Umstrittene Punkte werden nachgebessert
Die Verhandlungen über das umstrittene Freihandelsabkommen CETA sind offenbar auf der Zielgeraden. Umstrittene Punkte der Vereinbarung zwischen der EU und Kanada sollen nachgebessert werden, sagte der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Freitag beim informellen EU-Handelsministerrates in Bratislava.
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Die EU-Kommission habe zugesagt, bei wichtigen Themen „Klarheit“ zu schaffen, so Gabriel nach den Gesprächen in der slowakischen Hauptstadt. Nachbesserungen bei CETA sollen laut dem SPD-Politiker folgende Punkte betreffen: die Daseinsvorsorge, die Nachhaltigkeit des Arbeitnehmerschutzes, die Durchsetzung des Vorsorgeprinzips, den Verbraucherschutz sowie die Unabhängigkeit der Investitionsschiedsgerichte.
Die umstrittenen Schiedsgerichte als Streitschlichtungsinstanz würden vorläufig nicht in Kraft treten, darüber seien sich die Handelsminister einig, sagte Gabriel weiter. Sie werden also erst eingeführt, wenn alle nationalen Parlamente das Abkommen ratifiziert haben. Außerdem habe man sich geeinigt, dass die für Handel zuständigen Minister der Mitgliedsländer am 18. Oktober zu einem außerordentlichen Treffen zusammenkommen, um die formale Entscheidung über CETA zu treffen. Man wolle verhindern, dass das Thema als Randnotiz im Rahmen des ohnehin geplanten Außenministertreffens abgehandelt wird.
Mitterlehner: „Fragen sind geklärt“
Die Schiedsgerichte zur Beilegung von Differenzen zwischen Firmen und Staaten würden erst eingesetzt, wenn alle nationalen Parlamente dem Abkommen zugestimmt haben, berichtete auch Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in Bratislava. Hier seien Kanada und die EU-Kommission Österreich entgegengekommen.
Dazu komme eine Absicherung vor „Privatisierungsdruck“ für Bereiche wie Daseinsvorsorge, Gesundheit, Pensionen, Bildung und kommunale Dienstleistungen. Bisher seien im Vertrag schon einige Bereiche beispielhaft als Ausnahmen erwähnt, nun werde sich Kanada in einer verbindlichen Erklärung verpflichten, dass die Privatisierung auch für andere Branchen nicht beabsichtigt sei.
Mitterlehner vom EU-Handelsgipfel
Aus Sicht Mitterlehners sind mit dem Treffen der Handelsminister der EU-Länder die Voraussetzungen geschaffen, damit auch Österreich CETA unterzeichnen kann.
Mitterlehner hatte schon vor Beginn des Treffens klargemacht, dass er die Bedenken der SPÖ nicht teilt. Die Inhalte seien eingebracht, „aus unserer Sicht sind die Fragen geklärt - das ist jetzt meine Sicht als Koalitionspartner und Wirtschaftsminister“, sagte er. „Mögliche Interpretationsfragen“ könne man in einer rechtsverbindlichen Deklaration klären.
Kern: Zu früh für abschließende Bewertung
Für eine abschließende Bewertung sei es noch zu früh, aber „die Dinge bewegen sich jedenfalls in die richtige Richtung“, so Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zur Einigung der EU-Handelsminister, wonach die umstrittenen Schiedsgerichte in CETA vorläufig nicht in Kraft treten. Bis zur abschließenden Bewertung warte man auf den endgültigen Vorschlag.
„Es zeigt sich, dass unser Widerstand und unsere konsequente, inhaltliche Kritik sich auszahlen“, so der Kanzler am Freitag in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Die Frage der Schiedsgerichte sei „einer unserer wesentlichen Kritikpunkte“, so Kern. Dieses Thema müsse jedenfalls von der vorläufigen Anwendung ausgenommen und den nationalen Parlamenten vorgelegt werden. „Das österreichische Parlament muss darüber entscheiden können, ob es Sonderklagsrechten für internationale Konzerne zustimmt“, so Kern.
Für die Fragen der Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards brauche es rechtsverbindliche Klarstellungen, dass „unsere hohen Standards gehalten werden können und gleichzeitig ein Privatisierungsdruck auf wesentliche Bereiche der Grundversorgung wie etwa sozialer Wohnbau, Wasserversorgung, Abfall, Strom und Gas ausgeschlossen wird“, so der Kanzler weiter.
„Jeder hat die Bedeutung von CETA erkannt“
Neben Mitterlehner sah auch der Luxemburger Jean Asselborn CETA nach dem EU-Handelsministertreffen in Bratislava auf gutem Wege. „Jeder hat die Bedeutung von CETA erkannt“, sagte der Außenminister der dpa. Nach Angaben Asselborns soll bis Mitte Oktober ein mit Kanada vereinbartes rechtsverbindliches Zusatzprotokoll zu CETA auf dem Tisch liegen.
In der Zusatzerklärung solle unter anderem festgehalten werden, dass das europäische Vorsorgeprinzip nicht in Gefahr gerät. Es sieht vor, dass Produkte nur dann erlaubt werden, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind.
Malmström: Ganz nah dran an Abschluss
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sah gute Chancen, CETA Ende Oktober zu unterzeichnen und Anfang 2017 teilweise in Kraft zu setzen. Man sei jetzt ganz nah dran, sagte Malmström am Freitag in Bratislava. Voraussetzung sei, dass die noch strittigen Punkte in einer rechtsverbindlichen Erklärung ausgeräumt würden. Kanada komme Europa hier sehr weit entgegen, um sicherzustellen, dass alle EU-Länder das Abkommen ratifizieren könnten, sagte Malmström.
Werde das Abkommen wie geplant am 27. Oktober von der EU und dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau in Brüssel unterzeichnet, könnte das Europaparlament vor oder nach Weihnachten zustimmen, sagte Malmström. Dann könnten ab 2017 einige Teile des Vertrags vorläufig in Kraft treten.
Zölle, die mit dem Vertrag abgeschafft werden sollten, würden bereits vom ersten Tag wegfallen, sagte Malmström. Strittige Punkte wie der Investorenschutz kämen hingegen erst später, wenn die 28 EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen ebenfalls ratifiziert hätten.
Treffen von Protesten begleitet
Die Sitzung der EU-Handelsminister war von Protesten begleitet worden. Knapp hundert Aktivisten hielten eine Kundgebung gegenüber dem Tagungsort ab. Neben Transparenten und Trommeln präsentierten die Demonstranten auch ein mehrere Meter hohes Trojanisches Pferd als Symbol für Ceta und TTIP.
Deutsches Verfassungsgericht befasst sich mit CETA
Das deutsche Bundesverfassungsgericht gab indes am Freitag bekannt, am 12. Oktober über CETA verhandeln zu wollen. Bereits tags darauf werde es eine Entscheidung geben, teilte das Gericht mit. In einer medienwirksamen Aktion hatten mehrere Aktivistengruppen Ende August eine Massenklage mit nach eigenen Angaben 125.000 Unterzeichnern eingereicht.
Auch eine private Initiative reichte eine Petition ein, die von Tausenden Deutschen unterschrieben worden war. Zudem wenden sich 63 der 64 Mitglieder der Linksfraktion im deutschen Bundestag gegen das Abkommen. Schließlich liegt dem Gericht noch eine Organklage der Fraktion selbst vor. Alle Beschwerdeführer haben auch Anträge auf einstweilige Anordnung gestellt. Darüber will das Höchstgericht nun zunächst entscheiden. Folgt es den Anträgen, darf Deutschland das Abkommen bis zum abschließenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht weiter unterstützen.
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