Entführung in die Welt des Wissens
Die Sachbücher der Saison sind erklärend, aufregend (im wahrsten Sinne) und entführen die Leserinnen und Leser auf thematische und geografische Reisen, die sich allemal lohnen.
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Punk Rock City Berlin
Angefixt durch geschmuggelte „Bravo“-Hefte und die Musik der Sex Pistols auf britischen Militärsendern kam Ende der 1970 Jahre der Punk in Ostberlin an. Mehr noch als im Westen war Punk-sein in der DDR ein Akt der Rebellion und Provokation. Aufgerissene Jeans und Sicherheitsnadeln im Ohr reichten schon, um von der Stasi bespitzelt zu werden. In „Stirb nicht im Warteraum der Zukunft“ erzählt der US-Autor Tim Mohr, der mehrere Jahre in Berlin gelebt hat, die Geschichte des Punk-Undergrounds in der DDR, mit landesweitem Netzwerk, eigenen Medien und illegalen Konzerten; die Geschichte, wie Berlin zur Punk Rock City wurde. (beer, für ORF.at)
Tim Mohr: Stirb nicht im Warteraum der Zukunft: Die ostdeutschen Punks und der Fall der Mauer. Heyne Verlag, 560 Seiten, 20,55 Euro.
Kunst verstehen und lieben lernen
Zeitgenössische Kunst lässt viele oft ratlos zurück: „Das soll jetzt Kunst sein?“ Der britische Künstler Grayson Perry stellt sich dieser und anderen Fragen und nimmt die Leser mit auf eine Entdeckungsreise in die Welt der Gegenwartskunst. Anschaulich und witzig erzählt er von Sinn und Unsinn im internationalen Kunstzirkus. Dabei bietet er einen unterhaltsamen Einstieg in das Thema und überzeugt mit einer Mischung aus Ironie, persönlichen Beobachtungen und Fakten. Perrys comicartige Zeichnungen runden das Buch ab und machen es zur idealen Vorbereitung für den nächsten Besuch einer Galerie oder Ausstellung. (neuf, ORF.at)
Grayson Perry: So geht Kunst! Prestel. 144 Seiten, 18,50 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
Die Kunst der Intrige als adelige Soap-Opera
Auch Adelige hatten es nicht leicht: Mit Verve, Witz und Spritzigkeit gibt der Historiker Leonhard Horowski in „Das Europa der Könige“ Einblick in die teils auf Soap-Niveau ausgeführten Machtspiele und Intrigen an den europäischen Höfen des 17., 18. Jahrhunderts. Sein Mammutwerk liest sich - eingeteilt in 20 Kapiteln - wie ein Who’s who des Hochadels, Regeln der überbordenden Etiquette und Exzentrik inklusive. Und auch die für das eigene Glück oft desaströse politisch-logische Heiratspolitik unter Verwandten in Barock und Rokoko kommt nicht zu kurz. (baue, ORF.at)
Leonhard Horowski: Das Europa der Könige. Rowohlt, 1.120 Seiten, 41,10 Euro.
Aufgewachsen im Chelsea Hotel
Weil ihre exzentrischen Künstlereltern 2005 ins legendäre Chelsea Hotel in New York ziehen, wächst Nicolaia Rips inmitten von Bohemiens, Callgirls und Spinnern auf. Das kleine Mädchen verbringt ihre Zeit mit Freaks, die sie wie eine von ihnen behandeln, und wird zu deren Maskottchen. Mit viel Humor und voller Selbstironie erzählt die heute 19-Jährige in ihrem Erlebnisbericht „Alles außer gewöhnlich“ die Geschichte einer schrägen Kindheit zwischen Mythos und Wahrheit. (neuf, ORF.at)
Nicolaia Rips: Alles außer gewöhnlich. Nagel & Kimche, 223 Seiten, 20,60 Euro.
Mit Schmäh gegen die Apartheid
Trevor Noah, Comedian-Wunderwuzzi und gefeierter Host von „The Daily Show“ in den USA, erzählt in „Farbenblind“ ebenso feinsinnig wie komisch von seinem Aufwachsen in Südafrika und bringt in achtzehn Geschichten die ganze Absurdität und Grausamkeit der Apartheid auf den Punkt. „In Soweto waren alle Menschen schwarz, nur ich nicht. In der Schule waren alle weiß, nur ich nicht. In einem Land mit fünfzig Millionen Einwohnern kannte ich sonst niemanden, der so war wie ich“, schreibt der Sohn einer Xhosa und eines Schweizers und verfasst damit in Zeiten des wiedererstarkenden Rassismus ein Geschenk von einem Buch. (neuf, ORF.at)
Trevor Noah: Farbenblind. Blessing, 336 Seiten, 20,60 Euro.
