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Berichte von Schüssen auf Buskonvoi

Die Evakuierung des syrischen Ostaleppo ist am Freitag inmitten gegenseitiger Schuldzuweisungen der Konfliktparteien abgebrochen worden. In Rebellenkreisen wurden Schiitenmilizen auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad beschuldigt, auf die Buskonvois gefeuert zu haben. Regierungsfreundliche Milizen forderten unterdessen, dass auch Verletzte aus zwei von Rebellen eingekesselten Dörfern in Sicherheit gebracht werden müssten.

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Wie viele Menschen noch in den Ruinen der syrischen Bürgerkriegsstadt ausharren, ist völlig offen. „Wir gehen davon aus, dass die Evakuierung - sofern sie denn weiterläuft - noch mehrere Tage dauern wird“, sagte dazu die Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes, Alexandra Burck, gegenüber der Deutschen Welle (DW). Nach Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums hätten alle Zivilisten und die meisten Rebellen Ostaleppo verlassen.

Kinder spielen in Aleppo

APA/AFP/Youssef Karwashan

Laut UNICEF sitzen auch Hunderte Kinder in Ostaleppo weiter fest

Burck zufolge seien in den vergangenen Tagen zwar rund 50.000 Menschen aus dem Ostteil Aleppos entweder in den Westteil der Stadt bzw. in die von den Rebellen kontrollierten Gebiete in der Region Idlib geflohen - es sei aber völlig unklar, „wie viele Menschen sich da noch verborgen halten und wie viele noch evakuiert werden müssen“.

UNO fordert Wiederaufnahme von Transporten

Wie Regimegegner über Soziale Netzwerke am Freitag berichteten, seien „noch immer Tausende in der Stadt“. Der UNO-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, schätze die Zahl der in Ostaleppo noch festsitzenden Menschen Freitagfrüh sogar auf bis zu 50.000.

Nach Einschätzung des UNO-Kinderhilfswerks (UNICEF) seien auch Hunderte Kinder, darunter auch Waisen, noch in der Stadt gefangen. „Wenn diese Kinder nicht sofort evakuiert werden, könnten sie sterben“, wie UNICEF-Chef Anthony Lake am Freitag per Aussendung mitteilte. Auch der scheidende UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, demzufolge Aleppo mittlerweile zum „Synonym für Hölle“ geworden sei, rief alle Konfliktparteien in Syrien auf, die erst am Vortag gestarteten Evakuierungen aus Aleppo wieder aufzunehmen.

Russland: 9.500 Zivilisten aus Stadt gebracht

Die syrische Hilfsorganisation Weiße Helme berichtet von etlichen „Gestrandeten“, die nach dem Aussetzen der Evakuierungsmaßnahmen vergeblich auf die Rückkehr der Buskonvois warteten. BBC-Angaben zufolge sei es vielen Menschen aber auch gelungen, auf eigene Faust in die von den Rebellen kontrollierten Gebiete westlich von Aleppo zu fliehen.

Rebellengruppen zufolge seien bisher wenigstens 6.000, nach Angaben der oppositionsnahen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien mindestens 8.000 Menschen in Bussen aus Ostaleppo gebracht worden. Russland sprach am Freitag von über 9.500 Zivilisten. Die Rede war hier auch von über 300 Verwundeten und 4.500 Kämpfern.

Menschen aus Aleppo steigen aus den Bussen

Reuters/Ammar Abdullah

Ankunft in der Stadt al-Raschidin

Am Freitag wurden die Hilfsorganisationen dann aufgefordert, Busse und Ambulanzfahrzeuge aus den Rebellengebieten im Osten der Stadt abzuziehen, sagte Elizabeth Hoff, eine Mitarbeiterin der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Idlib „das nächste Aleppo“?

Unklar blieb unterdessen auch, wo die aus Aleppo gebrachten Menschen unterkommen. Die Türkei kündigte den Aufbau eines Flüchtlingslagers für bis zu 80.000 Menschen nahe der Grenze an. Erwartet würden dort zunächst 30.000 bis 35.000 Menschen. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge werden die Menschen nach Idlib gebracht.

Karte zeigt Aleppo

Grafik: APA/OSM/ORF.at; Quelle: liveuamap.com

Das syrische Regime sprach von einem „sicheren Ort“ unter Kontrolle der Rebellengruppe Freie Syrische Armee (FSA). Die Stadt und gleichnamige Provinz war allerdings wiederholt Ziel russischer und syrischer Luftschläge. De Mistura warnte angesichts dessen bereits, ohne eine Feuerpause oder eine politische Abmachung „wird Idlib das nächste Aleppo“.

Straßensperren und Proteste

In Aleppo wurden unterdessen erneut Straßensperren errichtet. Ein Buskonvoi musste deshalb umkehren. Die Rebellen im Osten der Stadt waren nach Angaben eines ihrer Kommandeure in höchster Alarmbereitschaft, weil mit der Regierung verbündete Kämpfer den Abzug von Zivilisten verhindert und schwere Waffen an der Ausfallsstraße aufgebaut hätten. Auf der Regierungsseite hieß es, die Evakuierung sei gestoppt worden, weil die Rebellen versucht hätten, Gefangene und Waffen aus der Enklave zu schmuggeln. Die Rebellen wiesen diese Vorwürfe zurück.

Demonstranten blockierten eine Straße, die von den Konvois genutzt wurde. Sie forderten nach Darstellung der Schiitenmiliz Hisbollah die Evakuierung zweier schiitischer Dörfer, die in der Provinz Idlib von Aufständischen belagert werden. Der Iran hatte verlangt, dass die beiden Dörfer Fua und Kefraja unter die Abmachungen der Waffenruhe für Aleppo fielen.

In Rebellenkreisen hieß es später, die an der Einkesselung beteiligten Gruppen hätten sich darauf verständigt, die Verletzten abziehen zu lassen. Anderen Angaben zufolge lehnt die Gruppe Dschabhat Fatah al-Scham, der früher unter dem Namen Al-Nusra-Front bekannte Al-Kaida-Ableger, die Vereinbarung ab.

Anadolu: Tote bei Schüssen auf Busse

BBC-Angaben zufolge gibt es zudem unbestätigte Berichte, wonach ein Buskonvoi von regimetreuen Milizen unter Beschuss genommen worden sei. Verwiesen wurden in diesem Zusammenhang auch auf einen Bericht der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, wonach mehrere Menschen bei dem Zwischenfall ums Leben gekommen seien.

Auch USA für UNO-Beobachter

Die USA unterstützen mittlerweile den französischen Vorschlag zur Entsendung von UNO-Beobachtern nach Aleppo. „Wir unterstützen die französische Initiative für eine Sicherheitsratsresolution, die den Bedarf nach Beobachtung, humanitärer Hilfe und sicherer Evakuierung ausdrückt“, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power. Ihr französischer Kollege Francois Delattre hatte den Vorschlag am Vortag aufgebracht.

Russland zeigte sich jedoch skeptisch. Einige Elemente des Vorschlags seien „fragwürdig“, sagte der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin: „Zu denken, dass man das in zwei oder drei Tagen organisieren kann, ist sehr unrealistisch.“

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