Kaum Kontrollen durchgeführt
In Handschellen gefesselt sitzen Gefangene eng zusammengepfercht in Transportern und werden oft über Tausende Kilometer in einen anderen US-Bundesstaat überstellt. Die ohnehin mit immer knapper werdenden Budgets ausgestatteten Gefängnisbehörden in den USA lagern diese Dienste nicht zuletzt aus Kostengründen an private Unternehmen aus - ohne Kontrolle bei der Umsetzung.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Immer wieder sterben Häftlinge bei den oft tagelangen Autofahrten auf engstem Raum, viele verletzen sich oder ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich. Diese Überstellung von Verhafteten wird notwendig, wenn etwa der Prozess in einem anderen Bundesstaat stattfinden soll, als der Haftbefehl ausgestellt wurde. Die Transportfirmen werben mit ihrer kostengünstigen Effizienz und Zuverlässigkeit. Bei staatlichen Überstellungen werden Behördenvertreter mit einer Person auf Reisen geschickt. Das ist bei den Privaten anders. Hier sitzen rund zehn Personen in einem speziell umgebauten Transportwagen.
„Wir können Häftlinge von einem Ort zum anderen bewegen - zu geringeren Kosten, als wenn Sie es selbst täten“, schreibt etwa das Unternehmen Prisoner Transportation Services (PTS) auf seiner Website. PTS zählt zu den größten privaten Transportunternehmen für Gefangenenüberstellungen, das US-weit agiert. Die Mitarbeiter seien „hochtrainierte Profis“, die meisten hätten Erfahrungen im Militär oder in der Strafjustiz, so PTS.
Niemand fühlt sich verantwortlich
Eine Recherche der „New York Times“ („NYT“) gemeinsam mit dem Marshall Project, eine Non-Profit-Nachrichtenorganisation, die über das US-Strafjustizsystem berichtet, wirft allerdings ein anderes Licht auf diese Branche. Basierend auf der Auswertung von Tausenden Gerichtsakten, Artikeln und Interviews mit aktivem und früherem Wachpersonal wird ein Muster von Missbrauch und Vernachlässigung von Häftlingen aufgezeigt. Kontrollen müssen sie kaum fürchten. Denn aufgrund des Transports über die Grenzen von Bundesstaaten hinweg fällt die Verantwortlichkeit in eine Grauzone. Keine Behörde fühlt sich wirklich zuständig.

Georgia Bureau of Investigation
In Transportern wie diesem werden Häftlinge über mehrere Tage transportiert
Eigentlich wurde bereits im Jahr 2000 ein Gesetz erlassen, das den privaten Auslieferungsunternehmen klare Regeln vorgibt: Sie müssen der lokalen Strafverfolgung sofort die Flucht eines Insassen melden. Gewalttätige Häftlinge müssen hell leuchtendes Gewand tragen und eine Wache soll nicht mehr als sechs Gefangene betreuen. Mit dem Gesetz wurden auch Standards bei der Ausbildung des Wachpersonals und der Behandlung der Häftlinge gesetzt.
Die Umsetzung des Gesetzes wird aber kaum kontrolliert. Zu Strafen führte es nur in einem Fall. Das Unternehmen Extradition Transport of America musste eine Strafe von 80.000 Dollar zahlen, weil ein wegen Kindesmissbrauchs Angeklagter aus einem unverschlossenen Transportwagen flüchtete.
Schlechte medizinische Versorgung
Zehntausende Inhaftierte jährlich, viele davon noch gar nicht für eine Tat verurteilt, würden einigen wenigen privaten Firmen zur Überstellung übergeben. Dem „NYT“-Bericht zufolge starben bei diesen Transporten seit 2012 vier Menschen. Untersuchungen über möglichen Totschlag wurden schnell für beendet erklärt. Die Todesursache als nicht eindeutig bewertet. Dutzende Insassen wurden verletzt und erreichten mit einem deutlich schlechteren Gesundheitszustand ihr Ziel.
Die Kommunikation über die notwendige medizinische Versorgung mit dem Wachpersonal funktioniert kaum. Vielfach würden Schmerzen der Häftlinge von den Fahrern ignoriert, so der Bericht basierend auf Interviews. „Wir wissen nicht, ob sie uns eine Falle stellen wollen“, argumentierte PTS-Geschäftsführer Robert Downs gegenüber der „NYT“. Die Insassen würden oft Krankheiten und Verletzungen vortäuschen. Bei medizinischen Notfällen seien die Wächter angewiesen, die lokalen Behörden zu kontaktieren.
Auch Rand Cagle Jr., Präsident der Inmate Services Corporation, wies Anschuldigungen zurück, dass zu wenig auf die medizinischen Bedürfnisse eingegangen würde. „Wir folgen immer einem Protokoll und bekommen medizinische Informationen, wenn wir einen Häftling übernehmen.“ Sein Unternehmen wird beschuldigt, dass ein an Diabetes erkrankter Häftling beim Transport so vernachlässigt wurde, dass diesem danach die Beine amputiert werden mussten.
Wenige Pausen
Die Transporte finden meist in speziell umgebauten Kleintransportern statt. Die oft über Tausende Kilometer gehende Reise dauert mehrere Tage. Stopps sind rar. Das Wachpersonal wird meist nur bezahlt, wenn es auf der Straße ist. Zudem müssen die Wächter häufig Hotelzimmer aus der eigenen Tasche finanzieren.
Und für die Häftlinge müssen Gefängnisse gefunden werden, die Platz für eine Nacht zur Verfügung stellen. Firmen, die ihr Wachpersonal jede Nacht in einem Hotel unterbringen und mehr Wert auf die Sicherheit beim Transport legen, verlangen mehr als die Branchenkollegen und haben entsprechend weniger Aufträge.
Sitzen statt liegen
Bezahlt werden die Transportfirmen pro Gefangenen und Meile - zwischen 75 US-Cent und 1,5 Dollar (0,66 und 1,3 Euro) pro Häftling und pro Meile. Entsprechend voll sind die Laster und eng der Platz für die gefesselten Insassen. Raum zum Liegen bleibt nicht. Meist gibt es auch keine Möglichkeit, sich zu waschen. Reichen die Pausen nicht, wird in Flaschen oder in den Raum uriniert.
Privatsphäre ist ebenfalls Mangelware. Einzig eine Scheibe aus Plexiglas trennt den Frauen- und Männerbereich. Laut den Recherchen von „NYT“ und Marshall Project berichten manche Frauen von Missbrauch durch das Wachpersonal. Auch zwischen wirklichen Gewaltverbrechern und möglicherweise unschuldigen Menschen wird nicht unterschieden. Mörder sitzen neben Menschen, die etwa in Gewahrsam genommen wurden, weil sie einen Mietwagen zu spät zurückgegeben hatten.
Dutzende aus Transportern geflohen
Firmen wie PTS werben mit gut ausgebildetem Wachpersonal. Auch in diesem Punkt widerspricht die Recherche. Es gebe laut dieser meist nur eine kurze Lerneinheit über den Einsatz von Handschellen und Pfefferspray, mit einigen theoretischen Materialien. Für die Risiken bei Gefangenentransporten bliebe das Wachpersonal, häufig Militärveteranen, aber unvorbereitet. Denn allein seit 2000 flüchteten laut „NYT“ 60 Häftlinge während Gefangenentransporten. Und manche begingen erneut Straftaten.
Links: