Drohung an Medien
US-Präsident Donald Trump hat mit einer ersten Reaktion auf die massiven Proteste gegen ihn ein eigenartiges Demokratieverständnis offenbart. Auf Twitter schrieb er am Sonntag, er habe das verfolgt, allerdings habe es doch vor Kurzem eine Wahl gegeben. Den Demonstranten unterstellte er indirekt, dass sie nicht zur Wahl gegangen seien.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Warum haben diese Leute nicht gewählt?“, schrieb Trump und erweckte so den Eindruck, als halte er Demonstrationen nach einer erfolgten Wahl grundsätzlich für sinnlos. Außer Acht ließ er dabei die Tatsache, dass deutlich mehr Wähler bei der Wahl für seine Konkurrentin Hillary Clinton gestimmt haben als für ihn. Clinton hatte einen Vorsprung von 2,9 Millionen Stimmen, die Eigenarten des US-Wahlsystems brachten dennoch Trump den Sieg.
Etwa eine Stunde später schob Trump hinterher: "Friedlicher Protest ist ein Markenzeichen unserer Demokratie. Auch wenn ich nicht immer einverstanden bin, akzeptiere ich das Recht der Menschen, ihren Ansichten Ausdruck zu verleihen."
„Promis schaden der Sache sehr“
Zum Auftreten zahlreicher Berühmtheiten auf den Demos schrieb Trump: „Promis schaden der Sache sehr.“ Allein in den USA war am Samstag eine siebenstellige Zahl von Menschen zum friedlichen Anti-Trump-Protest auf die Straße gegangen. Weltweit dürften es Schätzungen zufolge mehr als 2,5 Millionen gewesen sein.
Allein in Washington versammelten sich Hunderttausende zu einer der größten Demonstrationen in den USA seit Langem. Noch größer, auf 750.000 Menschen, wurde die Menge in Los Angeles geschätzt. In New York waren es 250.000. Hohe Zahlen wurden auch von Anti-Trump-Demos in London und Paris gemeldet. Sie forderten die Wahrung von Menschen- und Bürgerrechten und traten gegen Hass und Intoleranz ein.
Madonna, Emma Watson, Scarlett Johansson
Die Proteste richteten sich unter anderem gegen Frauenfeindlichkeit, Gewalt, Rassismus, Homophobie und religiöse Intoleranz. Die Demonstrationen waren schon seit Längerem geplant gewesen, aber Trumps unversöhnliche, düster-aggressive Antrittsrede im Stil seines Wahlkampfs mobilisierte anscheinend die Menschen zusätzlich. Vielerorts wurden die Erwartungen der Veranstalter bei Weitem übertroffen, so in Washington, wo zunächst mit 200.000 Demonstranten gerechnet worden war.
Prominente wie die Schauspielerinnen Emma Watson, Ashley Judd und Scarlett Johansson sowie die Sängerinnen Madonna und Alicia Keys feuerten hier die Menge an. Madonna trat vor den Demonstranten auf die Bühne und hielt eine Rede, in der sie heftig über den neuen Präsidenten herzog. Madonna rief die Frauen auf, ihre Weigerung deutlich zu machen, „dieses neue Zeitalter der Tyrannei zu akzeptieren“. Alle Minderheiten im Land seien „in Gefahr“, warnte Madonna.
„Das größte Publikum, das es je gab“
Trump hatte am Tag der Proteste erneut einen kräftigen Hieb in Richtung Medien ausgeteilt, denen er via seinen Sprecher vorwerfen ließ, dass diese die Zahl der Zuseher bei der Angelobung am Freitag bewusst kleingeschrieben hätten. Die Presse habe den Eindruck erwecken wollen, dass deutlich weniger Menschen zur Amtseinführung in Washington gekommen seien, als dies der Fall gewesen sei, sagte sein Sprecher Sean Spicer Samstagabend.

Reuters/Lucas Jackson, Stelios Varias
20. Jänner 2017 versus 20. Jänner 2009, 12.00 Uhr: ein Bild vom Publikumsandrang bei Trumps Amtseinführung neben einer Aufnahme von den Zuschauern bei der Vereidigung seines Vorgängers Barack Obama
„Das war das größte Publikum, das je bei einer Vereidigung dabei war. Punkt.“ Spicer kritisierte insbesondere, dass Fotos auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet worden seien, die große leere Flächen auf dem Parkstreifen vor dem Kapitol zeigten, wo Trump am Freitag den Amtseid ablegte.
Medien sollen zur Rechenschaft gezogen werden
In den Medien werde viel darüber geredet, dass es eine Pflicht gebe, Trump zur Rechenschaft zu ziehen. „Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass das für beide Seiten gilt. Wir werden die Medien ebenso zur Rechenschaft ziehen.“ Spicer ließ keine Fragen der Journalisten zu.
Links: