Weitere Busse auf dem Weg nach Norden
Nachdem Ungarn seine Grenzen zu Serbien geschlossen hat, versuchen Flüchtlinge nun über Kroatien in die EU zu gelangen. Bis Mittwochfrüh hätten 150 Personen die Grenze passiert, sagte Kroatiens Premier Zoran Milanovic. „Sie werden Kroatien durchqueren können, und wir werden ihnen dabei helfen“, kündigte Milanovic an.
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Mittwochfrüh hatten zunächst etwa 30 bis 40 Personen - hauptsächlich Syrer und Afghanen - die serbische Grenzstadt Sid erreicht. Sie waren die ganze Nacht von der rund 500 Kilometer entfernten mazedonischen Grenze durch Serbien unterwegs gewesen. „Wir haben gehört, dass Ungarn zugemacht hat, also hat uns die Polizei gesagt, dass wir hierher fahren sollen“, sagte einer der Flüchtlinge. Sie wollen durch Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland reisen.

Reuters/Antonio Bronic
Kroatische Polizisten an der serbisch-kroatischen Grenze
Nach ihrer Ankunft nahe der Grenze seien die Menschen zu Fuß durch ein Getreidefeld Richtung Kroatien aufgebrochen, berichtete ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters. Laut Angaben der kroatischen Polizei wurden am Vormittag „20 Migranten, vor allem Frauen und Kinder“ bei Tovarnik registriert. Tovarnik liegt nur wenige Kilometer von Sid entfernt.
Serbische Behörden stellen Busse zur Verfügung
Mindestens zehn weitere Busse seien derzeit unterwegs zur kroatischen Grenze, berichteten serbische Medien am Mittwoch. Die Fahrzeuge waren offenbar von den serbischen Behörden gestellt worden. In Presevo an der Grenze zu Mazedonien stünden indes weitere Fahrzeuge für den Transport von Flüchtlingen nach Sid bereit, meldete der Radiosender B92. Ein Busfahrer gab gegenüber dem Sender an, er und seine Kollegen seien angewiesen worden, die Menschen direkt an die kroatische Grenze zu bringen.

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Gefahr durch Landminen
Zwischen Presevo und dem Grenzübergang Walserberg in Salzburg liegen in etwa 1.190 Kilometer. Über Ungarn sind es zwar 1.305 Kilometer, allerdings ist die ungarische Schengen-Grenze schon nach 590 Kilometer erreicht, während auf der kroatischen Route der Schengen-Raum erst nach 803 Kilometer am Grenzübergang Bregana zu Slowenien erreicht wird. Aus diesem Grund war der Weg über Kroatien bisher bei den Flüchtlingen wenig beliebt.
Außerdem ist die Route über Kroatien und Slowenien topografisch herausfordernd. Die Donau bildet einen großen Teil der serbisch-kroatischen Grenze, zudem gilt ein Teil Ostslawoniens auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kroatien-Krieges noch als vermint. An der slowenisch-kroatischen Grenze gibt es kaum flache Gebiete, auch auf dem weiteren Weg muss Gebirgen wie den Karawanken und dem Tauern-Hauptkamm ausgewichen werden.
Minister: Debatten verfrüht
Der serbische Innenminister Nebojsa Stefanovic hält die Debatten über die Alternativrouten von Flüchtlingen, nachdem die ungarische Grenze am Montag geschlossen wurde, für verfrüht. Es würde sich derzeit nicht um sehr hohe Flüchtlingszahlen handeln. Es sei verfrüht, davon zu reden, ob sie ihre Reise über Ungarn, Kroatien oder ein anderes Land fortsetzen würden, sagte der Innenminister in Horgos.

Reuters/Antonio Bronic
Flüchtlinge in Serbien: Nach der Grenzschließung durch Ungarn versuchen die Menschen, nach Kroatien zu gelangen
Die Grenzübergänge zu Ungarn, Horgos und Backi Breg, waren auch am Mittwoch für den Verkehr komplett gesperrt. Der normale Verkehr verlief nach Angaben des Automobilverbandes Serbiens über die Grenzübergänge Kelebija und Backi Vinogradi. Laut Belgrader Medienberichten hätten etwa 100 Flüchtlinge die vergangenen Nacht am Grenzübergang Horgos 1 (Richtung Röszke) verbracht. Einige andere waren ins Camp im nahe gelegenen Kanjiza zurückgekehrt.
6.000 Polizisten an kroatischer Grenze
Der kroatische Innenminister Ranko Ostojic hatte zuvor betont, dass sein Land für den Fall eines starken Zustroms von Flüchtlingen bereits Pläne vorbereitet habe. Er wies zudem darauf hin, dass Kroatien als Nicht-Schengen-Mitglied umfassende Möglichkeiten zur Grenzkontrolle habe. Medienberichten zufolge hat das Innenministerium 6.000 Polizisten an die Grenze beordert. Kroatien will die ankommenden Flüchtlinge registrieren und mit dem Nötigsten versorgen. Allerdings werde davon ausgegangen, dass die meisten Flüchtlinge Richting Norden weiterziehen, hieß es.
Die kroatische Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic verlangte laut einem Medienbericht die Einberufung des nationalen Sicherheitsrates. Es müsse mit einem Ansturm von Flüchtlingen gerechnet werden, begründete sie ihre Forderungen in einem Brief, aus dem die Zeitung „Jutarnji list“ zitierte.
367 Menschen in Ungarn verhaftet
Nach dem Inkrafttreten verschärfter Einwanderungsregeln zog die ungarische Polizei am Mittwoch eine erste Bilanz: Am Dienstag seien 367 Flüchtlinge bei dem Versuch festgenommen worden, die Grenze nach Ungarn zu überwinden. 316 von ihnen sollen sich wegen Beschädigung des Grenzzauns verantworten, die übrigen 51 wegen Verletzung der Einwanderungsregeln. Die Zahl der Flüchtlinge an der serbisch-ungarischen Grenze ist insgesamt stark gefallen, am Montag hatte die ungarische Polizei noch 9.300 Personen aufgegriffen. Etwa 300 Menschen stecken Medienberichten zufolge noch hinter dem ungarischen Grenzzaun in Serbien fest.
Geringe Chance auf Flüchtlingsstatus
Mit dem Inkrafttreten der neuen ungarischen Flüchtlingsgesetze am Dienstag verringert sich die Hoffnung von Migranten auf einen Flüchtlingsstatus nahezu auf null, schrieb das Internetportal Hvg.hu. Nach der „neuen Zeitrechnung“, die laut der ungarischen Regierung mit Inkrafttreten der neuen Flüchtlingsgesetze begann, würde ein Flüchtlingsstatus in Ungarn einem Wunder gleichkommen.
Auf legalem Wege eintreffende Migranten kann Ungarn leicht nach Serbien abschieben, da es Serbien als sicheres Land qualifiziert. Auf illegal Einreisende wiederum warten die sofortige Ausweisung oder eine Gefängnisstrafen, die nach den neuen Gesetzen bis zu drei Jahre beträgt.
99 Prozent der Antragsteller scheitern
Für aus Serbien eintreffende Flüchtlinge stünden zwei Transitzonen an der serbischen Grenze, in Röszke und Tompa, zur Verfügung, die von 6.00 bis 22.00 Uhr geöffnet sind, sagte György Bakondi, Chefberater von Premier Viktor Orban, am Dienstag. Vor den ungarischen Behörden müssen die Flüchtlinge in diesen streng bewachten Aufnahmestellen erklären, ob sie um Asyl ansuchen. Ist das nicht der Fall, werden sie umgehend nach Serbien abgeschoben. Nur der Flüchtling darf ungarischen Boden betreten, dessen Antrag seitens Ungarns akzeptiert wurde.
Laut dem ungarischen Helsinki-Komitee besteht für 99 Prozent der Antragsteller die Gefahr, dass sie nach Serbien abgeschoben werden. Die ungarischen Behörden würden sich nur dann mit der Angelegenheit eines Asylantragstellers befassen, wenn dieser bereits in Serbien einen Antrag stellte, der von den serbischen Behörden abgelehnt oder der nicht fair beurteilt wurde.
Flüchtlinge nach Serbien abgeschoben
94 Flüchtlinge beantragten nach amtlichen Angaben am Dienstag in den zwei Transitzonen Asyl. 19 Anträge seien abgelehnt worden, die anderen sind noch nicht abschließend bearbeitet, meldete die amtliche Nachrichtenagentur MTI. In der Transitzone von Röszke sei es zu ersten Abschiebungen von drei Asylantragstellern aus Bangladesch gekommen, berichtete der Sender Inforadio. Sie hätten einen in ungarischer Sprache verfassten Beschluss erhalten, den ihnen letztlich Journalisten ins Englische übersetzten. Darin wurde erklärt, dass Serbien laut Ungarn ein sicheres Land sei, sodass die Migranten dahin zurückkehren müssten.
Die Flüchtlinge wurden für ein Jahr aus der ganzen Schengen-Zone ausgeschlossen. Die Betroffenen können innerhalb von sieben Tagen beim Gericht in Szeged Berufung einlegen - allerdings nur telefonisch oder in einem Brief. Die Asylanträge, werden sie angenommen, sollen in maximal 15 Tagen an den Gerichten in Szeged von 130 Richtern bearbeitet werden. Wo die betroffenen Flüchtlinge so lange untergebracht werden, ist ungewiss.
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