Das schillernde Universum Hemingways
Es sind die wilden Zwanziger in Paris: durchsoffene Nächte, wilde Affären und der hemmungslose Ehrgeiz eines jungen Schriftstellers. Ernest Hemingway hat nichts Geringeres vor, als die Romanliteratur zu revolutionieren und den großen Zeitgeistroman zu schreiben. Mit „Fiesta“ gelingt ihm dieser Coup und er wird - erst 27-jährig - auf einen Schlag berühmt. Lesley M. M. Blume erforscht das schillernde Universum Hemingways, in dem aus einem unbekannten jungen Autor eine Ikone der Weltliteratur wurde. (neuf, ORF.at)
Lesley M. M. Blume : Und alle benehmen sich daneben: Wie Hemingway seine Legende erschuf. Dtv, 528 Seiten, 24,70 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
Maschinenmenschen
Der israelische Historiker Yuval Harari hat schlechte Nachrichten: Der humanistisch geprägte Homo Sapiens schafft sich durch den technikverstärkten Homo Deus selbst ab. „Sobald die künstliche Intelligenz menschliche Intelligenz überholt, könnte sie die Menschheit ganz einfach auslöschen“, heißt es etwa an einer Stelle. Anhand von drei Kapiteln (der Homo Sapiens erobert die Welt, gibt ihr einen Sinn und verliert die Kontrolle) spannt Harari ironisch den Bogen, belustigt, interessiert und beunruhigt zugleich. (stup, für ORF.at)
Yuval Noah Harari: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen. C. H. Beck, 576 Seiten, 25,70 Euro.
Dauerstress als Gefahr
Die australische Ernährungswissenschaftlerin und Biochemikerin Libby Weaver widmet sich in ihrem Buch Das „Rushing Woman Syndrom“ gestressten Frauen. Es sind ihrer These nach vor allem Frauen, die gesundheitlich unter Dauerstress leiden. Die Wissenschaftlerin zeigt Lösungsansätze auf und beleuchtet die Rolle des Nervensystems, der Hormone und der Verdauung. Die Lösungen gehen dabei zum Teil weiter als der wohlgemeinte Tipp, „früher ins Bett zu gehen“. Ein wertvolles Buch für all jene, die sich gestresst fühlen. (stup, für ORF.at)
Libby Weaver: Das Rushing Woman Syndrom. Was Dauerstress unserer Gesundheit antut. TRIAS, 280 Seiten, 20,60 Euro.
Grundlagen für eine zukunftsfähige Wirtschaft
Als „Wohlstand ohne Wachstum“ vor sieben Jahren erstmals erschien, avancierte es schnell zum Standardwerk. „Unsere gesamte Wirtschaftsordnung baut auf ewigem Wachstum auf – aber nun brauchen wir einen anderen Motor“, lautete die Diagnose des britischen Ökonomen Tim Jackson – und daran hat sich nichts geändert. Das Buch bietet eine fundierte Analyse der Auswirkungen der Finanzkrisen, legt den Fokus auf die ganze Welt und schildert die Herausforderungen und Chancen einer Gesellschaft, welche die ökologischen Grenzen unseres Planeten nicht überschreitet und trotzdem in Wohlstand lebt. (neuf, ORF.at)
Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum - das Update. Oekom, 368 Seiten, 20,60 Euro
Wie gefährlich ist „Foodporn“?
Als „Foodporn“ bekannt, zeigen die millionenfach über Soziale Medien wie Instagram hochgeladenen Bilder vor allem eins: Das Thema Essen fasziniert die Massen. Wenn es um die psychologischen Hintergründe geht, gilt der Oxford-Professor Charles Spence als erklärter und auch von Spitzenköchen und Industrie immer wieder konsultierter Experte. Mit seinem jüngsten Buch geht der Brite nun unter anderem den Fragen auf den Grund, warum laute Chips besser schmecken, was es mit gemeinsamen Essen auf sich hat und ob man über „Foodporn“ besorgt sein soll. (pepr, ORF.at)
Charles Spence: Gastrophysics. The New Science of Eating (engl.). Penguin Books Ltd, 336 Seiten, 25,99 Euro.
