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Auch für Ministerium „nicht explizit“

Seit Ende März ist der Gesetzesentwurf von ÖVP-Minister Wolfgang Brandstetter in Begutachtung, mit dem in Österreich die Onlineüberwachung Einzug halten soll. Und seit Ende März hagelt es Kritik von Datenschützern. Nun reagiert das Justizministerium und beruhigt - in der Sache kann es den einzelnen Kritikpunkten aber wenig entgegenhalten.

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Zuletzt übte etwa der Arbeitskreis Vorratsdaten (AK Vorrat) in seiner Begutachtungsstellungnahme scharfe Kritik an den geplanten Befugnissen für Ermittler. Die Organisation warnt vor einem „unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff“. Entgegen den Versprechen des Ministeriums würde letztlich jede Datei überwacht, also nicht nur gesendete und empfangene Daten, sondern auch alles andere, von der Notiz bis zur angesurften Website.

„Kein Gedankeninhalt“ tabu

Dem Ministerium geht es eingestandenermaßen um das Abfangen von verschlüsselter Kommunikation. Um diese tatsächlich überwachen zu können, „müsste es zu einer echten Onlinedurchsuchung des Computersystems kommen“, so der AK Vorrat. Dabei müsste letztlich jede Datei überwacht werden: „Kein Gedankeninhalt, auch nicht der Inhalt von Mitteilungen, die gar nicht abgesendet werden, würde vor den Ermittlungsbehörden verborgen bleiben.“

Warnungen, dass die Abgrenzung der beabsichtigten Überwachung von Onlinekommunikation und nicht zu überwachendem Internetsurfen in der Praxis nicht machbar sei, weist Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, unter Verweis auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zurück: Dessen „Experten haben uns zugesichert, dass das möglich wäre“. Das Programm werde entsprechend der gesetzlichen Vorgaben zu programmieren sein.

„Absicht“ statt bindenden Gesetzestextes

Angezweifelt wird auch die Versicherung des Ministeriums, wonach die Ferninstallation der Überwachungssoftware ausgeschlossen sein soll. Das steht zwar in den Erläuterungen, wird im Gesetz aber nicht explizit festgeschrieben. „Explizit ist das nicht“, räumt Pilnacek gegenüber der APA ein, aber es sei „eindeutige Absicht des Gesetzgebers“ und ergebe sich aus der Systematik des Gesetzes. Für die Behörden steckt indes nur der Gesetzestext ihre Befugnisse ab.

Um sicherzustellen, dass auch wirklich nur die gewünschte Zielperson überwacht wird, soll die Software laut Pilnacek direkt am Gerät installiert werden, etwa im Rahmen einer Observation oder - wenn das „unumgänglich“ ist, wie es im Gesetzesentwurf heißt - durch Eindringen in die Wohnung der Zielperson. Auch eine Fernabschaltung soll laut Pilnacek nicht möglich sein - stattdessen werde sich die Software nach einer vordefinierten Zeit selbst deaktivieren.

„Die große Gefahr sehe ich nicht“

Dass die Software tatsächlich nur das überwacht, was gesetzlich zulässig ist, müsste im Anwendungsfall der Rechtschutzbeauftragte unter Einbindung von Sachverständigen überprüfen, so Pilnacek. Er geht nicht davon aus, dass die Onlineüberwachung zum Massenphänomen wird: „Die große Gefahr sehe ich nicht, denn die Einsatzvoraussetzungen sind die gleichen wie beim großen Lausch- und Spähangriff.“ Hier gebe es „nicht mehr als sechs Fälle pro Jahr“.

Zuletzt wurden laut Pilnacek 2012 zwei große Lausch- und Spähangriffe durchgeführt, 2013 drei. Dass bei derlei Ermittlungsmethoden nicht unbedingt Terroristen ins Visier der Beamten geraten müssen, unterstrichen zuletzt aber am Freitag die Grünen in einer Pressekonferenz. Dabei verwies Justizsprecher Albert Steinhauser auf Ermittlungen gegen Tierschützer, Väterrechtler sowie „Uni Brennt“- und Akademikerball-Aktivisten.

Mehr neue Probleme als Lösungen?

Die Grünen verwiesen ebenfalls, gestützt auf die Stellungnahmen von Experten, auf Datenschutzlücken im Entwurf. Neben den auch von der AK Vorrat genannten Bedenken verwiesen sie auch auf den möglichen Missbrauch der Überwachungssoftware. Dritte oder Überwachte könnten damit falsche Spuren legen oder gar die Computer der Behörden hacken. Die neuen Befugnisse für die Ermittler würden „viel weniger Probleme lösen, als sie schaffen“.

Zudem kritisierten die Grünen den „pietätlosen“ Schnellschuss einer „Anlassgesetzgebung“ nach den Anschlägen von Brüssel. Tatsächlich ließ das Ministerium nun die Kritik des AK Vorrat unwidersprochen, dass man zur Begründung für die Notwendigkeit der neuen Überwachungsmethoden - statt auf Statistiken und Fallbeispiele - auf Berichte zurückgegriffen hatte, wonach die Paris-Attentäter über eine Sony-PlayStation kommuniziert hätten. Das hatte sich aber schließlich als Zeitungsente erwiesen.

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