Innenministerium will Vorwürfe prüfen
Die EU-Kommission geht gegen insgesamt 19 Staaten, darunter Österreich, wegen fehlender oder mangelhafter Umsetzung europäischer Asylvorschriften rechtlich vor. In Österreich bemängelt die EU-Behörde die unzureichende Umsetzung der EU-Richtlinie über Asylaufnahmebedingungen. Die Republik erhalte ein Mahnschreiben, weil sie die getroffenen Maßnahmen nicht vollständig gemeldet habe.
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Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte, die EU-Kommission habe als Hüterin der Verträge insgesamt 40 Vertragsverletzungsverfahren gestartet, um sicherzustellen, dass die EU-Staaten vereinbarte Vorschriften auch anwenden. „Unser gemeinsames Asylsystem kann nur funktionieren, wenn sich jeder an die Regeln hält.“
Großteil betrifft Aufnahmebedingungen
Die meisten Verfahren betreffen die EU-Regeln zu Aufnahmebedingungen und Asylverfahren. Eine ganze Reihe von Staaten bekommt Mahnbriefe wegen Mängeln in diesen beiden Bereichen, so etwa Belgien, Bulgarien, Zypern, Tschechien, Estland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, Spanien und Schweden. Bulgarien und Spanien werden von der EU-Kommission überdies gerügt, weil sie die Richtlinie zur Anerkennung von Schutzbedürftigen nicht umgesetzt hätten. Einem AFP-Bericht zufolge wurden die Mahnschreiben bereits versandt.
Die betroffenen Staaten haben nach Eintreffen des Mahnschreibens zwei Monate Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern und gegebenenfalls ihre Praxis zu ändern. Ist die Kommission weiter nicht zufrieden, kann sie eine weitere ausführlich begründete Warnung an das Mitgliedsland verschicken und nach weiteren zwei Monaten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreichen. Bekommt die Kommission recht, kann sie die Verhängung von Geldbußen gegen das betroffene Land verlangen. Insgesamt laufen laut Reuters nun 75 Verfahren, die vor dem EuGH und mit einer Geldstrafe enden könnten. Timmermans zufolge haben nur fünf Mitgliedsländer die Asylvorgaben „voll umgesetzt“.
Innenministerium verweist auf Gesetzesänderung
Das Innenministerium verwies in einer ersten Reaktion auf eine aktuelle Gesetzesänderung. Jene Teile der relevanten EU-Asylrichtlinien, die das Innenministerium betreffen, seien durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015, das am 20. Juli dieses Jahres in Kraft getreten sei, umgesetzt worden. Die Änderungen seien auch der EU-Kommission offiziell bekanntgegeben worden.
Inwieweit nun der Vorwurf der mangelnden Umsetzung von Asylvorschriften den Wirkungsbereich des Innenressorts betrifft, könne noch nicht beurteilt werden. Für eine endgültige Beurteilung will das Ministerium das Schreiben der Kommission abwarten und prüfen. Auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wollte im Ö1-Mittagsjournal das Vertragsverletzungsverfahren noch nicht kommentieren: „Zuerst muss man den Vorwurf kennen und haben.“
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zeigte sich am Donnerstag überzeugt, dass es „keine Versäumnisse“ gegeben habe. Zu den genauen Vorwürfen gegen Österreich könne sie sich noch nicht äußern, da das offizielle Schreiben der EU noch nicht eingetroffen sei.
„Eigentlich selbstverständlich“
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker deutete bereits vor rund zwei Wochen mögliche Verfahren gegen EU-Mitglieder an, die die Beschlüsse der gemeinsamen Asylpolitik nicht ausreichend umgesetzt haben. Am Dienstag berichtete schließlich die deutsche „Welt“ von den nun eingeleiteten Verfahren.
Die Drohung der EU-Kommission kam überraschend schnell, endete die Umsetzungsfrist für Teile der EU-Asylgesetzgebung doch erst im Juni dieses Jahres. Zu einem weiteren Aufschub war die Kommission diesmal offenbar nicht bereit. Juncker sagte erst vergangene Woche bei seiner Rede im EU-Parlament, dass die europäischen Rechtsvorschriften von allen Mitgliedsstaaten angewandt werden müssen: „Dies sollte in einer Union, die auf Rechtssicherheit basiert, eigentlich selbstverständlich sein.“
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