„Schmutziger“ Ausstieg als einzige Option?
US-Präsident Donald Trump braucht einen langen Atem, um den versprochenen Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen umzusetzen. Genau genommen braucht er sogar eine Wiederwahl für eine zweite Amtsperiode bei der nächsten US-Präsidentschaftswahl am 3. November 2020, denn der frühestmögliche Austrittszeitpunkt aus dem Vertrag ist der 4. November 2020.
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Die Vertragsregeln lassen keinen Interpretationsspielraum zu. In Artikel 28 sind die Regeln für einen Abschied aus dem Vertrag verbindlich festgelegt. In Absatz eins heißt es: „Eine Vertragspartei kann jederzeit nach Ablauf von drei Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem dieses Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist, (...) von diesem Übereinkommen zurücktreten.“ Wirksam wird der Rücktritt gemäß Absatz drei frühestens ein Jahr danach.
Europäische Nachzügler für Frist verantwortlich
Der Pariser Vertrag wurde am 12. Dezember 2015 beschlossen. Wirksam wurde er aber erst am 4. November 2016, weil da die „automatische“ Inkraftsetzung geschehen konnte: Diese sah vor, dass mindestens 55 Staaten mit mindestens 55 Prozent des weltweiten Schadstoffausstoßes den Vertrag in Kraft setzen müssen, damit er gilt. Ironischerweise führt die späte Ratifizierung in der EU - über einen Monat nach den USA - nun zur Frist 4. November 2020.

APA/AFP/Saul Loeb
Trump bei der Ankündigung des Ausstiegs aus dem Klimavertrag am Donnerstag
Auch nach den Vertragsregeln hat ein Land, das aus dem Vertrag aussteigen will, aber eine zweite Möglichkeit. Laut Absatz drei des Artikels 28 gilt der Rücktritt von der UNO-Klimarahmenkonvention von 1992 automatisch auch als Rücktritt vom Pariser Vertrag. Die Rücktrittsformalitäten sind bei beiden Verträgen gleich. Da die USA aber schon länger als drei Jahre Mitglied sind, könnten sie schon heute ihren Rücktritt davon einreichen, der dann ebenfalls in einem Jahr wirksam würde. Das wäre aber ein radikaler Schritt.
Ignorieren von Vertrag als Plan C
Die Klimarahmenkonvention ist die Basis für alle globalen Umweltschutzbestrebungen. Auf ihrer Basis finden die UNO-Klimagipfel statt und wurde ebenso wie der Pariser Vertrag schon das Kyoto-Protokoll beschlossen. Will Trump sein Versprechen einlösen, für die USA ein besseres Abkommen auszuhandeln als den Pariser Vertrag, kann das sinnhafterweise nur in der Runde der 195 Mitglieder der Klimarahmenkonvention geschehen.
Damit bliebe Trump als dritte Option die schmutzigste: die schlichte Missachtung der vertraglichen Pflichten. Seine Ankündigung, ab sofort alle Klimaschutz-Transferzahlungen einzustellen, geht schon in diese Richtung. Die vertraglichen Pflichten in Sachen Klimaschutz könnten allerdings zu einem Gutteil an Trump vorbei erfüllt werden, etwa durch entsprechende Selbstverpflichtungen einzelner US-Bundesstaaten oder Kommunen.
„Gewählt, um Bürger von Pittsburgh zu vertreten“
Ein markantes von vielen Beispielen von Widerstand in den USA lieferte der Bürgermeister der US-Kohlestadt Pittsburgh, Bill Peduto. Er nahm Bezug auf Trumps Aussage von Donnerstag, wonach „gewählt wurde, um die Bürger von Pittsburgh zu vertreten, nicht die von Paris“. Der Demokrat Peduto konterte, es liege immer noch an ihm, die Bürger von Pittsburgh zu vertreten - und außerdem werde der traditionell demokratische Wahlkreis die Klimaverpflichtungen aus freien Stücken selbst einhalten.
Wirksam ist Trumps Ankündigung allerdings insofern, als sie den bisherigen Druck auf die geopolitischen Klimasünder nimmt, der durch die Pariser Allianz von China, Indien und den USA entstanden war. Aus dem Kreml verlautete etwa am Freitag, ohne die Teilnahme der Vereinigten Staaten funktioniere das Pariser Abkommen nicht. Russland hat den Vertrag unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Die Unterstützer des Klimavertrags wollen umgekehrt den Schulterschluss vollziehen.
China steht bereit
Nicht zufällig nutzte etwa am Freitag EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den EU-China-Gipfel, um erneut auf dem Pariser Vertrag zu beharren, der „heute noch wichtiger als gestern“ sei. Es werde „nicht der Rückwärtsgang bei der Energiewende eingelegt. Es gibt kein Zurückweichen beim Pariser Abkommen.“ An dem Gipfel in Brüssel nahm auch der chinesische Regierungschef Li Keqiang teil. China hatte bereits zuvor signalisiert, dass man die durch Trump verursachte Lücke im geopolitischen Machtgefüge gerne füllen wolle.
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