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Preis soll „Kraft geben“

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos. Das teilte das Nobelpreiskomitee am Freitag in Norwegens Hauptstadt Oslo mit. Santos zeigte sich von der Entscheidung „überwältigt“. Er galt bereits im Vorfeld als Favorit.

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Nachdem die Kolumbianer in einem Referendum knapp gegen den Friedensvertrag gestimmt hatten, den die Regierung und die linke FARC-Guerilla ausgehandelt hatten, schrumpften allerdings die Hoffnungen auf einen dauerhaften Frieden in dem Land nach mehr als einem halben Jahrhundert des Konflikts wieder. Das heiße nicht zwangsläufig, dass der Friedensprozess damit am Ende sei, teilte das Nobelpreiskomitee mit. „Das Referendum war keine Abstimmung für oder gegen Frieden.“

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos,FARC-Führer Rodrigo Londono und Kubas Präsident Raul Castro

APA/AFP/Luis Acosta

Santos, der kubanische Präsident Raoul Castro und FARC-Chef Timoleon „Timochenko“ Jimenez (v. l. n. r.) nach der Unterzeichung des Friedensabkommens auf Kuba

Der Präsident habe klargestellt, „dass er bis zu seinem letzten Tag im Amt weiter auf Frieden hinarbeiten will“, sagte die Vorsitzende des norwegischen Nobelpreiskomitees, Kaci Kullmann Five, am Freitag. „Das Komitee hofft, dass der Friedenspreis ihm Kraft geben wird, diese herausfordernde Aufgabe zu meistern.“

Santos „überwältigt“

Santos ist nach Angaben der Jury „überwältigt“ von der Zuerkennung des Friedensnobelpreises. „Es ist früh am Morgen, deshalb hatte er sich gerade erst den Schlaf aus den Augen gerieben“, sagte der Sekretär des Nobelkomitees, Olav Njölstad, dem Fernsehsender NRK, nachdem er den Preisträger erreicht hatte. „Er war sehr dankbar und sagte sofort, dass das unschätzbar wichtig für den weiteren Friedensprozess in Kolumbien sei.“

Anerkennung auch für Bevölkerung

Dass die Jury FARC-Chef Jimenez nicht ebenfalls mit der Auszeichnung bedacht hat, wollte Kullmann Five nicht kommentieren. „Wir sagen nie, wieso jemand den Preis nicht bekommen hat.“ Santos erhalte die Auszeichnung für seine entschlossenen Anstrengungen, den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg in seinem Land zu beenden, so das Komitee weiter.

Die Anerkennung gelte auch dem kolumbianischen Volk, das die Hoffnung auf Frieden nicht aufgegeben habe, sowie den zahlreichen Opfern des Krieges. Der längste bewaffnete Konflikt Lateinamerikas forderte mindestens 220.000 Menschenleben. Millionen wurden vertrieben und die wirtschaftliche Entwicklung des öl- und kohlereichen Landes gebremst.

Gratulationen für Santos

UNO-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi gratulierte Santos „von Herzen“ zu dem Nobelpreis. Die Auszeichnung sei eine Anerkennung für das „politische Engagement bei dem Bestreben nach Frieden“, schrieb Grandi am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter. Der Kurs solle beibehalten werden, so der Kommissar des UNO-Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR).

Er sei selbst vor nicht allzu langer Zeit in Kolumbien gewesen und habe das außerordentliche Engagement aller Beteiligten beobachten können, sagte Grandi in Genf. Mit dem Einsatz von Regierung, FARC-Guerilla und Zivilgesellschaft könnten die aktuellen Hürden überwunden werden.

Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte. Santos habe der ganzen Region dringend benötigte neue Hoffnung auf ein Ende des Blutvergießens verliehen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Der Nobelpreis sei „eine Ermutigung, diesen Weg weiter zu beschreiten“. Merkel kenne Santos als einen Mann, der für sein Land die Vision des Friedens und der Versöhnung nach Jahrzehnten eines grausamen Konflikts habe. Dieser Konflikt habe Kolumbien viel zu lange in seiner Entwicklung gelähmt.

In mehreren Regierungen tätig

Santos gehörte als Handels- und Finanzminister verschiedenen Regierungen an. Unter Präsident Alvaro Uribe war er als Verteidigungsminister für eine Militäroffensive gegen die FARC verantwortlich. Bei der Präsidentenwahl 2010 präsentierte er sich als Erbe seines politischen Ziehvaters Uribe. Als er aber 2012 die Friedensgespräche mit der FARC einleitete, überwarf er sich mit dem konservativen Hardliner, der zum erbitterten Gegner des Abkommens wurde - und mit seinern „No“-Kampagne siegte. Nun muss Santos auch mit dem Uribe-Lager verhandeln.

Aus einflussreicher Familie

Santos studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität von Kansas in den USA und öffentliche Verwaltung in Harvard. Später stieg er in das Verlagsgeschäft seiner Familie ein, die lange die größte kolumbianische Tageszeitung „El Tiempo“ kontrollierte. Er stammt aus einer der einflussreichsten Familien des Landes. Sein Großonkel Eduardo Santos war von 1938 bis 1942 Präsident Kolumbiens, sein Cousin Francisco Santos war Vizepräsident unter Uribe, auch er ein Gegner des Vertrages mit der FARC.

Fast 400 Kandidaten

Noch nie waren mehr Menschen und Organisationen für die prestigeträchtige Auszeichnung nominiert. 376 Kandidaten standen auf der Liste für den Nobelpreis 2016. Bekannt wurde allerdings im Vorfeld nur ein Bruchteil der Nominierungen - zum Beispiel die der Weißhelme, einer Organisation aus syrischen Bürgern, die Verletzte nach Bombenangriffen aus den Trümmern ziehen und so viele Leben gerettet haben.

„Sie zeigen, dass es nicht immer die weißen Ritter von außerhalb sind, die den größten Unterschied machen, sondern oft die Einheimischen“, sagte der Osloer Friedensforscher Kristian Harpviken. Hollywood-Stars wie Ben Affleck und George Clooney warben in einer Kampagne für einen Nobelpreis für die Syrer. Auch der mutige Einsatz bei der Rettung von Bootsflüchtlingen soll auf der Liste gestanden sein: für die Bewohner der griechischen Inseln, die Flüchtlinge beherbergen, sowie Schauspielerin Susan Sarandon.

Tunesisches Quartett 2015 ausgezeichnet

Im vergangenen Jahr hatte die norwegische Nobeljury das tunesische Quartett für den nationalen Dialog (UTICA) - einen Zusammenschluss aus Gewerkschaftsverband, Arbeitgeberverband, Menschenrechtsliga und Anwaltskammer - für den gemeinsamen Einsatz für Demokratie in Tunesien geehrt.

Wided Bouchamaoui, Houcine Abbassi,  Abdessattar ben Moussa, Mohamed Fadhel Mahmoud

APA/AFP/Fethi Belaid

UTICA-Präsidentin Wided Bouchamaoui, UGTT-Generalsekretär Houcine Abbassi, LTDH-Präsident Abdessattar ben Moussa und der Präsident der Anwaltskammer, Mohammed Fadhel Mahmoud

Die mit acht Millionen schwedischen Kronen (rund 830.000 Euro) dotierte Auszeichnung wird als einziger Nobelpreis nicht in Stockholm, sondern in Oslo verkündet. In der norwegischen Hauptstadt wird der Friedensnobelpreis am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel, auch überreicht.

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