Die Suche nach dem einen Ort
Was ist unser Zuhause? Für viele Menschen ist es heute nicht mehr der Ort ihrer Herkunft – doch wo gehören wir dann hin? Der Berliner Autor Daniel Schreiber beschreibt in seinem persönlichen Essay den Umschwung einer kollektiven Empfindung und blickt auf Philosophie, Soziologie und Psychoanalyse, während er seine eigene Geschichte erzählt: von der Kindheit eines schwulen Jungen in der deutschen Provinz, der in der Welt da draußen sein Zuhause suchte und vielleicht auch fand. (neuf, ORF.at)
Daniel Schreiber: Zuhause. Hanser, 144 Seiten, 18,50 Euro.
In der Flüchtlingspension
Im Dezember 2014 eröffnete Elisabeth Steiner in Weitensfeld im österreichischen Gurktal das Flüchtlingsquartier „Bärenwirt“: Im Gasthaus, das schon ihre Großeltern betrieben haben, bietet sie Asylwerbern nicht nur eine Unterkunft, sondern auch einen Ort der Begegnung. Nun lässt die ehemalige Journalistin die ersten zwei Jahre dieser erhofften „Brücke zwischen Okzident und Orient“ Revue passieren, erzählt von ihren Erfahrungen und denkt mit ihrem unerschütterlichen Bekenntnis zum humanitären Handeln darüber nach, was Integration bedeutet und wie sie gelingen kann. (neuf, ORF.at)
Elisabeth Steiner: Fremdenzimmer. Heyn, 112 Seiten, 24,90 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
Würdevoll schnorren lernen von Bukowski
Charles Bukowski kann man im Lauf seines Lebens mehrmals entdecken. In der Pubertät als besoffenen Revoluzzer, später als begnadeten Geschichtenerzähler und Chronisten des Alltags ganz unten, schließlich als Menschen, dessen widerborstige, vor allem aber liebevolle Haltung den Menschen und dem Leben gegenüber trotz aller Verzweiflung nicht umzubringen war. Eine neue Sammlung an Briefen zeigt ihn als Zweifler am eigenen Talent und, ganz oft, als Bittsteller gegenüber Verlegern und Herausgebern. Ein Schnorrer? Vielleicht, aber stets mit Würde und Humor. (hadl, ORF.at)
Charles Bukowski: Über das Schreiben. Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 18,60 Euro.
Wappnen gegen dumme Behauptungen
Nehmen uns Ausländer die Arbeitsplätze weg? Ist die EU undemokratisch? Ist das Kopftuch ein politisches Symbol? Zu Themen wie diesen hat jeder eine Meinung. Das Handbuch gegen Vorurteile liefert objektive Fakten zu Themen wie Ausländerpolitik, Islam, EU und Nationalsozialismus. Praktische Beispiele und aktuelle Studien veranschaulichen die Informationen und machen sie leicht verständlich. Diese völlig überarbeitete und aktualisierte Neuauflage mit sämtlichen Zahlen aus Deutschland und Österreich liefert allen, die sich gegen zweifelhafte Behauptungen wehren möchten, schlagkräftige Argumente. (neuf, ORF.at)
Sebastian Wiese, Nina Horaczek: Gegen Vorurteile. Czernin, 280 Seiten, 14,99 Euro.
Satiriker der Eitelkeiten
Tom Wolfe hat die Forschungen der letzten 150 Jahre zu dem Thema, wie die Sprache in die Welt kam, unter die Lupe genommen. Er schildert den Wissenschaftsbetrieb beißend satirisch als Fegefeuer der Eitelkeiten, in dem Lagerdenken und Klüngelei vorherrschen, und stutzt mit großer Freude Wissenschaftshalbgötter wie Charles Darwin und Noam Chomsky zu kleinlichen, in ihren Dogmen gefangenen, eitlen Pfauen zurecht. Das ist oft unverhohlen tendenziös, überraschend spannend und zum Schreien komisch. (winr, für ORF.at)
Tom Wolfe: Das Königreich der Sprache. Blessing, 224 Seiten, 20,60 Euro.
Große Umbrüche durch die kleine Eiszeit
Wer auf den Klimawandel nicht reagiert, der hat schon verloren – so in etwa lautet die Conclusio von Philipp Bloms neuem Buch. Was auch für heute gilt, buchstabiert Blom vor allem für die Vergangenheit aus. Mit „Die Welt aus den Angeln“ schafft der Autor und Historiker ein raffiniertes Panorama der Kleinen Eiszeit: Temperatureinbrüche, Stürme, Gewitter und andere Wetterkapriolen suchten Europa von Ende 16. bis ins 19. Jahrhunderts heim und wurden zum zentralen Katalysator des sozialen Wandels. (ppfo, für ORF.at)
Philipp Blom: Die Welt aus den Angeln. Eine Geschichte der Kleinen Eiszeit von 1570 bis 1700 sowie der Entstehung der modernen Welt, verbunden mit einigen Überlegungen zum Klima der Gegenwart. Hanser Verlag, 304 Seiten, 24,70 Euro.
Die Geburt der Objektivität
In Zeiten von „Fake News“-Debatten eine überaus aktuelle Frage: Was ist Objektivität? Lorraine Daston und Peter Galison, Wissenschaftshistoriker am Max-Planck-Institut in Berlin beziehungsweise an der Harvard-Universität, beantworten diese Frage historisch, anhand wissenschaftlicher Abbildungen. Objektivität markiert den Übergang vom idealtypischen Bild hin zur realistischen Abbildung, zur ehrlichen Momentaufnahme. Eine lohnende erkenntnistheoretische Entdeckungsreise für alle, die keine Scheu vor theorielastiger Wissenschaftsliteratur haben. (hadl, ORF.at)
Lorraine Daston und Peter Galison: Objektivität. Suhrkamp, 530 Seiten, 35,80 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
Was machte Hannibal in den Alpen wirklich?
Einen Streifzug durch die auch heimische Gebirgswelt in der Antike unternimmt Ralf-Peter Märtin in seinem Buch „Die Alpen in der Antike“ und weiß Faszinierendes von der ersten Besiedelung der Gebirgszüge über Ötzi bis hin zur Überquerung mit Elefanten durch den karthagischen Feldherren Hannibal und später der Völkerwanderung zu berichten. Auch und warum ausgerechnet die Alpen eine hohe Bedeutung für das antike Rom hatten, wird spannend und voll Detailwissen erklärt. Und Märtin räumt in seinem Buch mit so manchem Alpenmythos auf. (baue, ORF.at)
Ralf-Peter Märtin: Die Alpen in der Antike. S. Fischer, 208 Seiten, 22,70 Euro.
In der Bar mit den Bohemiens der DDR
Berlin, Leipzig, Dresden: In den zerfallenden Häusern der Städte entwickelte sich in den 1950er Jahren eine subkulturelle Szene, auf der Suche nach dem richtigen Leben im falschen System – im System DDR. In „Stierblutjahre“, benannt nach dem ungarischen Rotwein, der in den Cafes und Bars Ostberlins getrunken wurde, erzählt die Journalistin und Autorin Jutta Voigt von dieser „Boheme des Ostens“, die vier Jahrzehnte existieren sollte. Auch bekannte Namen wie Berthold Brecht, Christa Wolf und Manfred Krug tauchen in Voigts Chronik auf, in der die Grenzen zwischen Reportage und Literatur verschwimmen. (beer, für ORF.at)
Jutta Voigt: Stierblutjahre: Die Boheme des Ostens. Aufbau Verlag, 272 Seiten, 20,52 Euro.
Was hinter dem Essen steckt
Kochbücher boomen, Essen wird immer mehr zum Mittel zur Abgrenzung und Selbstdarstellung. Doch so neu ist das gar nicht, wie Christine Ott zeigt. In „Identität geht durch den Magen“ versucht sie die Mythen der Esskultur, so auch der Untertitel des Buches, aus verschiedenen Perspektiven und Ansätzen von ethnologisch bis philosophisch zu klären. Der Nationalismus in der Küche spielt darin genauso eine große Rolle wie die Geschlechterdifferenz und religiöse Speisevorschriften. (baue, ORF.at)
Christine Ott: Identität geht durch den Magen. S. Fischer Wissenschaft, 496 Seiten, 26,80 Euro.
Zeitgenössische Fotografen im Überblick
Ob Landschafts-, Porträt-, Akt- oder Modefotografie - „50 zeitgenössische Fotografen, die man kennen sollte“ stellt einige der wichtigsten Fotografen unserer Zeit nach Geburtsjahr geordnet auf jeweils einer Doppelseite vor. Von David Bailey, der sich der Fashion- und Porträtfotografie widmet und das „Rolling London“ der 1960er mit der Kamera einfing, bis hin zu Richard Mosse, einem jungen irischen Fotografen, dem durch seine verfremdenden Infrarotaufnahmen von der Landschaft und den Soldaten im Kongo eine ungewöhnliche Perspektive auf dieses Land gelingt. (neuf, ORF.at)
Brad Finger, Florian Heine: 50 zeitgenössische Fotografen, die man kennen sollte. Prestel, 160 Seiten, 20,60 Euro.
Abrechnung mit „homophober“ Kirche
In seinem Buch „Der erste Stein" rechnet der ehemalige Vatikan-Prälat Krzysztof Charamsa mit der römisch-katholischen Kirche ab. Dabei teilt er kräftig gegen einen homophoben Klerus aus, auch die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus bleiben nicht verschont. Seine Homosexualität betrachtet Charamsa als „Geschenk Gottes“. Doch „meine Kirche stellt die Homosexuellen immer noch als bestialische und gefährliche Feinde der Familie dar, als Zerstörer des häuslichen Harmonie und der Ehe“. (gril, ORF.at)
Krzysztof Charamsa: Der erste Stein. Als homosexueller Priester gegen die Heuchelei der katholischen Kirche. C. Bertelsmann, 320 Seiten, 20,60 Euro.
Querfeldein durch Deutschland
6,2 Prozent der Fläche Deutschlands sind komplett versiegelt. Was aber liegt dazwischen? Der „Zeit“-Reporter Henning Sußebach will es wissen und wandert los – abseits der Straßen, abseits von Beton und Asphalt, quer durchs Hinterland. Auf der 50-tägigen Wanderschaft von der Ostsee bis zur Zugspitze erlernt er nicht zuletzt die Demut. Erkennt, wie allzu selbstgewiss Großstädter wie er selbst – und zumal viele seiner Journalistenkollegen – die Deutungshoheit für Stadt und Land für sich in Anspruch nehmen. (amus, für ORF.at)
Henning Sußebach: Deutschland ab vom Wege. Eine Reise durch das Hinterland. Rowohlt, 184 Seiten, 20,60 Euro.
Comeback der guten alten Dinge
In seinem neuen Buch „Die Rache des Analogen“ beschreibt der kanadische Autor David Sax ein stilles Comeback von Schallplatten, Buchhandlungen und des guten alten Notizbuchs. Für seine Recherche reiste Sax durch sein Heimatland, die USA und Europa - um festzustellen, dass es überall Menschen gibt, die auf die digitalen Umwälzungen mit Trotz und konstruktivem Widerstand reagieren. (amus, für ORF.at)
David Sax: Die Rache des Analogen - Warum wir uns nach realen Dingen sehnen. Residenz Verlag, 314 Seiten, 24,70 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
Dramatik im Eis
Er galt als blinder Fleck, als Ende der Welt und ewig ungelöstes Geheimnis: der Nordpol. Im Juli 1879 schickte ein verrückter Zeitungsverleger auf der Jagd nach Sensationsgeschichten 33 Männer ins Eis – fest überzeugt von der Theorie eines offenen Polarmeeres. Doch nördlich der Beringstraße blieb die „USS Jeannette“ im Packeis stecken. Was folgte, war einer der härtesten Überlebenskämpfe der Geschichte. Mit erzählerischer Kraft und Gespür für Dramaturgie entfaltet Hampton Sides die tragische Geschichte dieser großen, gescheiterten Polarexpedition. (neuf, ORF.at)
Hampton Sides: Die Polarfahrt. Mare-Verlag, 592 Seiten, 28,80 Euro.
Warum sind wir, wie wir sind?
