Jahrzehnts von rund 10.000 auf 3.000 gesunken. So wie in Europa negativ ist allerdings die aktuelle Tendenz bei den Drogentoten: Während 2014 mit 122 Todesfällen ein neuer Tiefstwert aufgestellt wurde, stieg die Zahl im Jahr 2015 auf 153. Vor allem ältere und nicht im Substitutionsprogramm betreute Drogenkranke waren betroffen.
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