Exilpolitiker hofft auf EU-Eingreifen
Der blutige Kampf um Ostaleppo hat am Donnerstag auch die Staats- und Regierungschefs der EU beschäftigt. Während sich die europäischen Spitzenpolitiker trafen, begann die Evakuierung des bisher von den Rebellen kontrollierten Gebiets. In Brüssel richtete der oppositionelle Bürgermeister des Stadtteils, Brita Hagi Hassan, einen Appell an die politischen Entscheidungsträger.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Er wolle den Staats- und Regierungschefs eine „Botschaft der Menschlichkeit bringen“, sagte Hassan. Zu Mittag traf sich der Politiker der syrischen Opposition mit EU-Ratspräsident Donald Tusk. „Wir warten auf Taten anstelle von Worten“, sagte der Bürgermeister bei dem Treffen. Tusk versicherte, er wisse, dass die Bevölkerung in Aleppo keine weiteren Beleidsbekundungen benötige. „Was Sie jetzt brauchen, ist wirklicher und effektiver Schutz und Unterstützung“, so Tusk.
Vorsitzender des lokalen Rats
Hassan ist Vorsitzender des lokalen Rates von Aleppo. Das Gremium hatte die Verwaltung in den von den Aufständischen kontrollierten Stadtteilen inne. Die Assad-Regierung erkennt den Rat nicht an. Sie spricht von den Rebellen generell als Terroristen.
Laut EU-Ratspräsident ist es auch das, was die EU will. „Bitte glauben Sie mir, wir wollen effektiver sein“, sagte Tusk. Im Anschluss an das Gespräch wurde Hassan von den versammelten Staats- und Regierungschefs empfangen, um noch einmal die Lage dort zu schildern. Die spontane - offenbar vom französischen Präsidenten Francois Hollande eingeforderte - Einladung vor die Gipfelteilnehmer gilt als beispiellos.
„Aufschrei der Verzweiflung“
Am Vortag hatte sich Hassan mit einem „Aufschrei der Verzweiflung" an die EU-Spitzen gewandt. Ich bitte Sie, die Leben von uns, unseren Frauen und Kindern zu retten“, heißt es in dem an den Rat adressierten Brief Hassans. „Wir bitten kein Land darum, in den Krieg zu ziehen. Worum wir bitten, ist, die Zivilisten zu evakuieren und Korridore zu sichern“, sagte der Bürgermeister am Donnerstag vor Journalisten. Die EU solle Einheiten schicken, die das überwachten.

ORF.at/Martin Steinmüller
Der Exilbürgermeister von Ostaleppo hofft auf ein Eingreifen der EU
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte bei ihrer Ankunft vor dem Gipfel, Vertreter der EU arbeiteten „buchstäblich Tag und Nacht daran“, um die Zivilisten aus Ostaleppo in Sicherheit zu bringen. Sie habe eben erst mit dem iranischen Außenminister telefoniert. Zugleich liefen Verhandlungen im Rahmen der UNO, so Mogherini. „Für uns ist völlig inakzeptable, was zurzeit mit Zivilisten passiert. Unsere Priorität ist der Schutz der Zivilisten“, sagte die EU-Außenbeauftragte.
Internationale Gemeinschaft „versagt“
Bereits vergangene Woche hatte sich Hassan mit Hollande getroffen und um Hilfe gebeten. Laut dem syrischen Oppositionspolitiker hat die internationale Gemeinschaft in Syrien versagt. „Die Idee des internationalen Rechts wurde in Aleppo, in Syrien getötet“, so Hassan. Er sprach von einem „Schweigen der UNO, das verzweifeln lässt“.
Laut Hassan befinden sich noch 800 schwer und rund 5.000 leicht verletzte Menschen in Ostaleppo, „die evakuiert werden müssen. Besonders weil alle Krankenhäuser zerstört wurden“, so der Exilbürgermeister. Berichte, wonach der IS versuche, mit Hilfe der Rebellen in die Stadt zu gelangen, wies er entschieden zurück. Es seien die Aufständischen gewesen, die 2013 die Terrormiliz aus Aleppo vertrieben, sagte Hassan.
Er selbst sei das letzte Mal im Juli 2016 in Aleppo gewesen, so der Politiker. Zu Beginn der Belagerung Aleppos war Hassan nach eigenen Angaben nicht in der Stadt, sondern mit einer Delegation in Frankreich. Seither sei ihm der Zugang in die Stadt verwehrt, und er lebe im über 60 Kilometer entfernten Idlib. Seit Ende November ist Hassan in Europa unterwegs und bittet um Hilfe für die Bevölkerung Aleppos.
Martin Steinmüller, ORF.at, aus Brüssel
Links: