Themenüberblick

Literatur für Sonnen- und Regenschirmtage

Große, epische Erzählungen finden sich unter den Romanen der Saison genauso wie Prosaisches. Zeitreisen sind dabei - in Underground-Clubs der 70er Jahre, aber auch in die Türkei des 17. Jahrhunderts. Und der moderne Lebensstil zwischen Nachhaltigkeit und Nabelschau wird reflektiert und durch den Kakao gezogen.

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Die Buddenbrooks der US-Punkszene

„City on Fire“ von Garth Risk Hallberg steht wie ein Monolith in der literarischen Produktion der Gegenwart. Über 1.000 Seiten stark, wird hier die Geschichte mehrerer Protagonisten im New York der 70er Jahre erzählt: eine Unternehmerfamilie mit dem schwulen Punk-Sohn als schwarzem Schaf, dazu das Umfeld von dessen Ex-Band; Patti Smith, die Gedichte liest; versiffte Untergrundclubs; die Explosivkraft jugendlicher Rebellion, gegengeschnitten mit zynischen Ellbogenwirtschaftstreibenden, die sich erhaben fühlen über den Rest der Welt. Wechselnde Erzähltempi, ein kaleidoskopartiger Blick mit viel Tiefenschärfe in eine Zeit, in der alles möglich schien, aber das Nichts für einen Haufen junger Menschen viel attraktiver war: ein intensives Leseerlebnis.

Garth Risk Hallberg: City on Fire. S. Fischer, 1.074 Seiten, 25,70 Euro.

Revolution in bunten Strümpfen

Mit dem „Punk-Gebet“ „Muttergottes, jage Putin weg“ - vorgetragen in einer Moskauer Kirche - wurde die russische Band Pussy Riot 2012 über Nacht berühmt. Nadja Tolokonnikowa, Gründungsmitglied von Pussy Riot, veröffentlichte in diesem Jahr ihr erstes Buch. „Anleitung für eine Revolution“ ist Autobiografie, Tagebuch und Manifest einer, die sich als „Russian by birth and rebel by choice“ beschreibt. Die 26-Jährige schreibt über die harte Zeit im russischen Straflager, die Vorteile bunter Strümpfe und darüber, „wie man ohne Phallus in einer phallozentrischen Welt überlebt“. In Russland ist „Anleitung für eine Revolution“ nicht erschienen.

Nadja Tolokonnikowa: Anleitung für eine Revolution. Hanser, 224 Seiten, 18,40 Euro.

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Sex ’n’ Drugs ’n’ Vogelbeobachtung

Eine kleine literarische Sensation ist das am meisten gefeierte Romandebüt der Saison: Nell Zinks „Mauerläufer“. Das Buch mäandert vor sich hin und erzählt gleichzeitig glasklar die Geschichte einer Ehe. Man ist in der Gegenwart verankert: Dubstep gibt den Takt an, Ökoaktivismus bettet das Paar ein in einen gemeinsamen Wertekosmos. Wäre da nicht das räudige Moment des Schicksals - in Form einer Schwangerschaft, die durch einen Unfall, den der Mann verursacht hat, ein jähes Ende findet. Und dann? Drogen, Vogelbeobachtung, Sex (außerehelich). So poetisch wie lakonisch nimmt einen der rasante Bewusstseinsstrom in seinen Bann. Ein wunderschönes Cover, übrigens.

Nell Zink: Der Mauerläufer. Rowohlt, 188 Seiten, 20,60 Euro.

Am Südpol liegt Schnee

Ein Autor namens Thomas Glavinic, hin- und hergerissen zwischen väterlicher Pflicht und dem Verlangen nach Aufmerksamkeit, Sex und Kokain; ein Abenteurer und Weltfremder, der mit der Liebe seines Lebens auf eine waghalsige Expedition zum Südpol aufbricht; und ein 13 Jahre altes Schachtalent, das die Mühen der Pubertät in der Provinz durchleidet – in seinem bisher umfangreichsten Werk „Der Jonas-Komplex“ vernetzt Glavinic (der echte) gleich drei Erzählstränge zu einem großen Ganzen. Das Buch ist ein Experiment in Größenwahn – das dank Glavinics Erzählkunst gelingt.

Thomas Glavinic: Der Jonas-Komplex. S. Fischer, 750 Seiten, 25,70 Euro.

Horrortrip statt Dorfidyll

Wenn Juli Zeh von einem Dorfidyll zu erzählen beginnt, ist klar, dass dieses schon bald als trügerisch entlarvt werden wird. In „Unterleuten“, ihrem als großer Gesellschaftsroman angelegten Opus Magnum, lässt sie ewiggestrige Alteingesessene in der ostdeutschen Provinz auf urbane Selbstoptimiererinnen treffen. Es versteht sich von selbst, dass dabei kein Stein auf dem anderen bleibt - und am Ende sind alle Opfer. Keine Opfer der Umstände, sondern Opfer der gnadenlosen Beobachterin und moralischen Kommentatorin Zeh.

Juli Zeh: Unterleuten. Luchterhand, 640 Seiten, 25,70 Euro.

Ein viktorianisches Scheidungskind

Henry James’ neu übersetzter Roman „Was Maisie wusste“ spielt im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts, das geteilte Sorgerecht nach Scheidungen war brandneu und kontrovers. James entwirft darin ein krasses Sittenbild: Die Eltern der kleinen Maisie, beide ausnehmend egoistisch und oberflächlich, verheiraten sich nach ihrer Scheidung neu, doch auch diese Ehen halten nicht lange. So beginnt ein Reigen von Stiefeltern, Gouvernanten und Liebschaften, in dem die heranwachsende Maisie sich emotional zurechtfinden muss. Herumgereicht und von allen Seiten eiskalt manipuliert, lernt sie selbst viel über das Leben - wenn auch nicht unbedingt das, was die Erwachsenen gerne hätten.

Henry James: Was Maisie wusste. Ars Vivendi Verlag, 344 Seiten, 23,60 Euro.

„Der Fremde“ aus Sicht des Arabers

Sie glauben nicht an Gott - und auch nicht an den Sinn des Lebens. Meursault und Haroun. Ersterer ist die Hauptfigur in Albert Camus’ „Der Fremde“. Letzterer ist der Ich-Erzähler in „Der Fall Meursault - eine Gegendarstellung“ des algerischen Autors Kamel Daoud. Ersterer hat einen Araber getötet, der im Buch nicht einmal einen Namen bekommt, sondern „der Fremde“ oder „der Araber“ bleibt. Letzterer ist der Bruder des Opfers. Daoud hat die Geschichte neu erzählt, dem „Araber“ einen Namen gegeben und Camus damit eine „Gegendarstellung“ aus arabischer Sicht hinzugefügt.

Kamel Daoud: Der Fall Meursault - eine Gegendarstellung. Kiepenheuer & Witsch, 200 Seiten, 18,50 Euro.

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Ausbruch aus der religiösen Hölle

2012 führte „Unorthodox“ monatelang die Bestsellerlisten der „New York Times“ an. Deborah Feldmann beschreibt in dem autobiografischen Roman ihre Kindheit und Jugend in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde in Williamsburg, Brooklyn. Ein Leben, das von strengen religiösen Sitten und Gebräuchen geprägt ist. Sexualität ist ein Tabu, Ehen werden arrangiert, im Alltag wird Jiddisch gesprochen, Englisch ist die verbotene, unreine Sprache. Der Kopf muss rasiert, der Rock bodenlang sein. Im Alter von 23 Jahren beschließt die Autorin, aus dem religiösen Extremismus auszubrechen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Atemberaubend, erschütternd und doch mit einer feinen Prise Humor erzählt Feldmann bravourös ihre eigene Emanzipationsgeschichte.

Deborah Feldmann: Unorthodox. Secession Verlag, 319 Seiten, 22,62 Euro.

