Politstreit und Hunderte Todesopfer
Während die Debatte über die Abschottung Europas gegen Hilfesuchende auf Hochtouren läuft, hat Griechenland trotz winterlicher Wetterbedingungen und gefährlicher Bootsfahrten im Jänner 50.700 Ankünfte von Flüchtlingen verzeichnet, wie das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR berichtet.
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Gezählt wurden alle Flüchtlinge, die bis zum 27. Jänner die Grenze zu Griechenland überschritten haben. Zum Vergleich: Im Juli 2015 waren knapp 55.000 Menschen aus der Türkei zu den griechischen Inseln übergesetzt. Die Türkei hatte der EU im November versprochen, die Ausreise von Hilfesuchenden Richtung EU zu reduzieren.
Flüchtlinge sollen laut einem Plan der Niederlande künftig direkt von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgebracht werden. Im Gegenzug würde die EU bis zu 250.000 Menschen aus türkischen Flüchtlingslagern aufnehmen, sagte der Klubchef der niederländischen Sozialdemokraten, Diederik Samsom, der Zeitung „De Volkskrant“. Die Türkei müsse zu einem „sicheren Drittstaat“ erklärt werden.
Auch Österreich für Ab- und Rückweisungen
Die Niederlande haben derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Der Plan, der mit anderen sozialdemokratischen Parteien unter anderem in Deutschland, Österreich und Schweden abgestimmt sei, habe die Unterstützung des niederländischen Regierungschefs Mark Rutte, sagte Samsom. Ruttes Sprecher Paul van Nunen bestätigte das zunächst nicht. Den Haag arbeite hart daran, um „eine gemeinsame Lösung“ zu erreichen, sagte Van Nunen lediglich, „der Andrang von Flüchtlingen muss eingedämmt und die Verteilung in Europa verbessert werden.“
APA/AFP/louisa Gouliamaki
Flüchtlinge stellen sich in einer ehemaligen Olympiahalle in Athen für Essen an
Ein Sprecher der EU-Kommission warnte vor einem möglichen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und gegen europäisches Recht. „Wenn jemand EU-Gebiet betritt oder an der Grenze eines Mitgliedstaats Asyl beantragt, werden wir ihn niemals wegschicken.“ Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte die Überlegungen, die einem „Tauschgeschäft mit Menschenleben“ gleichkämen, als „moralischen Bankrott“.
Dramatischer Appell angesichts Hunderter Toter
Menschenleben kostet die Situation an den EU-Außengrenzen schon jetzt. Da eine legale Einreise in die EU für Flüchtlinge nur im Rahmen des Familiennachzugs möglich ist, sind Zehntausende weiterhin auf die gefährliche Route über das Meer angewiesen. Erst am Donnerstag waren vor der griechischen Insel Samos nach neuesten Angaben der griechischen Küstenwache 26 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Unter ihnen waren auch zehn Kinder, mehrere Menschen werden noch vermisst.
Reuters/Yannis Behrakis
Überfülltes Schlauchboot mit Flüchtlingen vor der Küste der Insel Lesbos
Seit Jahresbeginn kamen im Mittelmeer nach vorläufigen Angaben des UNO-Hilfswerks 236 Flüchtlinge und Migranten ums Leben oder werden noch vermisst. Mit eindringlichen Worten appellierten deshalb die Bürgermeister von Athen und der griechischen Insel Lesbos am Donnerstag bei dem Besuch eines Flüchtlingslagers in der griechischen Hauptstadt an die internationale Solidarität. „Es ist eine Nachricht an die ganze Welt: Wir müssen alle gemeinsam versuchen, diese tragische Situation zu beenden“, sagte der Bürgermeister von Lesbos, Spyros Galinos.
Forderung nach Antragstellung schon in der Türkei
Galinos hatte schon wiederholt gefordert, die Menschen bereits in der Türkei registrieren zu lassen, damit sie von dort aus nicht die gefährliche Reise über das Mittelmeer antreten müssen. „Auf diese Weise gäbe es keinen Grund, sich an Schleuser zu wenden. Es gäbe keinen Grund für die gefährliche Überfahrt, und es würden im Mittelmeer keine Flüchtlinge mehr ertrinken“, sagte er.
Der Athener Bürgermeister Giorgos Kaminis schloss sich seinem Amtskollegen mit der Bitte um Solidarität an. „Man muss bedenken, dass Griechenland seit nunmehr sechs Jahren in einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise steckt und dazu enorme Verwaltungsprobleme hat“, sagte er, „niemand kann ernsthaft erwarten, dass wir diese gewaltige Herausforderung innerhalb weniger Monate im Griff haben.“
50.000 kommen - 50.000 wandern weiter
Die dramatischen Zustände in den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland führen auch dazu, dass sich bei der Neuankunft von Menschen in etwa dieselbe Zahl auf den Weg über die Balkan-Route macht. Seit Jahresbeginn zogen nach slowenischen Angaben mehr als 50.000 Richtung Österreich und Deutschland - trotz Temperaturen, die teilweise deutlich unter null Grad lagen.
Allein am Mittwoch waren es mehr als 1.400 Menschen, wie das mazedonische Innenministerium am Donnerstag in Skopje mitteilte. Über die sogenannte Balkan-Route waren im letzten Jahr schätzungsweise über eine Million Flüchtlinge und Migranten aus der Türkei und Griechenland über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich und vor allem nach Deutschland gekommen.
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