Vorkehrungen für friedlichen Verlauf
Obwohl mehrere europäische Städte im Vorfeld betont haben, dass es keine konkreten Hinweise auf Anschläge gebe, werden an vielen Orten vor Silvester die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Mit einem Großaufgebot der Polizei und strikten Zugangskontrollen sollen Metropolen angesichts der gewachsenen abstrakten Terrorgefahr sicher den Jahreswechsel feiern können.
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Nach den Pariser Anschlägen vom 13. November und dem Attentat auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Jänner sitzt besonders in Paris die Angst vor einem weiteren Attentat tief. „Es wird kein Neujahrsfest wie jedes andere“, betonte die örtliche Polizei. 80 Prozent der Belegschaft werden in Paris und der Region Ile-de-France im Einsatz sein, wie die französische Zeitung „Le Figaro“ berichtete.
Die Polizei sei speziell auf Attentate geschult worden. Verstärkt werden die Einsatzkräfte außerdem vom Militär, das in mobilen Truppen in der ganzen Stadt sowie an besonders gefährdeten Stellen für Sicherheit sorgen soll. Insgesamt sind in ganz Frankreich 60.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um die Nacht ins neue Jahr abzusichern.
Pariser Feiern verkleinert
Am Silvesterabend ist das offizielle Feuerwerk in Paris abgesagt, private Böller und Raketen sind dort zu Silvester ohnehin immer verboten. Eine Lichtershow auf dem Triumphbogen wurde gekürzt. Außerdem wird die Champs-Elysees für eine kürzere Zeit für den Verkehr gesperrt als in den vergangenen Jahren. So sollen stundenlange große Menschenansammlungen verhindert werden. Nichtsdestotrotz werden 600.000 Menschen auf der Prachtstraße erwartet. Die höchste Terrorwarnstufe ist in der Region Ile-de-France weiterhin aufrecht.
„Wir können nicht nichts machen“, sagte die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo kürzlich in einem Zeitungsinterview. „Die Pariser und Franzosen brauchen diesen symbolischen Übergang ins neue Jahr. (...) Nach dem, was unsere Stadt durchgemacht hat, müssen wir der Welt ein Signal senden: Paris steht aufrecht.“
Brüsseler Feuerwerk fällt wegen Terrorgefahr aus
Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel wird das Silvesterfeuerwerk wegen Terrordrohungen ausfallen, wie Bürgermeister Yvan Mayeur am Mittwochabend erklärte. „Es ist besser, wenn wir keine Risiken eingehen“, sagte Mayeur. Die Lage werde weiter geprüft. Premierminister Charles Michel sagte im Sender RTBF, er halte die Entscheidung in der gegenwärtigen „unsicheren Situation“ für gerechtfertigt.
Die Behörden hatten Anschlagspläne für die Silvesternacht aufgedeckt und insgesamt acht Männer in Haft genommen. Waffen und Sprengstoff wurden nach bisherigen Angaben der Staatsanwaltschaft aber nicht gefunden.
Verschärfte Regeln auf Berliner Partymeile
Auch in der deutschen Hauptstadt sei das Sicherheitskonzept für die traditionelle Silvesterparty am Brandenburger Tor nach den Attentaten von Paris neu überprüft worden, gab Berlins Innensenator Frank Henkel gegenüber dem RBB-Inforadio bekannt. „Es wurden natürlich einige Anpassungen vorgenommen.“ Berlin erwartet zu Silvester insgesamt etwa zwei Millionen Touristen, Hunderttausende werden auf einer rund zwei Kilometer langen Feiermeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule feiern. Dort werden rund 150 Künstler auf drei Bühnen erwartet.
Etwa 900 Beamte - knapp 200 mehr als im Vorjahr - sollen die Partygäste auf der Feiermeile schützen. Erstmals dürfen auch keine großen Taschen und Rucksäcke mitgebracht werden, und der angrenzende Tiergarten ist für Fußgänger und Fahrradfahrer gesperrt. Auch Sprengstoffspürhunde werden laut dem „Berliner Kurier“ in Einsatz sein. Der Senator rief die Besucher allerdings dazu auf, sich die Silvesterstimmung nicht verderben zu lassen. Es werde alles getan, damit Berliner und Touristen friedlich feiern können. Es gebe „eben keinen Hinweis auf eine erhöhte oder konkrete Gefährdung“.
Polizeigewerkschafter will Fußfessel für Extremisten
Der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte indes, gefährliche Islamisten von Großveranstaltungen wie der Silvesterfeier in Berlin notfalls mit Fußfesseln fernzuhalten. „Jemand der in Syrien für den Islamischen Staat gekämpft hat, muss nicht zur Silvesterfeier vor das Brandenburger Tor gehen“, sagte Wendt der Tageszeitung „Welt“.
