„Konjunkturstimulierend“
Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) spricht in ihrer aktuellen Konjunkturprognose von einem „moderaten“ Wachstumskurs. Hintergrund dafür seien zwei „maßgebliche“ Sondereffekte - einer davon die aktuelle Flüchtlingskrise.
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Neben der im März beschlossenen Steuerreform stützten auch die Ausgaben für die Flüchtlinge die Konjunktur, teilte die OeNB am Donnerstag per Aussendung mit. Die Rede ist von einen „konjunkturstimulierenden“ Effekt, der sich laut OeNB-Prognose mit einem Wachstumseffekt von 0,1 Prozentpunkten auf das vierte Quartal 2015 und das erste Quartal 2016 auswirken wird. Zum Vergleich: Die Steuerreform soll sich laut OeNB im selben Umfang auf das Wachstum auswirken.
Plus 0,3 Prozent
Laut OeNB ist die heimische Wirtschaft im zweiten und dritten Quartal 2015 gegenüber dem Vorquartal um je 0,3 Prozent gewachsen. Nicht in Schwung kam laut OeNB die Industrieproduktion. „In Summe ergibt sich jedoch eine moderat positive konjunkturelle Grunddynamik, die auch über den Jahreswechsel hinaus fortbestehen wird.“ In Summe wird für das vierte Quartal 2015 ein Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,4 Prozent und für das erste Quartal 2016 von 0,5 Prozent erwartet.
Nachtragshaushalt wegen Flüchtlingskrise
Wie sich die Flüchtlingskrise auf das heimische Budget auswirken wird, bleibt unterdessen offen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zeigte sich zuletzt zuversichtlich, dass die Kosten der Flüchtlingskrise von der EU bei der Defizitberechnung berücksichtigt werden. „Österreich hat natürlich so wie Deutschland und Schweden ein Riesenproblem mit den Kosten der Flüchtlinge“, sagte Schelling. Er habe als erster Finanzminister von Anfang an die EU-Kommission darauf aufmerksam gemacht, dass die Flüchtlingskosten aus dem strukturellen Defizit herauszurechnen seien.
In Hinblick auf das EU-Budget müssten sich alle EU-Staaten an den Kosten beteiligen, insbesondere beim Außengrenzschutz und den „Hotspots“ zur Flüchtlingsregistrierung, sagte Schelling. Es sei noch genau zu definieren, was herausgerechnet werde. „Jetzt geht man nur von den Mehrkosten aus.“
Österreich habe ein Spezialproblem dadurch, dass man für 2014 und 2015 ein gemeinsames Budget erstellt habe. Er werde heuer auch für 2015 einen Nachtragshaushalt einbringen müssen, weil die Kosten für die Flüchtlingskrise 2014 nicht vorhersehbar gewesen seien. Für 2015 erwartet Schelling schließlich Mehrkosten in der Größenordnung von „etwas über 200 Millionen“ Euro. Für 2016 seien zusätzliche Mittel für Arbeitsmarkt, Integration und Grundversorgung im Umfang von etwa 350 Millionen Euro eingestellt plus eine Reserve für die Bundesländer.
Draghi: Investitionen machen Europa stärker
Geht es nach dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, werde sich durch die Flüchtlingskrise das Gesellschaftsgefüge in der EU tiefgreifend verändern. Die Zuwanderung von Flüchtlingen berge aber auch eine Chance für Europas Wirtschaft.
Wenn die Krise gut bewältigt werde und Investitionen in den Wandel getätigt würden, werde die EU stärker aus ihr hervorgehen, sagte Draghi am Donnerstag vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europarlaments in Brüssel. Staatliche Investitionen seien zum jetzigen Zeitpunkt wichtig. Es sei aber verfrüht zu sagen, wie weit die Defizite der Staatshaushalte steigen müssten, um die Investitionen zu finanzieren.
Integration wird zunächst Kosten verursachen
Für die gesamte EU geht die EU-Kommission unterdessen von relativ geringen konjunkturellen Auswirkungen durch die Flüchtlingskrise aus. Das gelte auch für die Finanzlage von Transitländern wie Italien, Griechenland und Ungarn, da die anfallenden Kosten nur vorübergehend seien. Hervorgehoben wurde von der Brüsseler Behörde aber die Prognose für Deutschland: Dort könnte die Wirtschaftsleistung mittelfristig um zusätzlich rund 0,7 Prozent zulegen, wenn die Neuankömmlinge die gleichen Qualifikationen mitbrächten wie die heimische Bevölkerung.
Grund für die Annahme der Kommission ist maßgeblich die höhere Zahl an potenziellen Arbeitnehmern und damit an Steuerzahlern, auch wenn die Integration zunächst Kosten verursacht. In diesem Jahr könnte das deutsche BIP laut EZB in beiden Szenarien zusätzlich um 0,1 bis 0,2 Prozent wachsen, 2016 um 0,3 bis 0,4 Prozent. Allerdings nimmt die Wirtschaftsleistung pro Einwohner wegen der höheren Bevölkerungszahl nach EU-Berechnungen zunächst ab - in diesem Jahr um rund 0,7 Prozent, 2020 dann zwischen 0,3 und 0,6 Prozent.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht dennoch davon aus, dass Flüchtlinge der deutschen Wirtschaft im günstigsten Fall bereits in rund vier Jahren mehr Gewinn bringen, als sie an Kosten verursachen.
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