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Vom Schlabberlook zum Hautengtrend

T-Shirt, kurze Hose und Stutzen – Fußballtrikots scheinen so simpel wie unveränderbar. Und doch gilt: Je minimalistischer die Grundausstattung eines Sportlers, desto größer der Variationsreichtum in den Details. So eng und körperbetont wie bei dieser Europameisterschaft waren Fußballshirts wohl noch nie - was auch ein Rückblick auf die Entwicklung der Dressen der letzten 30 Jahre zeigt.

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So lassen die hauchdünnen Fasern der heutigen Leiberln, die bereits nach kurzer Zeit schweißdurchnässt an den Ausdauersportlern kleben bleiben, wenig Platz für Phantasie. Eine zweite Haut, die „überschwänglichen Jubel“ mit anschließendem Ausziehen des Trikots im Grunde überflüssig macht.

Mehr als nur ein Shirt

Es kann jedoch mehr, als bloß sexy sein. Das versprechen die großen Mannschaftsausrüster Nike und Co. Das Trikot ist ein Hightech-Produkt. Neben einer „figurbetonten Passform“, haben die Tech-Fit-Shirts von adidas beispielsweise integrierte Belüftungseinsätze aus Mesh. Speziell entwickelte Kompressionsshirts sollen das Anschwellen der Muskeln reduzieren und gleichzeitig die Regeneration ankurbeln. Nikes Aeroswift-Technologie garantiert sogar höhere Geschwindigkeit dank speziell gerippter Ärmel.

Mittlerweile sind Shirts mit eingenähten Sensoren auf dem Markt, die Geschwindigkeit, Beschleunigung und Herzfrequenz des Spielers messen. Diese Daten können dann in Echtzeit vom Trainer auf einem Tablet abgerufen werden. Das Trikot von heute ist ein „smartes“ System zum Überziehen und soll dem Ausdauersportler fast übermenschliche Kräfte verleihen.

Bequemer Schlabberlook

Bevor die Sportlerkörper stählern und die Shirts enger wurden, waren die Inszenierung des Körpers und modische Statements beim Fußball zunächst nebensächlich. Die Mannschaften sollten sich optisch gut voneinander unterscheiden. Hauptsache bequem: Schlabbernde Baumwollshirts und knielange Hosen dominierten.

Archivaufnahme eines Fußballers in den 1960ern

APA/AFP

In den 60er Jahren trug der Fußballer Flügelkragen

Die Trikots der 60er Jahre waren meist einfarbig und höchstens mit einem Flügelkragen versehen. Zehn Jahre später gönnten sich die Spieler schon mehr Beinfreiheit – erste Einflüsse der damaligen Modetrends bahnten sich ihren Weg in die Fußballwelt.

Die Stunde der Turnhose

Als die Sportmode in den 70er Jahren langsam auch im Alltag Platz fand, erschien die mit Gummiband versehene, glänzende Turnhose auf dem Fußballfeld. Die weiten Shirts wurden in den praktischen Gummizug geklemmt, der Rund- oder V-Ausschnitt ersetzte den Flügelkragen. Die Spieler scheuten nicht davor zurück, ihre gut durchtrainierten Oberschenkel vorzuführen.

Diego Maradona

APA/AFP

Der ehemalige argentinische Spieler Diego Maradona trug eine sehr kurze Hose

„Vorreiter“ dieser kurzen Glanzhose war der ehemalige deutsche Fußballspieler Franz Beckenbauer. Bis zum Höhepunkt der Sportkleidung als Modetrend Mitte der 80er Jahre hielten sich die Glanzhosen auf dem Fußballfeld, bis sie – wie beim Argentinier Diego Maradona - nur noch bis knapp unter die Pobacken reichten. Mit Ende der 90er Jahre war dann Schluss mit der Schenkelschau. Die Hosen wurden wieder länger und die Shirts lockerer - sogar der Kragen war teilweise wieder auf den Fußballfeldern präsent.