„Gefährder“ würden im Vorfeld von Großveranstaltungen bereits darauf hingewiesen, diese nicht zu besuchen. Das müsse jedoch strenger überwacht werden, forderte Wendt: „Bei Großveranstaltungen wie der Silvesterfeier in Berlin müssen Betretungsverbote gegenüber gefährlichen Islamisten ausgesprochen werden und notfalls mit Fußfesseln überwacht werden“, sagte der Chef der Polizeigewerkschaft. „Wenn man weiß, von einer Person geht eine Gefahr aus, dann müssen die Sicherheitsbehörden mehr tun, als sie nur anzusprechen.“
Rom: Mehr Sicherheit bei Papst-Messen
Mit ebenso umfassenden Sicherheitsvorkehrungen bereitet sich Rom auf Silvester vor. Über 1.550 Sicherheitskräfte sollen in der Nacht zum 1. Jänner eingesetzt werden. Metalldetektoren sollen bei den Zugängen zum Circus Maximus aufgestellt werden. Das Gelände werden die Zuschauer nicht mit Flaschen betreten dürfen. Böller und Feuerwerkspiele sind strengstens verboten.
Soldaten und Polizisten sind vor allem in den U-Bahnen und in Einkaufszentren im Einsatz. Die Zahl möglicher Anschlagziele wurde zuletzt von 90 auf 150 erhöht. Wegen Terrorgefahr gelten auch beim Zugang zu den großen römischen Papstbasiliken verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Der Papst zelebriert am 31. Dezember im Petersdom die Vesper mit dem Te Deum als Dank für das vergangene Jahr.
3.000 Polizisten in London
Im Zentrum Londons sind laut Polizei rund 3.000 Polizisten auf den Straßen. Ausdrücklich heißt es aber: „Unsere Pläne sind reine Vorsichtsmaßnahmen und nicht die Folge irgendwelcher konkreter Geheimdienstinformationen.“ Wer das große Feuerwerk am Riesenrad London Eye aus der Nähe betrachten will, braucht ein Ticket.
Auch in Spaniens Hauptstadt Madrid wird der Zugang zum Hauptplatz Puerta del Sol („Sonnentor“) - wo traditionell Zigtausende vor der Uhr des Sitzes der Regionalregierung das neue Jahr begrüßen - erstmals durch Polizeikontrollen „reguliert“.
New Yorker Sicherheit „umfassender denn je“
New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio und die Behörden der US-Metropole versicherten indes, dass Einheimische und Touristen keine Angst vor Anschlägen haben müssten. Die Sicherheitsmaßnahmen vor den Feiern seien „umfassender denn je“, so De Blasio in einem Radiointerview. „Die Planung ist außergewöhnlich. Wir haben eine riesige Zahl von Polizisten am Silvesterabend draußen.“
New York ist ein beliebtes Ziel, um Silvester zu feiern: Jedes Jahr kommen rund eine Million Menschen allein auf dem bekannten Times Square zusammen, um dort gemeinsam um Mitternacht das neue Jahr zu begrüßen. Für die Silvesterfeiern werde auch die neue Anti-Terror-Einheit eingesetzt, nach Angaben der Behörden in New York gibt es aber keine konkrete Anschlagsgefahr für die Stadt.
Roter Platz in Moskau gesperrt
Der Rote Platz im russischen Moskau hingegen bleibt für die traditionelle Silvesterfeier in diesem Jahr gleich ganz gesperrt. Jeder, der sich zu dem Platz begebe, um auf den Anbruch des neuen Jahres zu warten, werde von der Polizei fortgeschickt, sagte der Sicherheitschef der Stadt Moskau, Alexej Majorow. Die Moskauer sollten auf Silvesterfeiern in den städtischen Parks ausweichen. Sonst feiern alljährlich 100.000 Menschen auf dem Platz zwischen dem Kreml, dem Kaufhaus GUM und der pittoresken Basilius-Kathedrale.
Offizielle Begründung für die Schließung: Auf dem Platz findet ein Konzert statt, das vom staatlichen TV-Sender Kanal Eins aufgezeichnet wird und bei dem nur geladene Gäste zuhören dürfen. Doch hält mancher Moskauer den Grund für vorgeschoben. Die Schließung des Roten Platzes komme einer Schließung des Times Square in New York gleich, sagte der frühere Abgeordnete Alexander Kliukin dem Radiosender Kommersant. Sicherheitsgründe für die Entscheidung liegen nahe: Russland geht wegen seines militärischen Eingreifens in Syrien und wegen der Anschläge von Paris von einer erhöhten Terrorgefahr aus.
Zwei Festnahmen in Ankara
In Ankara wurden indes am Mittwoch zwei Verdächtige festgenommen, die im Auftrag der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) zu Neujahr Selbstmordanschläge geplant haben sollen. „Sie werden verdächtigt, mit dem IS verbunden zu sein und einen Anschlag zu Neujahr in der Hauptstadt vorbereitet zu haben“, sagte ein türkischer Beamter der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch.
Die Polizei habe bei dem Einsatz eine „einsatzbereite Sprengstoffweste und einen Rucksack mit Sprengstoff“ beschlagnahmt, teilte die Provinzregierung von Ankara weiter mit. Nachrichtensender berichteten unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft, die beiden Festgenommenen seien schon länger im Visier der Polizei.
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