Sex und Tod im Alter

Schafft man es über die ersten 20 Seiten, die sich wie eine Art „Sex and the City“ für die 60-plus-Generation lesen, hinaus, wird man in „Angst vorm Sterben“ mit einer einfühlsamen, rührenden und witzigen Geschichte voller Galgenhumor belohnt. Die Protagonistin, eine pensionierte Schauspielerin und Mitglied der New Yorker High Society, ist eigentlich auf der Suche nach außerehelichen Abenteuern, muss sich stattdessen aber mit dem Tod ihrer Eltern, ihres Pudels und dem Beinahe-Tod ihres um 20 Jahre älteren Ehemannes herumschlagen. Autorin Erica Jong, die in den 1970er Jahren mit ihrem Roman „Angst vorm Fliegen“ für Furore sorgte, schreibt in „Angst vorm Sterben“ recht unverblümt über die großen Themen Sex und Tod.

Erica Jong: Angst vorm Sterben. S. Fischer Verlag, 368 Seiten, 20,55 Euro.

Wie wird ein Leben, wie es wird?

1984 in München geboren, gilt Benedict Wells seit 2008 als einer der vielversprechendsten Autoren im deutschsprachigen Raum. In seinem vierten Roman „Vom Ende der Einsamkeit“ erzählt er die Geschichte dreier Geschwister, die als Kinder ihre Eltern bei einem Autounfall verlieren. „Was sorgt dafür, dass ein Leben wird, wie es wird?“, heißt es einmal im Text, und Wells beschreibt die Weichenstellungen und Schicksalsschläge innerhalb einer Familie gleichermaßen mit Tiefgang und Leichtigkeit. Er verhandelt eine existenzielle Thematik, die jeden betrifft, so zugänglich und unterhaltsam, dass es schwerfällt, das Buch aus der Hand zu legen. Eine kluge und berührende Coming-of-Age-Geschichte, die nachhallt.

Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit. Diogenes, 368 Seiten, 22,62 Euro.

Gewaltiges Gewalttätiges von Heinz Strunk

Der Komiker Heinz Strunk schrieb 2004 mit seinem witzig-lakonischen 80er-Jahre-Roman „Fleisch ist mein Gemüse“ einen Megaseller und landete später mit der Verfilmung einen veritablen Erfolg. Demgegenüber ist „Der goldene Handschuh“, sein neuer Roman, bitter ernst. Erzählt wird die Geschichte des tatsächlich existierenden Frauenmörders Fritz Honka, der seine Opfer in der titelgebenden Alkoholikerkneipe in Hamburg fand. Das Buch ist Milieustudie ganz, ganz unten, blickt aus dieser Perspektive aber auch in bürgerliche Welten. Ausweglosigkeit, Tod, Gestank. Strunk schenkt seinen Lesern hier nichts - außer einen im Wortsinn gewaltigen Roman.

Heinz Strunk: Der goldene Handschuh. Rowohlt, 254 Seiten, 20,60 Euro.

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Bizarres Spiel mit Hitler

Das Hitler-Töten wird zu einem allgemein beliebten Hobby: Durch die Erfindung einer Zeitmaschine durch einen nur als schweren Ungustl zu bezeichnenden Professor für Philosophie und vieles andere wird das in dem neuen Buch des erst 22-jährigen Elias Hirschl möglich. Und Hirschl lässt nichts aus an bizarren Ideen und skurrilen Einfällen in den Paralleluniversen. Und bei all den Hitler-Tötungen - nicht nur in der Vergangenheit, auch in anderen Dimensionen - darf auch die intellektuelle Reflexion nicht fehlen - mit teils als „verhaltensauffällig“ zu bezeichnenden Ergebnissen. Und darf man Hitler eigentlich schon als Baby töten? Seitenhiebe auf die FPÖ finden sich ebenfalls in dem zweiten Roman des Poetry-Slammers Hirschl.

Elias Hirschl: Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt. Milena Verlag, 200 Seiten, 17,90 Euro.

Irvings Wundertüte

Einen verwunderlichen Roman über eine wundersame Familie hat John Irving geschrieben. Es geht in „Straße der Wunder“ um einen erfolgreichen Schriftsteller, der sich auf eine Reise macht und gleichzeitig auf sein Leben zurückblickt. Schon seine Kindheit war voller Magie, als er mit seiner Schwester, die Gedanken lesen kann, beim Leiter einer Mülldeponie lebte. Rationales und Irrationales kommt ihm im Rückblick durcheinander - doch war es je geordnet? Das Buch ist kein leichtes, lukullisches Leseerlebnis, wie Irving es sonst oft abliefert. Es ist eine Reflexion über das Leben.