Bitte nicht ziehen

Das änderte sich schlagartig um die Jahrtausendwende. Den Startschuss Richtung körperbetonte Trikots lieferte die italienische Sportmodemarke Kappa. Italiens Nationalmannschaft trat bei der EM 2000 in himmelblauen, körperbetonten Trikots an - mit dem Slogan „Stop Stopping“ (deutsch: „Stoppt das Stoppen“). Die eng anliegenden Leiberl stellten erstmals durchtrainierte Athletenkörper offenkundig zur Schau. Außerdem sollte durch diesen Schnitt dem Ziehen am Shirt des Gegenspielers vorgebeugt werden.

Kamerun im Einteiler

Zwei Jahre später schlug der Versuch des Sportartikelherstellers Puma fehl, die kamerunische Nationalmannschaft mit ärmellosen Shirts auf dem Platz laufen zu lassen. 2004 setzte Puma noch eines drauf und wollte mit einem hautengen Einteiler die Fußballmode revolutionieren. Der Fußballverband FIFA wusste diesen modischen Fauxpas zu verhindern, denn er verstieß gegen die Regeln. Seitdem tragen mehr und mehr Spieler hauchdünne und enge Trikots.

Jubelnde Kamerun-Spieler

APA/AFP/Issouf Sanogo

Manche Fußballer wählen ihre Shirts sogar eine Nummer kleiner, wie etwa der niederländische Nationalspieler Arjen Robben. Bei der Champions League 2012 musste sogar Gegenspieler Valentin Stocker Hand anlegen, um Robben aus seinem Trikot zu befreien. „Robben ist bekannt dafür, dass er seine Trikots eine Nummer zu klein trägt. Das dürfte Ausdruck der individuellen Eitelkeiten der Spieler sein“, erklärt sich Sportredakteur Mario Wally dieses Phänomen.

Aufruhr unter den Fans

Für besonders viele Diskussionen im Netz sorgten die Outfits der uruguayischen Spieler bei der Weltmeisterschaft 2014. Sie waren so feinfaserig, dass die körperbetonten Shirts ausgiebig kommentiert wurden.

Who else? #Suarez #WorldCup #URUENG

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Fußballer für Modemarken

Ab Mitte der 2000er zeichnete sich ein deutlich erkennbares Modebewusstsein unter Fußballspielern ab. Der Brite David Beckham machte es vor und bewies auch abseits des Platzes, dass er Stil hat. Seit 2012 vermarktet H & M eine Unterwäschekollektion unter seinem Namen. Dann zog Cristiano Ronaldo nach, und neben einem Vertrag mit Emporio Armani betreibt der Portugiese mittlerweile zwei Modeboutiquen unter dem Namen CR7.

Unterhosenthema auf dem Fußballplatz

Auch der schwedische Fußballspieler Fredrik Ljungberg und der ehemalige japanische Spieler Hidetoshi Nakata präsentierten sich in Unterwäsche für Calvin Klein. Dolce und Gabbana buchte gleich fünf Spieler der italienischen Mannschaft, um für ihre Unterhosen zu werben. Heuer findet das Thema Unterwäsche zurück auf den Fußballplatz. Eine der neuen Regeln des Fußballweltverbands (FIFA) besagt, dass sichtbare Unterwäsche die gleiche Farbe wie die Fußballhose haben muss.

Sport und Körperkult haben in den letzten Jahren in der Mode immer mehr an Präsenz gewonnen, und das ist folglich auch beim Fußball angekommen. Egal, wie der Schnitt ausfällt, die Spieler selbst scheinen ihre eigenen Prioritäten zu setzen: „Am wichtigsten scheint den Kickern zu sein, das Trikot im Fall der Fälle möglichst schnell ausziehen zu können“, sagt Sportredakteur Wally.

Yasmin Szaraniec, ORF.at

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