Pulitzerpreisträger und Bestsellerautor Siddhartha Mukherjee erzählt fesselnd die Geschichte der Entzifferung des Mastercodes, der unser Menschsein bestimmt. Warum sind wir so, wie wir sind? Was ist in der Familie angelegt, was erworben? Was können wir selbst bestimmen? Von den Erbsenkreuzungen Mendels bis zur neuesten Genbearbeitungsmethode CRISPR schreibt Mukherjee den spannenden Roman einer wissenschaftlichen Suche und verwebt ihn mit der Geschichte seiner eigenen Familie. (neuf, ORF.at)
Siddhartha Mukherjee: Das Gen. Eine sehr persönliche Geschichte. S. Fischer, 768 Seiten, 26,80 Euro
Wissen an die Macht
Der Philosoph Jason Brennan erhebt eine provokante Forderung: Die Demokratie soll endlich nach ihren Ergebnissen beurteilt werden. Und die seien keineswegs überzeugend. Demokratie führe oft dazu, dass lautstarke Meinungsmacher den Bürgern ihre Entscheidungen aufzwingen. Brennan sieht die Mehrheit der Wähler uninformiert, grundlegende ökonomische und politische Zusammenhänge nicht begreifend, aber dennoch maßgeblich Einfluss auf die Politik ausübend. Anhand prägnanter Beispiele will der Autor zeigen, dass eine gemäßigte Epistokratie – eine Herrschaft der Wissenden – die sinnvollere Regierungsform im 21. Jahrhundert wäre. (neuf, ORF.at)
Jason Brennan: Gegen Demokratie. Ullstein, 464 Seiten, 24,70 Euro.
Rebellion im Atlantik
Der renommierte US-amerikanische Historiker Marcus Rediker, dessen „Vielköpfige Hydra“ auch im deutschsprachigen Raum große Aufmerksamkeit erregt hat, hat ein neues Buch über die Geschichte der Seefahrt im Atlantik vorgelegt. Aus der Sicht rebellischer Seeleute, Versklavter und anderer Gesetzloser macht er deutlich, wie der Aufstieg des Kapitalismus, die Globalisierung und die Herausbildung von Ethnien und Klassen vom späten 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert möglich war. (behr, für ORF.at)
Marcus Rediker: Gesetzlose des Atlantiks. Piraten und rebellische Seeleute in der frühen Neuzeit. Mandelbaum, 310 Seiten, 18 Euro.
Alle Päpste in einem Buch
Der Historiker Volker Reinhardt hat sich mit seinem Buch „Pontifex“ Gewaltiges vorgenommen: Auf über 900 Seiten will er einen Überblick über sämtliche Päpste der römisch-katholischen Kirche geben. Reinhardt geht in seiner Arbeit über die „Ausnahme-Institution“ Papst-Amt chronologisch vor, doch beschränkt er sich nicht auf lexikonähnliche Lebensläufe: Jeweils mehrere Päpste werden in 14 Kapiteln mit je mehreren Unterkapiteln einer Epoche zugeschlagen und mit den historischen und politischen Hintergründen behandelt. (gril, ORF.at)
Volker Reinhardt: Pontifex. Die Geschichte der Päpste. Von Petrus bis Franziskus. C. H. Beck, 928 Seiten, 39,10 Euro.
Die Zeichen der Zeit
Mit „Unruhe vor dem Sturm“ legt Richard Schuberth eine neue, zweibändige Sammlung von Essays, Predigten, Polemiken und Satiren vor, die sprachwitzig und -gewaltig die Zeichen der Zeit zu deuten verstehen. Behandelt werden die Flüchtlingskrise und der Terrorismus, die Austerität in Griechenland, der „Brexit“, Islam und „unsere“ Werte, aber auch Wladimir Putin, Conchita Wurst, Hipsterbärte und Illusionen der sozialen Echoräume. (satt, ORF.at)
Richard Schuberth: Unruhe vor dem Sturm. Drava, 300 Seiten, 21,50 Euro.
Zwei Stimmen für Reformen des Islam
Der Islam braucht Reformen. Darüber sind sich der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide und der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad einig, ihre Ansätze unterscheiden sich allerdings gewaltig. Khorchide und Abdel-Samad entschlossen sich zu einer gemeinsamen Streitschrift zur Reformierbarkeit - oder eben Nichtreformierbarkeit - des Islam. In dem Buch „Ist der Islam noch zu retten?“ legen beide Islamkenner ihre brisanten Thesen dar. (gold, ORF.at)
Hamed Abdel-Samad, Mouhanad Khorchide: Ist der Islam noch zu retten? Droemer, 303 Seiten, 19,99 Euro.
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