„Eilige“ Suche nach Quartieren
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat am Donnerstag die aktuellen Asylwerberzahlen für Österreich bekanntgegeben: Laut Innenministerium (BMI) wurden heuer bereits 63.000 Asylanträge gestellt, im ganzen Vorjahr waren es rund 28.000. In den letzten zwei Tagen wurde zugleich die höchste Zahl an Anträgen verzeichnet, seit es Aufzeichnungen gibt.
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„Österreich ist nicht nur Transitland, sondern auch Zielland. So wurden gestern 580 Asylanträge und vorgestern 560 Asylanträge gestellt - so viel wie noch nie zuvor an einzelnen Tagen“, sagte Mikl-Leitner beim Treffen der Landesflüchtlingsreferenten in Salzburg. „Auf die Bevölkerungszahl umgelegt haben wir hier eine noch höhere Belastung als Deutschland.“ Zugleich würden sich laut Innenministerin 60.500 Flüchtlinge in der Grundversorgung befinden.
Mehrmonatige Verfahrensdauer
„Die Zahlen sind in den vergangenen Tagen in Österreich und in Deutschland permanent gestiegen, vermutlich weil auch viele Menschen vor dem Winter noch versuchen, den Weg über den Balkan zu nehmen.“ Um der Situation gerecht zu werden, will die Innenministerin das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) so schnell wie möglich auf bis zu 500 Mitarbeiter aufstocken. Die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Asylanträgen betrug zuletzt fünf bis sechs Monate. "Aber es wird nun sicher länger dauern.
Zugleich sollen in den nächsten Jahren bis zu 2.000 zusätzliche Polizisten eingestellt werden - auch um die große Menge an Transitflüchtlingen zu bewältigen. Seit Anfang September hätten 355.000 Flüchtlinge österreichisches Staatsgebiet betreten, die meisten mit dem Zielland Deutschland.
Mikl-Leitner äußerte am Donnerstag auch wenig Verständnis dafür, dass Flüchtlinge in Kroatien und Slowenien nur vereinzelt um Asyl ansuchen würden. „Das sind sicherere Länder. Flüchtlinge haben Recht auf Asyl, aber sicher kein Recht auf das wirtschaftlich attraktivste Land.“
Meiste Anträge von Syrern und Afghanen
Größte Gruppe bei neuen Anträgen sind derzeit Menschen aus Syrien, allerdings nur knapp vor jenen aus Afghanistan. Für das Jahr 2015 rechnet das BFA mit mehr als 30.000 Asylstatusentscheidungen und für 2016 mit rund 50.000. Das BFA war auf rund 16.000 derartige Entscheidungen pro Jahr ausgelegt. Diese Planung wurde bereits im vergangenen Jahr mit rund 18.200 Entscheidungen übertroffen.
Heuer wurden BFA-Angaben zufolge von Jänner bis Ende September 25.974 Statusentscheidungen getroffen. Das sind 46 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs. Wie viele der rund 26.000 Statusentscheidungen insgesamt positiv entschieden wurden, ist noch nicht bekannt. Im ersten Halbjahr wurde in 34 Prozent der Fälle Asyl gewährt. Im Jahr 2014 waren 39 Prozent der Asylanträge positiv beschieden worden.
Bund und Länder auf Quartiersuche
Die hohe Zahl an Asylanträgen stellt Bund und Länder besonders bei der Suche nach schnell verfügbaren Quartieren vor große Herausforderungen. „Seit dem Sommer sind über 30.000 neue Unterkunftsplätze geschaffen worden, aber die Geschwindigkeit überholt uns“, sagte die Salzburger Asyl-Landesrätin Martina Berthold (Grüne) am Donnerstag nach der Landesflüchtlingskonferenz.
„Eine schnelle Abstimmung zwischen Bund und Ländern ist vor allem im Zulassungsverfahren wichtig. Wir müssen Obdachlosigkeit unter Asylwerbern trotz der großen Herausforderungen vermeiden.“ Zurzeit müssen immer wieder Menschen, die in Österreich einen Asylantrag gestellt haben, in Transitquartieren schlafen, um nicht auf der Straße zu stehen. In Salzburg sei es aber etwa gelungen, seit 15. Oktober rund 260 Menschen aus Notunterkünften in Landesquartiere zu übernehmen, betonte Berthold.
„Wir stehen vor Herkules-Aufgabe“
„Wir stehen täglich vor einer Herkules-Aufgabe“, sagte auch Mikl-Leitner. „Wir hatten in den vergangen Wochen im Schnitt jeden Tag 300 bis 400 Asylanträge. Das heißt, wir brauchen jeden zweiten Tag eine Zahl an Unterkünften, die einer kleineren Gemeinde entsprechen. Es ist ganz eilig.“
Nach dem Durchgriffsrecht seien bisher sieben Bescheide ausgestellt und 1.850 Plätze geschaffen worden. „Und weitere Plätze werden folgen“, sagte Mikl-Leiter. Das Durchgriffsrecht sei allerdings nicht immer einfach umzusetzen - auch weil manche Quartiergeber überhöhte Preise verlangen und die schwierige Situation ausnützen würden. „Wir sind weiter auf der Suche nach Mietverträgen für Häuser oder Grundstücke, wo sich Container aufstellen lassen.“ Zumindest beim Ziel, keine Asylwerber mehr in Zelten unterzubringen, sei man auf einem guten Weg. Derzeit würden nur noch 360 Personen in Zelten nächtigen müssen - in Althofen und im Erstaufnahmezentrum Krumpendorf in Kärnten.
Appell an Integrationsminister Kurz
Die Flüchtlingsreferenten der Bundesländer appellierten am Donnerstag an Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP), eine 15a-Vereinbarung für Integrationsmaßnahmen zwischen Bund und Ländern abzuschließen. „Wir müssen möglichst schnell schauen, dass die Menschen die Sprache lernen und auf eigenen Füßen stehen. Auch um zu vermeiden, dass sie in die Mindestsicherung fallen“, sagte Berthold. Wichtig sei, dass Bundesländer und Bund an einem Strang ziehen - etwa auch beim Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber und bei Abstimmungen zum Durchgriffsrecht des Bundes.
Unterkünfte für unbegleitete Minderjährige
Die Bundesländer einigten sich am Donnerstag beim Treffen der Flüchtlingsreferenten in Salzburg zudem darauf, dass 1.500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die derzeit in Bundesquartieren untergebracht sind, auf die Bundesländer aufgeteilt werden.
Weil mehr als 80.000 Flüchtlinge bis zum Jahresende in Österreich erwartet werden, sollen in Bundes- und Landesquartieren noch mehr als 20.000 neue Unterbringungsplätze geschaffen werden, hieß es aus dem Büro von Salzburgs Asyl-Landesrätin Berthold.
Zugleich pochten die Flüchtlingsreferenten auf eine Beschleunigung der Asylverfahren und machten noch einmal klar, das die Kosten für die Notunterbringung von Transitflüchtlingen alleine vom Bund zu tragen seien. „Die Besorgung der Aufgabe ‚Betreuung durchreisender Flüchtlinge‘ falle nach der Kompetenzverteilung (Art. 10 B-VG) in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Bundes“, hieß es in einer Aussendung.
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