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„Unter Druck“

2,3 Milliarden Franken statt 0,4 - um genau diese unerwartet hohe Summe fiel der Budgetüberschuss aus dem Vorjahr in der Schweiz höher aus als erwartet. Anders als in den wohl meisten Ländern der Welt wirft das in der Schweiz ein Problem auf - nämlich die Frage, wie man mit den ungeplanten Mehreinnahmen umgehen soll.

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Eigentlich ist allein die Tatsache, dass diese Frage überhaupt zu einem Thema wird, für Schweizer Verhältnisse schon ungewöhnlich. Denn tatsächlich gilt seit 2003 bei den Eidgenossen eine Schuldenbremse, wie sie Jahre später etwa auch Deutschland einführte. Damit ist klar: Alle Überschüsse gehen automatisch in die Schuldentilgung.

Doch die rechtsgerichtete Schweizerische Volkspartei, die auch Teil der Konzentrationsregierung ist, sprach sich zuletzt dafür aus, dass die Hälfte der Überschüsse künftig in die Altersvorsorge fließen soll, sofern die Nettoverschuldung des Bundes nicht über zehn Prozent des BIP liegt.

Der Vergleich macht sicher

Nach Angaben des Schweizer Finanzministeriums vom Februar hatte der Bund mit Ende des Vorjahres eine Bruttoverschuldung von 16,2 Prozent und eine Nettoverschuldung von 11,1 Prozent. Laut CVP-Vorstoß würde damit weiter alles Geld in die Schuldentilgung fließen. Dabei bemerkt selbst die „Neue Zürcher Zeitung“, dass die Verschuldung des Bundes im internationalen Vergleich „sehr tief“ ist.

Selbst die Gesamtverschuldung - also inklusive Kantonen und Gemeinden - ist mit rund 33 Prozent vergleichsweise sehr niedrig. Zum Vergleich: Das Maastricht-Kriterium für Euro-Mitgliedsländer liegt bei 60 Prozent - und die meisten Euro-Länder liegen weit darüber - Österreich etwa bei 86,5 Prozent (2015). Und im OECD-Raum, also bei den Industrieländern, liegt der Durchschnitt der Verschuldung jenseits von 100 Prozent.

Suche nach optimaler Verschuldung

Während sich in den meisten Staaten Politiker und Wirtschaftsexperten die Haare raufen und überlegen, wie sie es schaffen, das ständige Anwachsen des Schuldenbergs einzudämmen, geht es in der Schweiz um die Frage, ob die Verschuldung nicht auch zu gering werden könne und das ebenfalls Probleme aufwerfe. Die „NZZ“ sprach jüngst in einer Analyse von einem „Luxusproblem“ und sieht die Regeln der Schuldenbremse „unter Druck“.

Die Wissenschaft liefere keine klare Antwort darüber, was eine „optimale Verschuldensquote“ sei. Einigkeit herrscht, dass mit jedem Anstieg der Verschuldung der Handlungsspielraum der Politik sinkt. Und entscheidend sei natürlich, wie öffentliches Geld investiert werde: Ausgaben für Infrastruktur und Bildung wirken in der Regel langfristiger und sind damit oft nachhaltiger. Steuererleichterungen oder Sozialleistungen oder Ausgaben fürs Militär würden dagegen mehr den Konsum ankurbeln.

„Dringlicher Investitionsbedarf“

Die Frage, die sich laut „NZZ“ für die Schweiz angesichts der Budgetlage stelle, sei also, ob „dringlicher Investitionsbedarf“ vorhanden ist, etwa für Bildung. „Falls ja, wäre das ein Argument zugunsten der Verwendung künftiger Überschüsse für Investitionen statt den Schuldenabbau.“

Aus Sicht des Schweizer Blatts ist die Antwort darauf nicht klar. Es warnt zudem vor den oft unwirtschaftlichen Entscheidungen der Politik. Den Vorstoß der CVP lehnt die „NZZ“ rundweg ab - weil durch die Investition in das staatliche Pensionssystem kein nachhaltiger Effekt erzielt werde.

Schweizer Sorgen

Dass in der Schweiz auch nicht alles nur rosig ist, zeigte eine Sonderdebatte des Nationalrats in Bern am Donnerstag: Darin wurden die größten Probleme der Schweizer Wirtschaft kontrovers diskutiert. Stichworte, die fielen, waren schleichende Deindustrialisierung, Franken-Schock und die steigende Arbeitslosigkeit. Die Regierung ist in den Augen der Sozialdemokraten und der Grünen untätig, die Abgeordneten aus dem bürgerlichen Lager warnten dagegen davor, übermäßig zu regulieren.

Streit über Privilegien für Unternehmen

Umstritten ist in der Schweiz derzeit zudem eine der größten Steuerreformen seit Jahrzehnten - nämlich die sogenannte Unternehmenssteuerreform III. Sie wurde aufgrund des gestiegenen internationalen Drucks auf die großzügigen Steuerprivilegien, mit denen internationale Konzerne in die Schweiz gelockt wurden, nötig.

Diese Vorteile sollen aufgehoben, gleichzeitig aber die Gewinnsteuern drastisch gesenkt - und neue Privilegien eingeführt werden. Der Nationalrat einigte sich nun auf ein Paket, das aber im Zuge einer Volksabstimmung von den Schweizern erst direkt angenommen werden muss.

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