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„Keine Festnahmen, kein Sprengstoff“

Das Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande ist am Dienstagabend wegen einer Terrordrohung abgesagt worden. Es habe entsprechende Hinweise auf einen Sprengstoffanschlag gegeben, der von „islamistischen Gefährdern“ geplant gewesen sei, hieß es vonseiten der Polizei.

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„Uns hat ein ernstzunehmender Hinweis erreicht, dass im Stadion heute Abend ein Sprengstoffanschlag geplant ist“, sagte der Polizeipräsident von Hannover, Volker Kluwe, am Dienstagabend in der ARD-„Tagesschau“. Das Spiel war anderthalb Stunden vor dem geplanten Anpfiff abgesagt worden. Sondereinsatzkräfte der Polizei durchsuchten das Stadion und umliegende Gelände.

Gerüchte bestätigten sich nicht

Gefunden wurde jedoch nichts: „Es gab keine Festnahmen und keinen Sprengstoff“, resümierte eine Polizeisprecherin in Hannover Mittwochfrüh den nächtlichen Polizeieinsatz. Inzwischen ziehen sich die Einsatzkräfte in der niedersächsischen Landeshauptstadt zurück. Nach wie vor sei die Polizei präsent, sagte die Sprecherin, „allerdings mit deutlich geringeren Kräften“. Gerüchte, Sprengstoff sei in einem Krankenwagen deponiert worden, wurden nicht bestätigt.

Polizei auf der Straße

APA/AFP/Odd Andersen

Eineinhalb Stunden vor dem Match wurde das Stadion evakuiert

Bombenattrappe in Zug

Nach dem Fund einer Sprengstoffattrappe in einem IC am späten Dienstagabend sucht die Polizei nach dem Mann, der das Paket dort liegen ließ. „Wir werten alles Material aus, das wir haben, und wenn es Videoaufnahmen gibt, dann auch die“, sagte Jörg Ristow, Sprecher der deutschen Bundespolizei. Ein Reisender hatte am Abend in dem Zug einen verdächtigen Gegenstand bei der Ankunft in Hannover entdeckt und die Bundespolizei alarmiert. Ein unbekannter Mann soll das Paket auf der Gepäckablage abgelegt haben. Eine Mitreisende habe den Mann darauf aufmerksam gemacht, dass er etwas vergessen habe, als dieser aufstand und ging. Der Unbekannte habe aber nicht darauf reagiert, sondern den Zug verlassen und sei geflüchtet.

„Konkrete Gefahrenlage“

Wegen einer „konkreten Gefahrenlage“ wurde das Match Deutschland - Niederlande am Dienstag abgesagt. Dabei sollte das Spiel vier Tage nach den Paris-Attentaten auch ein Zeichen sein.

Nachdem auch ein Sprengstoffsuchhund angeschlagen habe, seien Entschärfer hinzugezogen worden, so der Polizeisprecher. Sie fanden beim Röntgen diverse elektronische Bauteile. Bei dem Fund handelte es sich nach Aussagen von Bundespolizeisprecherin Sandra Perlebach um eine gut gemachte Sprengstoffattrappe und nicht um eine scharfe Bombe, wie zunächst befürchtet worden war. Der betroffene Zug war auf dem Weg von Hannover über Bremen nach Oldenburg.

Absage „Empfehlung“ von De Maiziere

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere sagte bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz in Hannover, die Maßnahme sei auf seine Empfehlung hin erfolgt. Er betonte, er wolle sich nicht näher zu den Umständen für die Absage des Länderspiels in Hannover äußern und bitte um Verständnis, dass er auf die Quelle für die Warnung und das Ausmaß der Gefährdung nicht weiter eingehen wolle. Eine konkrete Beantwortung vieler Fragen zu den Gründen der Absage könne er nicht leisten. „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“

„Wir alle hatten uns auf das Spiel gefreut“, sagte De Maiziere weiter. Es habe eine besondere Geste sein sollen. „Umso bitterer ist eine solche Entscheidung, und umso schwerer ist sie uns gefallen.“ Der Innenminister fügte hinzu: „Aber in einer solch schwierigen Lage hat im Zweifel der Schutz der Menschen Vorrang. Diesen Zweifeln sind wir deswegen heute gefolgt.“

Thomas de Maiziere

APA/AFP/Odd Andersen

De Maiziere erläuterte die Hintergründe der Absage bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz

Die Hinweise auf eine Gefährdung hätten sich im Laufe des frühen Abends so verdichtet, dass sich die Sicherheitsbehörden des Bundes nach Abwägung der Vor- und Nachteile entschieden hätten, das Spiel abzusagen, sagte De Maiziere weiter.

Hinweis von französischem Geheimdienst?

Die Sicherheitsbehörden sollen vor der Absage des Fußballländerspiels in Hannover mehrere Hinweise auf Anschlagspläne bekommen haben, berichtete am Abend die „Bild“-Zeitung. Zunächst habe es Hinweise gegeben, dass eine Gruppe um einen namentlich bekannten Nordafrikaner einen Anschlag planen könnte. Es sei konkret von Sprengmitteln, Sprengstoffgürteln, automatischen Waffen und Sprengsätzen an den Zufahrtswegen die Rede gewesen. Dann habe der französische Geheimdienst auf einen irakischen Schläfer hingewiesen, der einen Anschlag auf das Freundschaftsspiel geplant haben soll.

Verwirrung über Konzertabsagen

Nach der Absage des Länderspiels hatte es zunächst geheißen, dass auch zwei Konzerte in Hannover abgesagt worden seien. Die Meldung, dass die TUI-Arena, in der ein Konzert der Söhne Mannheims stattfand, geräumt wurde, stellte sich aber als falsch heraus. Das Konzert der deutschen Band findet wie geplant statt, schrieb die „Bild“-Zeitung und dementierte damit ihren eigenen Bericht.

Sehr wohl abgesagt wurde aber das Konzert des Saxophonisten Maceo Parker. Die Polizei habe ihm die Absage empfohlen, erklärte Musikveranstalter Gerd Kespohl am Abend der dpa. Das Konzert im Kulturzentrum Pavillon sollte um 20.00 Uhr beginnen, es sei um 20.20 Uhr abgesagt worden, sagte Kespohl. Rund 900 Besucher waren zu der Veranstaltung gekommen.

Konkrete Drohung bezog sich auf Stadion

Der Polizeipräsident rief die Menschen in Hannover dazu auf, nach Hause zu gehen und größere Menschenansammlungen - etwa an U-Bahn-Haltestellen oder in Stadionnähe - zu meiden. Zur Begründung sagte er: „Was wir nicht wissen - wenn wir von der Ernsthaftigkeit ausgehen - ist, was diese potenziellen Attentäter dann ersatzweise planen.“ Die konkreten Anschlagshinweise hätten sich allerdings nur auf das Stadion bezogen.

Karte zeigt HDI-Arena in Hannover

Grafik: APA/Omniscale/OSM/ORF.at

Als Zuschauer des Spiels hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister angekündigt. Die „offiziellen Besucher“ und die Mannschaften seien in Sicherheit, sagte Kluwe. Die Evakuierung des Stadions sei „reibungslos verlaufen“.

Eine Stunde zuvor hatte die Polizei wegen des Fundes eines verdächtigen Gegenstands bereits einen Bereich vor dem Stadion abgesperrt. Nach eingehender Kontrolle war zu diesem Zeitpunkt noch Entwarnung gegeben worden. Die „Bild“-Zeitung berichtete am Abend, dass vor allem Rettungs- und Einsatzwagen auf Sprengstoff untersucht würden.

„Schutz von Menschenleben geht vor“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft bezeichnet die Absage des Länderspiels als „einzig richtig“. „So richtig es war, auch mit der Anwesenheit der Bundesregierung ein Zeichen setzen zu wollen, geht der Schutz von Menschenleben vor“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt, dem Kölner „Express“.

Polizisten in der HDI-Arena

APA/dpa/Julian Stratenschulte

Statt jubelnder Fans befanden sich am Abend nur Sicherheitskräfte im abgeriegelten Stadion Hannovers

Die zwei Mannschaften waren zum Zeitpunkt der Absage gerade auf dem Weg ins Stadion und wurden an einen sicheren Ort gebracht. „Mehr können wir derzeit nicht sagen, Bitte u. Verständnis“, schrieb Pressechef Jens Grittner auf Twitter. „Wir sind sehr erschrocken, aber wir sind jetzt sicher. Es heißt jetzt, abzuwarten, wie es weitergeht“, teilte der Verteidiger Joël Veltman von der niederländischen Nationalmannschaft dem TV-Sender AT5 in Amsterdam per SMS mit.

„Fühlt sich an wie eine Niederlage“

„Es fühlt sich an wie eine Niederlage, aber die Sicherheit der Zuschauer und Spieler geht natürlich vor“, sagte die niederländische Sportministerin Edith Schippers nach der Rückkehr aus Hannover am Dienstagabend in Rotterdam dem niederländischen Radio.

Schippers war gemeinsam mit ihrer Kollegin, der niederländischen Verteidigungsministerin Jeanine Hennis, bereits im Stadion in Hannover, als es die Polizei evakuierte. Die niederländische Nationalmannschaft war noch nicht im Stadion und fuhr unter Polizeibegleitung zurück in ihr Hotel.

Keine Anhaltspunkte für Nationalelf als Ziel

Dass die deutsche Nationalmannschaft womöglich zur Zielscheibe von Terroristen geworden sei, bezeichnete DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball als Spekulation: „Dafür haben wir keine Anhaltspunkte.“ Ende März stünden die nächsten zwei Länderspiele gegen England und Italien an. „Was da zu beachten ist, das wird dann mit den Sicherheitsbehörden im Vorfeld zu klären sein.“

Polizisten mit Absperrband

APA/EPA/Julian Stratenschulte

Schwer bewaffnet sicherten die Einsatzkräfte die Umgebung des Stadions

Nach den Anschlägen von Paris am Freitag war der Partie in Hannover auch symbolische Bedeutung zugekommen: Die Anschläge ereigneten sich während eines deutsch-französischen Länderspiels in Paris. Islamistische Angreifer hatten bei koordinierten Angriffen in Paris am Freitagabend 129 Menschen getötet und 352 Menschen verletzt.

Auch Belgien - Spanien abgesagt

Schon am Montag war das geplante Testspiel der belgischen Nationalmannschaft in Brüssel gegen Europameister Spanien abgesagt worden. Die Partie sollte am Dienstagabend im König-Baudouin-Stadion stattfinden. Mit seiner Absage reagierte der belgische Verband auf die Anhebung der Terrorwarnstufe in Belgien.

„Wir bedauern zutiefst, dass ein solches Freundschaftsspiel zwischen zwei motivierten Teams so spät abgesagt wird. Und wir verstehen die Enttäuschung vieler Fans. Unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstände können wir jedoch keinerlei Sicherheitsrisiko für unsere Spieler und Fans eingehen“, schrieb der königlich-belgische Fußballverband auf seiner Website. Zu dem Spiel waren 50.000 Zuschauer erwartet worden.

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