„Nie besser als ihre Mitgliedsstaaten“
Die „Kooperation“ zwischen den Vereinten Nationen (UNO) und der Regierung von Präsident Baschar al-Assad im Bürgerkriegsland Syrien beschäftigt aktuell die britische Presse. Regimenahe Einrichtungen sollen indirekt von Hilfsprogrammen profitiert haben. Die UNO rechtfertigt sich.
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Ins Rollen gebracht hatte die Debatte die Tageszeitung „The Guardian“ am Montag unter der Schlagzeile „Wie das Assad-Regime die UNO-Hilfe für syrische Kinder kontrolliert“. Dutzende „Deals“ würfen Fragen über die Rolle der UNO und deren „Überparteilichkeit“ auf.

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Evakuierung von Verwundeten und Zivilisten
Die UNO dürfe in Syrien nicht ohne den „Segen“ Assads aktiv werden, heißt es im „Guardian“. Damaskus bestimme auch, mit wem die Helfer zusammenarbeiten und wo sie sich aufhalten dürfen. Es gebe eine Liste zugelassener internationaler und syrischer Organisationen - und einige davon stünden eben Assads Regime nahe. Wie die Zeitung selbst einräumt: Das sei „das Dilemma“ der UNO.
„Unter Druck“
Trotzdem: In einer Fortsetzung am Dienstag berichtete der „Guardian“ von wachsendem Rechtfertigungsdruck und ließ frühere UNO-Beamte, Diplomaten und Menschenrechtsorganisationen zu Wort kommen. Sie sagten, die Vereinten Nationen müssten ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon selbst müsse eingreifen, um zumindest das Vertrauen der Syrer in die internationale Organisation wiederherzustellen. Die Vereinten Nationen gerieten „unter Druck“. Die britische Tageszeitung hatte die Causa laut eigenen Worten nach dem Studium Tausender Seiten Dokumente aufgedeckt.

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UNO-Fahrzeuge in einem zerstörten Stadtviertel von Daraya
Die Recherche habe offenbart, dass Verträge mit einem Wert von „zig Millionen Dollar“ an Agenturen bzw. Personen im nahen Umfeld des autoritären syrischen Präsidenten vergeben worden seien. Das Regime profitiere zum Teil von diesen „Deals“. Die Frage, die der „Guardian“ zwar stellt, aber nicht beantwortet, ist die, wie Hilfsorganisationen in einem Bürgerkrieg arbeiten sollen, ohne sich in irgendeiner Art und Weise mit den beteiligten Parteien zu arrangieren.
„Wahlmöglichkeiten äußerst begrenzt“
Ihre Wahlmöglichkeiten seien in Syrien durch ein äußerst unsicheres Umfeld begrenzt, zitierte das britische Blatt einen namentlich nicht genannten Sprecher der UNO. Alleine Unternehmen und Partner zu finden, die in belagerten oder schwer erreichbaren Gegenden arbeiten, sei schon eine Herausforderung. Jedenfalls hätten sich unter den Kooperationspartnern auch solche gefunden, die auf den Sanktionslisten der EU und der USA stünden.
Als ein Beispiel nennt der „Guardian“ unter anderem, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) umgerechnet knapp 4,5 Mio. Euro in eine Blutbank, die dem syrischen Verteidigungsministerium gehört, investiert habe. Die Frage sei, ob davon nicht primär Soldaten aus Assads Streitkräften profitierten. Insgesamt, so der Bericht, habe die UNO mit 258 syrischen Partnern zusammengearbeitet, die höchsten Auftragsvolumina hätten bis zu 48 Mio. Euro ausgemacht.
„Pragmatismus versus Prinzipien“
Mit scharfer Kritik kommt angesichts der Zahlen der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), Kenneth Roth, im „Guardian“ zu Wort: Im Namen der Hilfe unterstütze die UNO „die Kriegsverbrechensstrategie der syrischen Regierung“. Antonia Mulvey, Gründerin und Direktorin von Legal Action Worldwide, nennt das Vorgehen der UNO ein Beispiel für „Pragmatismus gegen Prinzipien“.

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Nahrungsmittelhilfe in Kooperation mit dem Roten Halbmond
Ein hochrangiger europäischer Diplomat, der laut Angaben der britischen Zeitung nicht namentlich genannt werden wollte, sagte: Die Länder, die noch Einfluss auf Assad hätten, müssten Druck auf ihn machen, damit die UNO in Syrien einfacher arbeiten kann. „Es bleibt eine Tatsache, dass die UNO nie besser sein kann als ihre Mitgliedsstaaten, insbesondere die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats.“
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