John Irving: Straße der Wunder. Diogenes, 776 Seiten, 26,80 Euro.

Die Wirklichkeit ist nicht wirklich wirklich

Abenteuer im Kopf entstehen bei der erfolgreichen Onkologin Rhea, als ihr Mann sich nach 20 Ehejahren verliebt und die Tochter zum Studieren nach England will: Plötzlich verschwinden in der Nachbarschaft Menschen, bald in der Stadt, bald im ganzen Land. Allmählich beginnt sich die Welt zu leeren – wohin die Menschen verschwinden, bleibt Rhea ein Rätsel, während Mann und Tochter sich kaum darum kümmern, ja es nicht einmal zu bemerken scheinen. Schräger Ausflug in die Seele einer Frau, von Ulrike Kotzina überaus spannend und routiniert erzählt, mit feinem Humor und turbulentem Ende. Und Kotzina legt bald nach - mit „Box“, ebenfalls in der edition laurin.

Ulrike Kotzina: Verschwunden. edition laurin 2015, 331 Seiten, 22,90 Euro. Und schon bald: Box, edition laurin, 351 Seiten, 23,90 Euro.

Die Ästhetik des Weltuntergangs

Mit einem satten Jahr Verspätung sei hier noch einmal allen, die das Buch trotz allen Hypes bisher übersehen haben, Valerie Fritschs „Winters Garten“ empfohlen. Ein traumhafter Kommunengarten, in dem ein Bub aufwächst. Schnitt, Jahrzehnte später: Der Weltuntergang naht. Es geht nicht darum, ihn aufzuhalten, sondern nur darum, mit ihm zu leben, bis zum bitteren Ende. Der Vogelzüchter lernt die Liebe kennen und kehrt ins Paradies seiner Kindheit zurück - einmal noch. Das Buch ist keine Allegorie, sondern ein Sprachkunstwerk, dessen Bilder für sich selbst sprechen.

Valerie Fritsch: Winters Garten. Suhrkamp, 154 Seiten, 10,30 Euro.

Irritierende Gegenwelten

Laurie Penny entwirft in ihren Kurzgeschichten Gegenwelten - wirklich schön ist es in keiner davon. Das künstliche Baby aus der Titelstory nervt, also wird es eben manchmal per Knopfdruck abgedreht. Die Mitarbeiterin eines auf Welpenvideos spezialisierten Social-Media-Konzerns will die Tiere befreien - nur um erst recht einen Hype auszulösen. Immer weiter entfernen sich die Entwürfe der prominenten Jungfeministin Penny von der Wirklichkeit, dabei geht es ihr vor allem um etwas ganz Altmodisches: Sozialkritik. So skizziert sie eine Großstadt, die auf physischen „Ebenen“ funktioniert - je ärmer, desto tiefer und schlechter leben die Menschen darin. Nicht alle Geschichten sind gleich überzeugend, aber sie wirken nach.

Laurie Penny: Babys machen und andere Storys. Edition Nautilus, 176 Seiten, 16,50 Euro.

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Cartarescu kennenlernen

Wer sich dem gefeierten postmodernen Dichter Mircea Cartarescu sanft annähern möchte, weil er sich über die „Orbitor“-Trilogie noch nicht drübergetraut hat, dem sei „Die schönen Fremden“ empfohlen, das drei vergleichsweise konventionelle Erzählungen versammelt, bei denen man einfach auch einmal lachen kann. Es ist ein Selbstporträt des Schriftstellers als junger Mann, das wohl zum guten Teil erfunden sein dürfte. Aber gut erfunden.

Mircea Cartarescu: Die schönen Fremden. Zsolnay, 301 Seiten, 22,60 Euro.

Oskar Kokoschkas Sexpuppe

Geschichten, die zu gut sind, um wahr zu sein, hat Julya Rabinowich in ihrem Roman „Krötenliebe“ versammelt und weitergedichtet. Oskar Kokoschka und seine lebensgroße Alma-Fetisch-Puppe etwa, die er immer wieder an die Herstellerin zurückschicken ließ, damit sie weiter perfektioniert werde. Dazu Alma Mahler samt ihren zahllosen Liebhabern und die Krötenexperimente des Epigenetikers Paul Kammerer. Dass Rabinowich schreiben kann, muss man wohl niemandem erklären, das beweist sie nicht zuletzt in ihrer „Standard“-Kolumne hinlänglich.

Julya Rabinowich: Krötenliebe. Deuticke, 190 Seiten, 20,50 Euro.

Der Mann, der den Türken den Kaffee stehlen will

„Der Kaffeedieb“ ist ein akribisch recherchierter historischer Roman des Krimischriftstellers Tom Hillenbrand. Es geht um jene Zeit im 17. Jahrhundert, als Europa nach Kaffee verrückt wird - aber aufgrund eines Monopols der Osmanen kaum Zugriff darauf hat, zumindest nicht zu finanzierbaren Preisen. Deshalb wird ein britischer Dandy losgeschickt, um mit aller List den Türken Saatgut und Pflanzen zu stehlen. Aber die durchschauen den Plan - es wird eng für den jungen Mann. Eine spannende Story, im Stil alter Abenteuerromane gehalten.

Tom Hillenbrand: Der Kaffeedieb. Kiepenheuer & Witsch, 480 Seiten, 20,60 Euro.

Autoren aus Brooklyn mit Brillen

Auf dem Buchrücken finden sich begeisterte Zitate von Jeffrey Eugenides, der „New York Times“ und ein wirklich gutes vom Autor selbst: „Oh, hier ist noch ein Roman über Brooklyn von einem Typ mit Brille!“ In dem Zitat steckt schon vieles von dem, was das Buch ausmacht. Mit ironischem Seitenblick, teils essayistisch, teils erzählerisch, folgt Lerner einem fiktiven jungen Schriftsteller, der gerade als Shootingstar abgefeiert wird. Brooklyn-Lifestyle und die alte Frage nach dem Sinn des Lebens - die Lerner natürlich so plump niemals stellen würde. Die Lektüre erinnert an Teju Coles „Open City“. Noch so ein Brooklyn-Typ mit Brille.

Ben Lerner: 22:04, Rowohlt, 314 Seiten, 20,60 Euro.

Bücher an einem Strand

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Ein Buch für Grübler

Ein wunderschönes Cover hat der Gekko-Verlag Josef Formaneks „Die Wahrheit sagen“ verpasst. Viel Symbolik ist da - die sich nach dem Lesen des Buchs auch einigermaßen erschließt. Zwei Männer sind da zu sehen. Bernhard Mares erzählt einem jungen Schriftsteller sein Leben, und das hatte es in sich, es spiegelte die Zeitläufte des 20. Jahrhunderts wider, die Schuldfrage steht dabei genauso im Raum wie jene nach erzählerischer Wahrhaftigkeit. Das Buch ist komplex in seiner Struktur und sprachlich mitunter eine Herausforderung. Es ist - und das soll nicht als Kritik verstanden werden - ein Buch für Grübler.

Josef Formanek: Die Wahrheit sagen. Brutaler Roman über die Liebe zum Leben. Gekko, 480 Seiten, 23 Euro.

Ein wahrhaft literarischer Briefwechsel

Der Briefwechsel zwischen Peter Suhrkamp und seiner Ehefrau Annemarie Seidel gilt als sensationelle Entdeckung. Er deckt den Zeitraum zwischen 1935 und 1959 ab, ist dadurch nicht nur Zeitdokument eines intellektuellen Verlegers und Feindes der Nationalsozialisten (der das Konzentrationslager überlebte), sondern fördert auch ein wichtiges Kapitel der Literaturgeschichte zutage. Denn Suhrkamp, verantwortlich für den S.-Fischer- und den Suhrkamp-Verlag, hatte kaum Schriftliches über seine Beziehung zur Literatur und zu den Autoren hinterlassen. Diese große Lücke wird nun geschlossen.

Peter Suhrkamp, Annemarie Seidel: „Nun leb wohl! Und hab’s gut!“ Briefe 1935-1959. Suhrkamp, 847 Seiten, 49,40 Euro.

Romana Beer, Simon Hadler, Sonia Neufeld, Peter Bauer, Alexander Musik, Christoph Lüftl, Johanna Grillmayer, Philip Pfleger

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