Für „Territorium und Volk“
Die österreichische Grenzschließung dürfte einen Dominoeffekt auf der Balkan-Route auslösen. Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic machte am Dienstag klar, dass sein Land die Grenzen „schützen“ werde, sollte es einen Rückstau von Flüchtlingen geben.
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„Es gibt Grenzen, wie weit Serbien gehen kann“, sagte Vucic nach einem Treffen mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) in Belgrad. Sollten Österreich, Slowenien und Kroatien ihre Grenzen für Flüchtlinge schließen, werde Serbien „reagieren müssen“, um sein Territorium und sein Volk zu schützen.

APA/AP/Darko Vojinovic
Außenminister Kurz mit dem serbischen Premier Vucic
„Wir werden uns an die europäischen Grundsätze halten, dabei aber unser nationales Interesse wahren“, sagte Vucic. Belgrad werde „keine Mauern und Zäune errichten“, weil die serbischen Sicherheitskräfte stark genug seien, das Staatsgebiet zu schützen. Personelle Unterstützung von den EU-Staaten benötige Serbien nicht, möglicherweise aber technische Unterstützung.
Serbien könnte bei Quotenregelung mitmachen
„Ich sehe keine Lösung in Mauern und das denke ich auch jetzt noch“, bekräftigte der serbische Premier sein Eintreten für eine europäische Lösung in der Flüchtlingskrise. In diesem Zusammenhang wiederholte er das Angebot Belgrads, sich an der Quotenregelung zur Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU zu beteiligen.
„Wir verstehen ganz gut, mit welchen Schwierigkeiten Österreich zu kämpfen hat“, sagte Vucic. Er wies darauf hin, dass Österreich zwei Milliarden Euro für die Aufnahme von 90.000 Flüchtlingen habe aufwenden müssen. „Serbien kann das nicht.“ Das Land werde nicht zulassen, dass der Flüchtlingszuzug seine wirtschaftliche Zukunft gefährde, sagte der Ministerpräsident.
Kurz wirbt um Verständnis
Zur Abriegelung der mazedonisch-griechischen Grenze sagte Vucic, dass Serbien bereits 20 Polizisten mit Ausrüstung an die Grenze geschickt habe. „Sollte Mazedonien als souveräner Staat uns darum bitten, sind wir hilfsbereit“, so der serbische Ministerpräsident.
Österreich sei sich bewusst, dass die österreichische Grenzschließung „Auswirkungen haben kann auf die Länder entlang der Westbalkan-Route“, sagte Kurz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vucic. Daher sei es ihm ein Anliegen, die betroffenen Länder im Rahmen seiner Westbalkan-Reise zu informieren. „Wir müssen nationale Maßnahmen setzen, weil wir dazu gezwungen sind“, warb Kurz vor zahlreichen serbischen Journalisten um Verständnis.
Österreich wolle nun „ganz gezielt mit den Staaten auf der Westbalkan-Route zusammenarbeiten“, um den „Zustrom“ an Flüchtlingen zu reduzieren, so Kurz weiter. Mit Mazedonien habe es diesbezüglich schon „sehr konkrete Gespräche“ gegeben, auch Länder wie Kroatien und Slowenien würden den Vorstoß unterstützen, die Grenze zu Griechenland zu sichern, so Kurz. „Ich bin dankbar für alle Länder, die mit uns an einem Strang ziehen.“
Medien: Serbien plant Dauerunterkünfte
Die serbische Regierung schmiedet laut der Tageszeitung „Danas“ Pläne für eine Langzeitunterbringung von rund 6.000 Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Bisher war nur von Zentren für die vorläufige Unterbringung die Rede. Laut dem Zeitungsbericht sollen die Unterkünfte landesweit in 15 bis 18 Städten entstehen. Geplant seien Aufnahmeeinrichtungen in Subotica an der Grenze zu Ungarn, in der südwestserbischen Kleinstadt Tutin sowie im Landesinneren in Aleksinac, berichtete „Danas“.
Dauerunterkünfte für die Flüchtlinge sollen auch im Belgrader Vorort Krnjaca und in der südserbischen Kleinstadt Presevo an der Grenze zu Mazedonien geschaffen werden. Beobachter gehen davon aus, dass die Durchsetzung einer dauerhafte Aufnahme von Flüchtlingen keine leichte Aufgabe für die serbische Regierung sein wird. In den betroffenen Gemeinden wird erheblicher Widerstand erwartet.
Prognose: 1,2 Mio. Flüchtlinge auf Durchreise
Bisher war Serbien hauptsächlich Transitland auf der Balkan-Route. Die große Mehrheit der über Griechenland und Mazedonien kommenden Flüchtlinge verließ das Land nach wenigen Tagen Richtung Zentraleuropa. Im vergangenen Jahr waren insgesamt rund 800.000 Flüchtlinge durch Serbien gereist, in diesem Jahr dürfte ihre Zahl, so keine Maßnahmen ergriffen werden, auf 1,2 Millionen steigen. Aus dem staatlichen Flüchtlingskommissariat verlautete kürzlich, dass derzeit vorläufige Unterkunftsmöglichkeiten für 6.000 Personen zur Verfügung stünden, Plätze für weitere 3.000 Personen würden vorbereitet.
Serbien will in EU
Das EU-Kandidatenland Serbien versucht, in der Flüchtlingskrise mit einer betont kooperativen Haltung zu punkten. Kurz war bereits am Montagabend in Belgrad eingetroffen und hatte dort gemeinsam mit Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl an einem Treffen mit österreichischen und serbischen Unternehmern teilgenommen. Kurz und Leitl legten dabei ein klares Bekenntnis zur EU-Annäherung Serbiens ab. „Wir werden immer ein starker Partner für Serbien auf dem Weg in die EU sein“, sagte Kurz.
Österreich ist mit einem Investitionsvolumen von 2,8 Milliarden Euro der größte ausländische Investor in Serbien. Die österreichischen Exporte in das größte Westbalkan-Land entwickeln sich dynamisch, in den ersten zehn Monaten des Vorjahres legten sie um elf Prozent auf 460 Millionen Euro zu.
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